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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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dem nämlichen Zustande. Er führt noch das Beyspiel
eines Wassersüchtigen an, der erst, nachdem er alle
Arzneyen bey Seite gesetzt hatte, häufige Stühle,
Schweiße und häufigen Harn bekam, wodurch er in
kurzer Zeit gesund wurde.

Ein Fürst lag lange an einem mit Kraftlosig-
keit und Mangel an Eßlust verbundenen, gegen alle
Arzneyen widerspenstigen schleichenden Fieber darnie-
der. Er war an eine rauhe Kost gewöhnt; Brunner
gab ihm Sauerkraut; der Genuß desselben und der-
gleichen Speisen stellten die Eßlust und die Kräfte
dergestalt wieder her, daß die Arzneyen die Genesung
bewirken konnten.*) Kämpf erlaubte mehreren Per-
sonen, welche durch eine strenge Kindbetterinn Diät
nach einer überstandenen Krankheit sich nicht erholen
konnten, und zuvor an stärkere Nahrungsmittel ge-
wohnt waren, Salat, Pöckelfleisch Salzgurken und
Häringe, worauf sich der wässerichte Mund mit den
erweckten Verdauungskräften zusehends wieder einstell-
te, und dann thaten die Arzneyen die beste Wirkung,
und konnten oft ganz entbehret werden.

Darinn liegt der Grund, warum mancher Kran-
ke, den die Aerzte mit äuflösenden, erweichenden, er-
schlappenden Getränken und nebst immerwährenden
Abführungen mit einer zu sparsamen Nahrung erschöpft
haben, und der endlich, der Aerzte und der Arzneyen
überdrüßig, die wenigen hoffnungslosen Tage seines
traurigen Lebens noch einigermassen zu genießen, sich
entschließet, ohne Unterschied alles ißet und trinket,

was
*) Kämpf. --

dem naͤmlichen Zuſtande. Er fuͤhrt noch das Beyſpiel
eines Waſſerſuͤchtigen an, der erſt, nachdem er alle
Arzneyen bey Seite geſetzt hatte, haͤufige Stuͤhle,
Schweiße und haͤufigen Harn bekam, wodurch er in
kurzer Zeit geſund wurde.

Ein Fuͤrſt lag lange an einem mit Kraftloſig-
keit und Mangel an Eßluſt verbundenen, gegen alle
Arzneyen widerſpenſtigen ſchleichenden Fieber darnie-
der. Er war an eine rauhe Koſt gewoͤhnt; Brunner
gab ihm Sauerkraut; der Genuß deſſelben und der-
gleichen Speiſen ſtellten die Eßluſt und die Kraͤfte
dergeſtalt wieder her, daß die Arzneyen die Geneſung
bewirken konnten.*) Kaͤmpf erlaubte mehreren Per-
ſonen, welche durch eine ſtrenge Kindbetterinn Diaͤt
nach einer uͤberſtandenen Krankheit ſich nicht erholen
konnten, und zuvor an ſtaͤrkere Nahrungsmittel ge-
wohnt waren, Salat, Poͤckelfleiſch Salzgurken und
Haͤringe, worauf ſich der waͤſſerichte Mund mit den
erweckten Verdauungskraͤften zuſehends wieder einſtell-
te, und dann thaten die Arzneyen die beſte Wirkung,
und konnten oft ganz entbehret werden.

Darinn liegt der Grund, warum mancher Kran-
ke, den die Aerzte mit aͤufloͤſenden, erweichenden, er-
ſchlappenden Getraͤnken und nebſt immerwaͤhrenden
Abfuͤhrungen mit einer zu ſparſamen Nahrung erſchoͤpft
haben, und der endlich, der Aerzte und der Arzneyen
uͤberdruͤßig, die wenigen hoffnungsloſen Tage ſeines
traurigen Lebens noch einigermaſſen zu genießen, ſich
entſchließet, ohne Unterſchied alles ißet und trinket,

was
*) Kaͤmpf. —
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[451[415]/0434] dem naͤmlichen Zuſtande. Er fuͤhrt noch das Beyſpiel eines Waſſerſuͤchtigen an, der erſt, nachdem er alle Arzneyen bey Seite geſetzt hatte, haͤufige Stuͤhle, Schweiße und haͤufigen Harn bekam, wodurch er in kurzer Zeit geſund wurde. Ein Fuͤrſt lag lange an einem mit Kraftloſig- keit und Mangel an Eßluſt verbundenen, gegen alle Arzneyen widerſpenſtigen ſchleichenden Fieber darnie- der. Er war an eine rauhe Koſt gewoͤhnt; Brunner gab ihm Sauerkraut; der Genuß deſſelben und der- gleichen Speiſen ſtellten die Eßluſt und die Kraͤfte dergeſtalt wieder her, daß die Arzneyen die Geneſung bewirken konnten. *) Kaͤmpf erlaubte mehreren Per- ſonen, welche durch eine ſtrenge Kindbetterinn Diaͤt nach einer uͤberſtandenen Krankheit ſich nicht erholen konnten, und zuvor an ſtaͤrkere Nahrungsmittel ge- wohnt waren, Salat, Poͤckelfleiſch Salzgurken und Haͤringe, worauf ſich der waͤſſerichte Mund mit den erweckten Verdauungskraͤften zuſehends wieder einſtell- te, und dann thaten die Arzneyen die beſte Wirkung, und konnten oft ganz entbehret werden. Darinn liegt der Grund, warum mancher Kran- ke, den die Aerzte mit aͤufloͤſenden, erweichenden, er- ſchlappenden Getraͤnken und nebſt immerwaͤhrenden Abfuͤhrungen mit einer zu ſparſamen Nahrung erſchoͤpft haben, und der endlich, der Aerzte und der Arzneyen uͤberdruͤßig, die wenigen hoffnungsloſen Tage ſeines traurigen Lebens noch einigermaſſen zu genießen, ſich entſchließet, ohne Unterſchied alles ißet und trinket, was *) Kaͤmpf. —

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 451[415]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/434>, abgerufen am 29.04.2024.