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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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ließ, und dem keiner daran gestorben seyn soll. Eben
so bediente sich James in den hitzigen Fiebern und im
Seitenstiche mit gleichem Erfolge eines besondern Mit-
tels, wobey die Blutausleerungen selten nöthig wa-
ren. Helmont, der keine andere, als örtliche, z. B.
durch Blutigel oder Schrepfen am kranken Theile zu-
ließ, sagt: "Ich laße keinem, der den Seitenstich
hat, zur Ader, und meine Heilart ist sicher, gewiß,
bequem und gründlich. Keiner geht zu Grunde, da
indeßen so viele durch das Aderlaßen schwindsüchtig,
oder fast alle Jahre rückfällig werden. Denn nach dem
Ausspruche des Galenus sterben alle diejenigen
schwindsüchtig, welche den vierzigsten Tag nicht voll-
kommen geheilet sind. Ich aber heile in wenigen Ta-
gen vollständig, ohne daß je ein Rückfall erfolget."*)
Er erlernte seine Kunst von einem Bauern, und sie
bestund darinn, daß er Roßmist mit Bier verdünnt,
abgesotten, und durchgeseigt zu trinken gab, wodurch
alle in drey Tagen geheilt werden sollen. In der
That werden die flüchtigen Laugensalze, welche ver-
dünnt sehr oft ungemein nützlich sind, nur von sehr
wenigen Aerzten empfohlen. -- Gäbe es aber nicht
auch bey uns dergleichen unverschämte Großsprecher,
die sich, trotz so mancher erwiesenen Todesfälle, schrift-
lich und mündlich zu behaupten getrauen, daß ihnen
noch Keiner an einer gewißen hitzigen Krankheit ge-
storben seye; so müßten uns dergleichen dreiste An-
maßungen allerdings unsern Glauben abnöthigen.


§. 78.
*) Cap. IV. de sebribus Nro. 14.
Gall I. Band. J i

ließ, und dem keiner daran geſtorben ſeyn ſoll. Eben
ſo bediente ſich James in den hitzigen Fiebern und im
Seitenſtiche mit gleichem Erfolge eines beſondern Mit-
tels, wobey die Blutausleerungen ſelten noͤthig wa-
ren. Helmont, der keine andere, als oͤrtliche, z. B.
durch Blutigel oder Schrepfen am kranken Theile zu-
ließ, ſagt: „Ich laße keinem, der den Seitenſtich
hat, zur Ader, und meine Heilart iſt ſicher, gewiß,
bequem und gruͤndlich. Keiner geht zu Grunde, da
indeßen ſo viele durch das Aderlaßen ſchwindſuͤchtig,
oder faſt alle Jahre ruͤckfaͤllig werden. Denn nach dem
Ausſpruche des Galenus ſterben alle diejenigen
ſchwindſuͤchtig, welche den vierzigſten Tag nicht voll-
kommen geheilet ſind. Ich aber heile in wenigen Ta-
gen vollſtaͤndig, ohne daß je ein Ruͤckfall erfolget.“*)
Er erlernte ſeine Kunſt von einem Bauern, und ſie
beſtund darinn, daß er Roßmiſt mit Bier verduͤnnt,
abgeſotten, und durchgeſeigt zu trinken gab, wodurch
alle in drey Tagen geheilt werden ſollen. In der
That werden die fluͤchtigen Laugenſalze, welche ver-
duͤnnt ſehr oft ungemein nuͤtzlich ſind, nur von ſehr
wenigen Aerzten empfohlen. — Gaͤbe es aber nicht
auch bey uns dergleichen unverſchaͤmte Großſprecher,
die ſich, trotz ſo mancher erwieſenen Todesfaͤlle, ſchrift-
lich und muͤndlich zu behaupten getrauen, daß ihnen
noch Keiner an einer gewißen hitzigen Krankheit ge-
ſtorben ſeye; ſo muͤßten uns dergleichen dreiſte An-
maßungen allerdings unſern Glauben abnoͤthigen.


§. 78.
*) Cap. IV. de ſebribus Nro. 14.
Gall I. Band. J i
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[497/0516] ließ, und dem keiner daran geſtorben ſeyn ſoll. Eben ſo bediente ſich James in den hitzigen Fiebern und im Seitenſtiche mit gleichem Erfolge eines beſondern Mit- tels, wobey die Blutausleerungen ſelten noͤthig wa- ren. Helmont, der keine andere, als oͤrtliche, z. B. durch Blutigel oder Schrepfen am kranken Theile zu- ließ, ſagt: „Ich laße keinem, der den Seitenſtich hat, zur Ader, und meine Heilart iſt ſicher, gewiß, bequem und gruͤndlich. Keiner geht zu Grunde, da indeßen ſo viele durch das Aderlaßen ſchwindſuͤchtig, oder faſt alle Jahre ruͤckfaͤllig werden. Denn nach dem Ausſpruche des Galenus ſterben alle diejenigen ſchwindſuͤchtig, welche den vierzigſten Tag nicht voll- kommen geheilet ſind. Ich aber heile in wenigen Ta- gen vollſtaͤndig, ohne daß je ein Ruͤckfall erfolget.“ *) Er erlernte ſeine Kunſt von einem Bauern, und ſie beſtund darinn, daß er Roßmiſt mit Bier verduͤnnt, abgeſotten, und durchgeſeigt zu trinken gab, wodurch alle in drey Tagen geheilt werden ſollen. In der That werden die fluͤchtigen Laugenſalze, welche ver- duͤnnt ſehr oft ungemein nuͤtzlich ſind, nur von ſehr wenigen Aerzten empfohlen. — Gaͤbe es aber nicht auch bey uns dergleichen unverſchaͤmte Großſprecher, die ſich, trotz ſo mancher erwieſenen Todesfaͤlle, ſchrift- lich und muͤndlich zu behaupten getrauen, daß ihnen noch Keiner an einer gewißen hitzigen Krankheit ge- ſtorben ſeye; ſo muͤßten uns dergleichen dreiſte An- maßungen allerdings unſern Glauben abnoͤthigen. §. 78. *) Cap. IV. de ſebribus Nro. 14. Gall I. Band. J i

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/516>, abgerufen am 27.04.2024.