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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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immer auf Uebertreibungen fällt, er in seinem gei-
stigen Stolze nicht auf die Winke seiner Lehre-
rinn, der Natur, achtet! Das höchste Glück wel-
ches ich hier finde, ist die völlige Freiheit der
Meinungen. Niemahls hört, man weder einen
religiösen noch politischen Streit; ein jeder sagt
ohne Rückhalt sein Urtheil, und hört ruhig ein
entgegengesetztes an. Es ist möglich daß du
recht hast, sagt der eine, mir scheint es jedoch
so, aber ich kann irren; der andre äußert
sich eben so, und kein Tropfen Wermuth fällt
in den Becher der Freundschaft. Diese Mäßi-
gung ist um so bewundernswürdiger im gegen-
wärtigen Augenblick, wo der Krieg und die daraus
entsprungenen Unglücksfälle, die Gemüther mehr
als gewöhnlich spannen. Nur unter diesem ru-
higen Volke, konnte die Freiheit ihren Sitz auf-
schlagen, ohne daß ihr Weg mit Blut bezeignet
wurde. Mir ist als ob ich hier ausruhte, von
all dem Weh, welches mein armes Herz in den
letzten Jahren unaufhörlich bestürmt hat, als ob
ich nach langer Pilgerschaft, Quarantaine hielte.
Diese ist freilich nicht sehr ergetzlich, aber sie
sichert die Gesundheit, und deßhalb sey sie mei-

immer auf Uebertreibungen faͤllt, er in ſeinem gei-
ſtigen Stolze nicht auf die Winke ſeiner Lehre-
rinn, der Natur, achtet! Das hoͤchſte Gluͤck wel-
ches ich hier finde, iſt die voͤllige Freiheit der
Meinungen. Niemahls hoͤrt, man weder einen
religioͤſen noch politiſchen Streit; ein jeder ſagt
ohne Ruͤckhalt ſein Urtheil, und hoͤrt ruhig ein
entgegengeſetztes an. Es iſt moͤglich daß du
recht haſt, ſagt der eine, mir ſcheint es jedoch
ſo, aber ich kann irren; der andre aͤußert
ſich eben ſo, und kein Tropfen Wermuth faͤllt
in den Becher der Freundſchaft. Dieſe Maͤßi-
gung iſt um ſo bewundernswuͤrdiger im gegen-
waͤrtigen Augenblick, wo der Krieg und die daraus
entſprungenen Ungluͤcksfaͤlle, die Gemuͤther mehr
als gewoͤhnlich ſpannen. Nur unter dieſem ru-
higen Volke, konnte die Freiheit ihren Sitz auf-
ſchlagen, ohne daß ihr Weg mit Blut bezeignet
wurde. Mir iſt als ob ich hier ausruhte, von
all dem Weh, welches mein armes Herz in den
letzten Jahren unaufhoͤrlich beſtuͤrmt hat, als ob
ich nach langer Pilgerſchaft, Quarantaine hielte.
Dieſe iſt freilich nicht ſehr ergetzlich, aber ſie
ſichert die Geſundheit, und deßhalb ſey ſie mei-

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[11/0019] immer auf Uebertreibungen faͤllt, er in ſeinem gei- ſtigen Stolze nicht auf die Winke ſeiner Lehre- rinn, der Natur, achtet! Das hoͤchſte Gluͤck wel- ches ich hier finde, iſt die voͤllige Freiheit der Meinungen. Niemahls hoͤrt, man weder einen religioͤſen noch politiſchen Streit; ein jeder ſagt ohne Ruͤckhalt ſein Urtheil, und hoͤrt ruhig ein entgegengeſetztes an. Es iſt moͤglich daß du recht haſt, ſagt der eine, mir ſcheint es jedoch ſo, aber ich kann irren; der andre aͤußert ſich eben ſo, und kein Tropfen Wermuth faͤllt in den Becher der Freundſchaft. Dieſe Maͤßi- gung iſt um ſo bewundernswuͤrdiger im gegen- waͤrtigen Augenblick, wo der Krieg und die daraus entſprungenen Ungluͤcksfaͤlle, die Gemuͤther mehr als gewoͤhnlich ſpannen. Nur unter dieſem ru- higen Volke, konnte die Freiheit ihren Sitz auf- ſchlagen, ohne daß ihr Weg mit Blut bezeignet wurde. Mir iſt als ob ich hier ausruhte, von all dem Weh, welches mein armes Herz in den letzten Jahren unaufhoͤrlich beſtuͤrmt hat, als ob ich nach langer Pilgerſchaft, Quarantaine hielte. Dieſe iſt freilich nicht ſehr ergetzlich, aber ſie ſichert die Geſundheit, und deßhalb ſey ſie mei-

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/19>, abgerufen am 29.04.2024.