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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Darauf gründet sich auch das Hippokratische
Gesetz, daß man keine Ausleerungen veranstalten sol-
le, während dem die Natur auf einem entgegengesetz-
ten Weege eine andere veranstaltet. So z. B. solle
man nicht abführen, wenn ein Schweiß im Anzuge
ist, und nicht zum Schwitzen geben, wo die Materie
ihren Ausgang nach dem After oder der Harnblase
nimmt, weil sonst jedesmal das Werk der Natur ge-
stöhrt wird.

Diese Regel leidet ihre Ausnahmen: denn es
giebt Fälle, wo man die Natur von einer Seite er-
leichtern muß, während sie auf der andern ihr Werk
nicht ganz zu Stande bringen kann. In der von 1757 bis
--59. herrschenden Petechienepidemie ließ Hasenöhrl
einem Manne zur Ader, während daß der Ausschlag
auf der Haut war, weil er über einen stechenden, an-
haltenden Schmerzen unter den kurzen Ribben klagte,
der Puls härtlich und das Athmen gehindert war.
Auch Huxham rätht in ähnlichen Fällen das Blutlas-
sen, wenn nämlich der Puls geschwind, hart, voll,
der Athem kurz und mühsam, der Harn roth, der
Durst heftig, die Zunge trocken und schmutzig, die
Augen roth, funkelnd, die Kopf- Rücken- Kreuz-
und Lendenschmerzen unerträglich und das Klopfen der
Droßeladern sehr merklich sind. Unter diesen Zufäl-
len, sagt Planchon muß man sogar in der Pest Ader-
lassen. Es gilt auch bey allen Arten von schlimmen
Blattern; nur jedesmal mit der Einschränkung, daß
die Natur der herrschenden Seuche nicht entgegen seye
Fordyce that das nämliche im Frieselfieber, obschon

der

Darauf gruͤndet ſich auch das Hippokratiſche
Geſetz, daß man keine Ausleerungen veranſtalten ſol-
le, waͤhrend dem die Natur auf einem entgegengeſetz-
ten Weege eine andere veranſtaltet. So z. B. ſolle
man nicht abfuͤhren, wenn ein Schweiß im Anzuge
iſt, und nicht zum Schwitzen geben, wo die Materie
ihren Ausgang nach dem After oder der Harnblaſe
nimmt, weil ſonſt jedesmal das Werk der Natur ge-
ſtoͤhrt wird.

Dieſe Regel leidet ihre Ausnahmen: denn es
giebt Faͤlle, wo man die Natur von einer Seite er-
leichtern muß, waͤhrend ſie auf der andern ihr Werk
nicht ganz zu Stande bringen kann. In der von 1757 bis
—59. herrſchenden Petechienepidemie ließ Haſenöhrl
einem Manne zur Ader, waͤhrend daß der Ausſchlag
auf der Haut war, weil er uͤber einen ſtechenden, an-
haltenden Schmerzen unter den kurzen Ribben klagte,
der Puls haͤrtlich und das Athmen gehindert war.
Auch Huxham raͤtht in aͤhnlichen Faͤllen das Blutlaſ-
ſen, wenn naͤmlich der Puls geſchwind, hart, voll,
der Athem kurz und muͤhſam, der Harn roth, der
Durſt heftig, die Zunge trocken und ſchmutzig, die
Augen roth, funkelnd, die Kopf- Ruͤcken- Kreuz-
und Lendenſchmerzen unertraͤglich und das Klopfen der
Droßeladern ſehr merklich ſind. Unter dieſen Zufaͤl-
len, ſagt Planchon muß man ſogar in der Peſt Ader-
laſſen. Es gilt auch bey allen Arten von ſchlimmen
Blattern; nur jedesmal mit der Einſchraͤnkung, daß
die Natur der herrſchenden Seuche nicht entgegen ſeye
Fordyce that das naͤmliche im Frieſelfieber, obſchon

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[618/0637] Darauf gruͤndet ſich auch das Hippokratiſche Geſetz, daß man keine Ausleerungen veranſtalten ſol- le, waͤhrend dem die Natur auf einem entgegengeſetz- ten Weege eine andere veranſtaltet. So z. B. ſolle man nicht abfuͤhren, wenn ein Schweiß im Anzuge iſt, und nicht zum Schwitzen geben, wo die Materie ihren Ausgang nach dem After oder der Harnblaſe nimmt, weil ſonſt jedesmal das Werk der Natur ge- ſtoͤhrt wird. Dieſe Regel leidet ihre Ausnahmen: denn es giebt Faͤlle, wo man die Natur von einer Seite er- leichtern muß, waͤhrend ſie auf der andern ihr Werk nicht ganz zu Stande bringen kann. In der von 1757 bis —59. herrſchenden Petechienepidemie ließ Haſenöhrl einem Manne zur Ader, waͤhrend daß der Ausſchlag auf der Haut war, weil er uͤber einen ſtechenden, an- haltenden Schmerzen unter den kurzen Ribben klagte, der Puls haͤrtlich und das Athmen gehindert war. Auch Huxham raͤtht in aͤhnlichen Faͤllen das Blutlaſ- ſen, wenn naͤmlich der Puls geſchwind, hart, voll, der Athem kurz und muͤhſam, der Harn roth, der Durſt heftig, die Zunge trocken und ſchmutzig, die Augen roth, funkelnd, die Kopf- Ruͤcken- Kreuz- und Lendenſchmerzen unertraͤglich und das Klopfen der Droßeladern ſehr merklich ſind. Unter dieſen Zufaͤl- len, ſagt Planchon muß man ſogar in der Peſt Ader- laſſen. Es gilt auch bey allen Arten von ſchlimmen Blattern; nur jedesmal mit der Einſchraͤnkung, daß die Natur der herrſchenden Seuche nicht entgegen ſeye Fordyce that das naͤmliche im Frieſelfieber, obſchon der

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/637>, abgerufen am 29.04.2024.