Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Arme eignen Bewegungen ohne Beschwerden machen
konnte, weil die Natur schon einen andern harten fe-
sten Körper hervorgebracht hatte. Die Leichenöffnung
erwies in der Folge, daß das wiedererzeugte Schlüs-
selbein von dem herausgenommenen weder in Ansehung
der Länge nach auch der Dichtigkeit, sondern blos
der Gestalt nach verschieden war. Der Körper des-
selben schien nämlich nicht so rund, sondern der senk-
rechten Richtung nach zusammengedrückt zu seyn. Ich
bin überzeugt, daß er mit der Zeit auch die vollkom-
mene Gestalt würde erhalten haben. Von der gros-
sen Zehe trennte sich bey mir nach einem gewaltsamen
Stoße an einen Eckstein der ganze Nagel vollständig
los. Nach einiger Zeit zeigte sich in der Mitte der
Nagelplatte eine glänzende, empfindliche, harte Er-
habenheit, welche immer hornartiger und dunkler
wurde, und sich nach allen Seiten mehr ausbreitete. So
bald sie den obern und die Seitenränder erreicht hatte,
und mit ihnen verwachsen war, schuppte sie sich zu
wiederholten malen in breiten kleyenartigen Blättchen
ab. Endlich bekam sie eben die glatte, eben so harte,
und gefurchte Gestalt, wie ein jeder andere Nagel, so
daß man jezt nicht den geringsten Unterschied daran
entdecken kann. Else hatte einem jungen Reger den
größten Theil der untern Kinnlade nebst den Kronen-
und Knopffortsätzen, ausgenommen die Spitzen der-
selben, herausgezogen, und an dem vordern Theil blieb
blos derjenige Bogen, der das Kinn ausmacht, zu-
rück. Dem ohngeachtet konnte dieser junge Mensch,
nach der Erzeugung des neuen Knochens, an welchen

sich

Arme eignen Bewegungen ohne Beſchwerden machen
konnte, weil die Natur ſchon einen andern harten fe-
ſten Koͤrper hervorgebracht hatte. Die Leichenoͤffnung
erwies in der Folge, daß das wiedererzeugte Schluͤſ-
ſelbein von dem herausgenommenen weder in Anſehung
der Laͤnge nach auch der Dichtigkeit, ſondern blos
der Geſtalt nach verſchieden war. Der Koͤrper deſ-
ſelben ſchien naͤmlich nicht ſo rund, ſondern der ſenk-
rechten Richtung nach zuſammengedruͤckt zu ſeyn. Ich
bin uͤberzeugt, daß er mit der Zeit auch die vollkom-
mene Geſtalt wuͤrde erhalten haben. Von der groſ-
ſen Zehe trennte ſich bey mir nach einem gewaltſamen
Stoße an einen Eckſtein der ganze Nagel vollſtaͤndig
los. Nach einiger Zeit zeigte ſich in der Mitte der
Nagelplatte eine glaͤnzende, empfindliche, harte Er-
habenheit, welche immer hornartiger und dunkler
wurde, und ſich nach allen Seiten mehr ausbreitete. So
bald ſie den obern und die Seitenraͤnder erreicht hatte,
und mit ihnen verwachſen war, ſchuppte ſie ſich zu
wiederholten malen in breiten kleyenartigen Blaͤttchen
ab. Endlich bekam ſie eben die glatte, eben ſo harte,
und gefurchte Geſtalt, wie ein jeder andere Nagel, ſo
daß man jezt nicht den geringſten Unterſchied daran
entdecken kann. Elſe hatte einem jungen Reger den
groͤßten Theil der untern Kinnlade nebſt den Kronen-
und Knopffortſaͤtzen, ausgenommen die Spitzen der-
ſelben, herausgezogen, und an dem vordern Theil blieb
blos derjenige Bogen, der das Kinn ausmacht, zu-
ruͤck. Dem ohngeachtet konnte dieſer junge Menſch,
nach der Erzeugung des neuen Knochens, an welchen

ſich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0170" n="151"/>
Arme eignen Bewegungen ohne Be&#x017F;chwerden machen<lb/>
konnte, weil die Natur &#x017F;chon einen andern harten fe-<lb/>
&#x017F;ten Ko&#x0364;rper hervorgebracht hatte. Die Leicheno&#x0364;ffnung<lb/>
erwies in der Folge, daß das wiedererzeugte Schlu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elbein von dem herausgenommenen weder in An&#x017F;ehung<lb/>
der La&#x0364;nge nach auch der Dichtigkeit, &#x017F;ondern blos<lb/>
der Ge&#x017F;talt nach ver&#x017F;chieden war. Der Ko&#x0364;rper de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben &#x017F;chien na&#x0364;mlich nicht &#x017F;o rund, &#x017F;ondern der &#x017F;enk-<lb/>
rechten Richtung nach zu&#x017F;ammengedru&#x0364;ckt zu &#x017F;eyn. Ich<lb/>
bin u&#x0364;berzeugt, daß er mit der Zeit auch die vollkom-<lb/>
mene Ge&#x017F;talt wu&#x0364;rde erhalten haben. Von der gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Zehe trennte &#x017F;ich bey mir nach einem gewalt&#x017F;amen<lb/>
Stoße an einen Eck&#x017F;tein der ganze Nagel voll&#x017F;ta&#x0364;ndig<lb/>
los. Nach einiger Zeit zeigte &#x017F;ich in der Mitte der<lb/>
Nagelplatte eine gla&#x0364;nzende, empfindliche, harte Er-<lb/>
habenheit, welche immer hornartiger und dunkler<lb/>
wurde, und &#x017F;ich nach allen Seiten mehr ausbreitete. So<lb/>
bald &#x017F;ie den obern und die Seitenra&#x0364;nder erreicht hatte,<lb/>
und mit ihnen verwach&#x017F;en war, &#x017F;chuppte &#x017F;ie &#x017F;ich zu<lb/>
wiederholten malen in breiten kleyenartigen Bla&#x0364;ttchen<lb/>
ab. Endlich bekam &#x017F;ie eben die glatte, eben &#x017F;o harte,<lb/>
und gefurchte Ge&#x017F;talt, wie ein jeder andere Nagel, &#x017F;o<lb/>
daß man jezt nicht den gering&#x017F;ten Unter&#x017F;chied daran<lb/>
entdecken kann. <hi rendition="#fr">El&#x017F;e</hi> hatte einem jungen Reger den<lb/>
gro&#x0364;ßten Theil der untern Kinnlade neb&#x017F;t den Kronen-<lb/>
und Knopffort&#x017F;a&#x0364;tzen, ausgenommen die Spitzen der-<lb/>
&#x017F;elben, herausgezogen, und an dem vordern Theil blieb<lb/>
blos derjenige Bogen, der das Kinn ausmacht, zu-<lb/>
ru&#x0364;ck. Dem ohngeachtet konnte die&#x017F;er junge Men&#x017F;ch,<lb/>
nach der Erzeugung des neuen Knochens, an welchen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ich</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0170] Arme eignen Bewegungen ohne Beſchwerden machen konnte, weil die Natur ſchon einen andern harten fe- ſten Koͤrper hervorgebracht hatte. Die Leichenoͤffnung erwies in der Folge, daß das wiedererzeugte Schluͤſ- ſelbein von dem herausgenommenen weder in Anſehung der Laͤnge nach auch der Dichtigkeit, ſondern blos der Geſtalt nach verſchieden war. Der Koͤrper deſ- ſelben ſchien naͤmlich nicht ſo rund, ſondern der ſenk- rechten Richtung nach zuſammengedruͤckt zu ſeyn. Ich bin uͤberzeugt, daß er mit der Zeit auch die vollkom- mene Geſtalt wuͤrde erhalten haben. Von der groſ- ſen Zehe trennte ſich bey mir nach einem gewaltſamen Stoße an einen Eckſtein der ganze Nagel vollſtaͤndig los. Nach einiger Zeit zeigte ſich in der Mitte der Nagelplatte eine glaͤnzende, empfindliche, harte Er- habenheit, welche immer hornartiger und dunkler wurde, und ſich nach allen Seiten mehr ausbreitete. So bald ſie den obern und die Seitenraͤnder erreicht hatte, und mit ihnen verwachſen war, ſchuppte ſie ſich zu wiederholten malen in breiten kleyenartigen Blaͤttchen ab. Endlich bekam ſie eben die glatte, eben ſo harte, und gefurchte Geſtalt, wie ein jeder andere Nagel, ſo daß man jezt nicht den geringſten Unterſchied daran entdecken kann. Elſe hatte einem jungen Reger den groͤßten Theil der untern Kinnlade nebſt den Kronen- und Knopffortſaͤtzen, ausgenommen die Spitzen der- ſelben, herausgezogen, und an dem vordern Theil blieb blos derjenige Bogen, der das Kinn ausmacht, zu- ruͤck. Dem ohngeachtet konnte dieſer junge Menſch, nach der Erzeugung des neuen Knochens, an welchen ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/170
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/170>, abgerufen am 28.04.2024.