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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Krankheiten der Leber und der Milz greifen nicht sel-
ten blos die kranke Seite an; und erregen von der Fuß-
sohle bis zum Schädel die schmerzhaftesten Zufälle, oh-
ne daß die andere Seite das geringste davon empfin-
det, wie ich bey einer Frau, die eine Leberverhärtung
hatte, gesehen habe, und Bordeu bey einem fünf-
zehnjährigen Junge, der von Kindheit auf eine Be-
schwerlichkeit an der Milz bemerkte. Er klagte von Zeit
zu Zeit über einen sehr lebhaften Schmerz in der Wei-
che, und auf der ganzen linken Seite; der Aderschlag
auf dieser Seite war gewöhnlich, und besonders bey
dem Anfalle des Schmerzens unordentlicher, lebhaf-
ter und gespannter. -- Die Fußgicht macht den Ader-
schlag auf dieser Seite enger und krampfartiger. --
Von einer durch einen Splitter verursachten Entzün-
dung des Fingers, sahe ich die ganze Seite heiß und
die eine Wange hochroth. Nicht selten habe ich mei-
nen Kranken vorausgesagt, an welcher Seite sie schwit-
zen oder am meisten schwitzen werden. Der Puls an
dieser Seite ist völler, weicher und mehr wellenför-
mig. Da also das ganze Bestreben der Natur nach
einer Seite hingeht, so werden nothwendig die na-
türlichen Bewegungen entweder in Unordnung gebracht,
oder das Uebel wird in gar nichts verändert, wenn
man seine Heilart auf der gesunden Seite anbringt[.]
Auch davon findet man jetzt überall Beyspiele. -- Andere
unbedeutendere Kunstgriffe, als Blutigel, Reiben der
kranken Stelle während dem Aderlassen, Blasenpflaster
unmittelbar auf den kranken Theil, besonders nach ei-
ner reichlichen Blutläße; flüchtige, erweichende Sal-

ben

Krankheiten der Leber und der Milz greifen nicht ſel-
ten blos die kranke Seite an; und erregen von der Fuß-
ſohle bis zum Schaͤdel die ſchmerzhafteſten Zufaͤlle, oh-
ne daß die andere Seite das geringſte davon empfin-
det, wie ich bey einer Frau, die eine Leberverhaͤrtung
hatte, geſehen habe, und Bordeu bey einem fuͤnf-
zehnjaͤhrigen Junge, der von Kindheit auf eine Be-
ſchwerlichkeit an der Milz bemerkte. Er klagte von Zeit
zu Zeit uͤber einen ſehr lebhaften Schmerz in der Wei-
che, und auf der ganzen linken Seite; der Aderſchlag
auf dieſer Seite war gewoͤhnlich, und beſonders bey
dem Anfalle des Schmerzens unordentlicher, lebhaf-
ter und geſpannter. — Die Fußgicht macht den Ader-
ſchlag auf dieſer Seite enger und krampfartiger. —
Von einer durch einen Splitter verurſachten Entzuͤn-
dung des Fingers, ſahe ich die ganze Seite heiß und
die eine Wange hochroth. Nicht ſelten habe ich mei-
nen Kranken vorausgeſagt, an welcher Seite ſie ſchwit-
zen oder am meiſten ſchwitzen werden. Der Puls an
dieſer Seite iſt voͤller, weicher und mehr wellenfoͤr-
mig. Da alſo das ganze Beſtreben der Natur nach
einer Seite hingeht, ſo werden nothwendig die na-
tuͤrlichen Bewegungen entweder in Unordnung gebracht,
oder das Uebel wird in gar nichts veraͤndert, wenn
man ſeine Heilart auf der geſunden Seite anbringt[.]
Auch davon findet man jetzt uͤberall Beyſpiele. — Andere
unbedeutendere Kunſtgriffe, als Blutigel, Reiben der
kranken Stelle waͤhrend dem Aderlaſſen, Blaſenpflaſter
unmittelbar auf den kranken Theil, beſonders nach ei-
ner reichlichen Blutlaͤße; fluͤchtige, erweichende Sal-

ben
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[501/0520] Krankheiten der Leber und der Milz greifen nicht ſel- ten blos die kranke Seite an; und erregen von der Fuß- ſohle bis zum Schaͤdel die ſchmerzhafteſten Zufaͤlle, oh- ne daß die andere Seite das geringſte davon empfin- det, wie ich bey einer Frau, die eine Leberverhaͤrtung hatte, geſehen habe, und Bordeu bey einem fuͤnf- zehnjaͤhrigen Junge, der von Kindheit auf eine Be- ſchwerlichkeit an der Milz bemerkte. Er klagte von Zeit zu Zeit uͤber einen ſehr lebhaften Schmerz in der Wei- che, und auf der ganzen linken Seite; der Aderſchlag auf dieſer Seite war gewoͤhnlich, und beſonders bey dem Anfalle des Schmerzens unordentlicher, lebhaf- ter und geſpannter. — Die Fußgicht macht den Ader- ſchlag auf dieſer Seite enger und krampfartiger. — Von einer durch einen Splitter verurſachten Entzuͤn- dung des Fingers, ſahe ich die ganze Seite heiß und die eine Wange hochroth. Nicht ſelten habe ich mei- nen Kranken vorausgeſagt, an welcher Seite ſie ſchwit- zen oder am meiſten ſchwitzen werden. Der Puls an dieſer Seite iſt voͤller, weicher und mehr wellenfoͤr- mig. Da alſo das ganze Beſtreben der Natur nach einer Seite hingeht, ſo werden nothwendig die na- tuͤrlichen Bewegungen entweder in Unordnung gebracht, oder das Uebel wird in gar nichts veraͤndert, wenn man ſeine Heilart auf der geſunden Seite anbringt. Auch davon findet man jetzt uͤberall Beyſpiele. — Andere unbedeutendere Kunſtgriffe, als Blutigel, Reiben der kranken Stelle waͤhrend dem Aderlaſſen, Blaſenpflaſter unmittelbar auf den kranken Theil, beſonders nach ei- ner reichlichen Blutlaͤße; fluͤchtige, erweichende Sal- ben

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/520>, abgerufen am 29.04.2024.