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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Insel Tybeen, welcher verschiedene Personen durch
kein Mittel, und wenn es auch noch so stark wäre,
im Schlagfluß erwecken konnte, als bis er ihnen an
den Fußsohlen glühende Eisen anhielt. Klaudius
rätht den Kranken in die flache Hand zu stechen;
Henr. ab Heers hat einer schlagflüssigen Weibsper-
son, die kein Zeichen des Lebens von sich gab, ein
lange Nadel unter dem Nagel der grosse Zehen ge-
stochen, wovon sie augenblicklich zu sich selbst gekom-
men ist. Fast alle Aerzte rathen bey der Fallsucht
nicht nur ein starkes Haarseil am Hinterhaupt, son-
dern auch glühendes Eisen an die Kopfnathen zu le-
gen. Die Anwendung des glühenden Eisens ist zwar
sehr alt; man muß aber gestehen, daß die Rath-
schläge, die Kopfnathen zu brennen, mehr nachgebe-
tet, als durch Erfahrung geprüft sind. De Haen
ließ einem Knaben wegen dem schwarzen Staaren die
Hirnschaale brennen. Obschon der Knabe sehr stark
war, so hatte er doch einen dünnen, durchscheinenden
Schädel, und das Brennen, welches nicht bis auf
das Mark der Hirnschale gedrungen hat, hatte doch
die Hirnhaut entzündet, zusammengeschrumpft und
die eine Blatte des Schädels gespalten. Dieses ge-
schah ihm ebenfalls bey einer Frau. Er führt noch
mehrere Erfahrungen an, die die Gefahr des Kopf-
brennens unwidersprechlich beweisen.*)

Desto vortrefflichere Dienste hingegen leistet
das Brennen, z. B. die Kerzen bey innern Geschwü-
ren, besonders der Lunge. Man lißt bey Pouteau

und
*) T. VI. cap. VI. erani sectione.
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Inſel Tybeen, welcher verſchiedene Perſonen durch
kein Mittel, und wenn es auch noch ſo ſtark waͤre,
im Schlagfluß erwecken konnte, als bis er ihnen an
den Fußſohlen gluͤhende Eiſen anhielt. Klaudius
raͤtht den Kranken in die flache Hand zu ſtechen;
Henr. ab Heers hat einer ſchlagfluͤſſigen Weibsper-
ſon, die kein Zeichen des Lebens von ſich gab, ein
lange Nadel unter dem Nagel der groſſe Zehen ge-
ſtochen, wovon ſie augenblicklich zu ſich ſelbſt gekom-
men iſt. Faſt alle Aerzte rathen bey der Fallſucht
nicht nur ein ſtarkes Haarſeil am Hinterhaupt, ſon-
dern auch gluͤhendes Eiſen an die Kopfnathen zu le-
gen. Die Anwendung des gluͤhenden Eiſens iſt zwar
ſehr alt; man muß aber geſtehen, daß die Rath-
ſchlaͤge, die Kopfnathen zu brennen, mehr nachgebe-
tet, als durch Erfahrung gepruͤft ſind. De Haen
ließ einem Knaben wegen dem ſchwarzen Staaren die
Hirnſchaale brennen. Obſchon der Knabe ſehr ſtark
war, ſo hatte er doch einen duͤnnen, durchſcheinenden
Schaͤdel, und das Brennen, welches nicht bis auf
das Mark der Hirnſchale gedrungen hat, hatte doch
die Hirnhaut entzuͤndet, zuſammengeſchrumpft und
die eine Blatte des Schaͤdels geſpalten. Dieſes ge-
ſchah ihm ebenfalls bey einer Frau. Er fuͤhrt noch
mehrere Erfahrungen an, die die Gefahr des Kopf-
brennens unwiderſprechlich beweiſen.*)

Deſto vortrefflichere Dienſte hingegen leiſtet
das Brennen, z. B. die Kerzen bey innern Geſchwuͤ-
ren, beſonders der Lunge. Man lißt bey Pouteau

und
*) T. VI. cap. VI. erani ſectione.
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[627/0646] Inſel Tybeen, welcher verſchiedene Perſonen durch kein Mittel, und wenn es auch noch ſo ſtark waͤre, im Schlagfluß erwecken konnte, als bis er ihnen an den Fußſohlen gluͤhende Eiſen anhielt. Klaudius raͤtht den Kranken in die flache Hand zu ſtechen; Henr. ab Heers hat einer ſchlagfluͤſſigen Weibsper- ſon, die kein Zeichen des Lebens von ſich gab, ein lange Nadel unter dem Nagel der groſſe Zehen ge- ſtochen, wovon ſie augenblicklich zu ſich ſelbſt gekom- men iſt. Faſt alle Aerzte rathen bey der Fallſucht nicht nur ein ſtarkes Haarſeil am Hinterhaupt, ſon- dern auch gluͤhendes Eiſen an die Kopfnathen zu le- gen. Die Anwendung des gluͤhenden Eiſens iſt zwar ſehr alt; man muß aber geſtehen, daß die Rath- ſchlaͤge, die Kopfnathen zu brennen, mehr nachgebe- tet, als durch Erfahrung gepruͤft ſind. De Haen ließ einem Knaben wegen dem ſchwarzen Staaren die Hirnſchaale brennen. Obſchon der Knabe ſehr ſtark war, ſo hatte er doch einen duͤnnen, durchſcheinenden Schaͤdel, und das Brennen, welches nicht bis auf das Mark der Hirnſchale gedrungen hat, hatte doch die Hirnhaut entzuͤndet, zuſammengeſchrumpft und die eine Blatte des Schaͤdels geſpalten. Dieſes ge- ſchah ihm ebenfalls bey einer Frau. Er fuͤhrt noch mehrere Erfahrungen an, die die Gefahr des Kopf- brennens unwiderſprechlich beweiſen. *) Deſto vortrefflichere Dienſte hingegen leiſtet das Brennen, z. B. die Kerzen bey innern Geſchwuͤ- ren, beſonders der Lunge. Man lißt bey Pouteau und *) T. VI. cap. VI. erani ſectione. R r 2

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/646>, abgerufen am 01.05.2024.