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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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ihn der nämliche Schmerz der Art nach, nur war er
gelinder, und ließ sich in drey Tagen durch die küh-
lende Lebensordnung allein heben; dennoch bekam er
auch jetzt mehrere Geschwürchen auf dem Kopfe. --
Clerk erzählt von einer Wasserscheue, welche drey
Jahre, jedesmal am nämlichen Tage, an dem der
Kranke gebißen worden war, den Anfall wiederholte,
sich mit Schmerz und Röthe des Theils, mit einem
Jucken des ganzen Körpers, und mit einem nach 4--5
Stunden erfolgten Erbrechen endigte. -- Der gelehr-
te Saumaise bekam in seinem 38ten Jahre zum er-
sten Male, und von nun an alle Jahre das Fieber,
welches ihn 7 Jahr lang jedes Mal mit Gefahr des
Lebens anfiel. -- Der Dichter Aulipater von Si-
don
bekam jederzeit an seinem Geburtstage das Fie-
ber, waran er auch endlich starb.

Ich überlasse jedem Leser die Erklärung dieser
Erscheinungen. Durch Angewöhnungen können sie
nicht erklärt werden, weil sie statt im Verlaufe der
Zeit hartnäckiger zu werden, vielmehr nach und nach
aufhören; die periodische Rückkehr kann ebenfalls nicht,
wie Galenus glaubte, aus bloßen ähnlichen Veran-
lassungen der Lebensordnung erklärt werden, weil die
Rückkehr oft pünktlich mit dem vorigen Zeitverlauf
zusammentrift, und weil in vielen Fällen, z. B. in
den angeführten Beyspielen von Vergiftungen, von
Kopfweh, von der Wasserscheue gar keine neue Ver-
anlassung statt hatte. Galenus mag in jenen Krank-
heiten Recht haben, welche sich einige Jahre lang
um die gewöhnliche Zeit zu melden pflegen, wie die-

ses

ihn der naͤmliche Schmerz der Art nach, nur war er
gelinder, und ließ ſich in drey Tagen durch die kuͤh-
lende Lebensordnung allein heben; dennoch bekam er
auch jetzt mehrere Geſchwuͤrchen auf dem Kopfe. —
Clerk erzaͤhlt von einer Waſſerſcheue, welche drey
Jahre, jedesmal am naͤmlichen Tage, an dem der
Kranke gebißen worden war, den Anfall wiederholte,
ſich mit Schmerz und Roͤthe des Theils, mit einem
Jucken des ganzen Koͤrpers, und mit einem nach 4—5
Stunden erfolgten Erbrechen endigte. — Der gelehr-
te Saumaiſe bekam in ſeinem 38ten Jahre zum er-
ſten Male, und von nun an alle Jahre das Fieber,
welches ihn 7 Jahr lang jedes Mal mit Gefahr des
Lebens anfiel. — Der Dichter Aulipater von Si-
don
bekam jederzeit an ſeinem Geburtstage das Fie-
ber, waran er auch endlich ſtarb.

Ich uͤberlaſſe jedem Leſer die Erklaͤrung dieſer
Erſcheinungen. Durch Angewoͤhnungen koͤnnen ſie
nicht erklaͤrt werden, weil ſie ſtatt im Verlaufe der
Zeit hartnaͤckiger zu werden, vielmehr nach und nach
aufhoͤren; die periodiſche Ruͤckkehr kann ebenfalls nicht,
wie Galenus glaubte, aus bloßen aͤhnlichen Veran-
laſſungen der Lebensordnung erklaͤrt werden, weil die
Ruͤckkehr oft puͤnktlich mit dem vorigen Zeitverlauf
zuſammentrift, und weil in vielen Faͤllen, z. B. in
den angefuͤhrten Beyſpielen von Vergiftungen, von
Kopfweh, von der Waſſerſcheue gar keine neue Ver-
anlaſſung ſtatt hatte. Galenus mag in jenen Krank-
heiten Recht haben, welche ſich einige Jahre lang
um die gewoͤhnliche Zeit zu melden pflegen, wie die-

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[654/0673] ihn der naͤmliche Schmerz der Art nach, nur war er gelinder, und ließ ſich in drey Tagen durch die kuͤh- lende Lebensordnung allein heben; dennoch bekam er auch jetzt mehrere Geſchwuͤrchen auf dem Kopfe. — Clerk erzaͤhlt von einer Waſſerſcheue, welche drey Jahre, jedesmal am naͤmlichen Tage, an dem der Kranke gebißen worden war, den Anfall wiederholte, ſich mit Schmerz und Roͤthe des Theils, mit einem Jucken des ganzen Koͤrpers, und mit einem nach 4—5 Stunden erfolgten Erbrechen endigte. — Der gelehr- te Saumaiſe bekam in ſeinem 38ten Jahre zum er- ſten Male, und von nun an alle Jahre das Fieber, welches ihn 7 Jahr lang jedes Mal mit Gefahr des Lebens anfiel. — Der Dichter Aulipater von Si- don bekam jederzeit an ſeinem Geburtstage das Fie- ber, waran er auch endlich ſtarb. Ich uͤberlaſſe jedem Leſer die Erklaͤrung dieſer Erſcheinungen. Durch Angewoͤhnungen koͤnnen ſie nicht erklaͤrt werden, weil ſie ſtatt im Verlaufe der Zeit hartnaͤckiger zu werden, vielmehr nach und nach aufhoͤren; die periodiſche Ruͤckkehr kann ebenfalls nicht, wie Galenus glaubte, aus bloßen aͤhnlichen Veran- laſſungen der Lebensordnung erklaͤrt werden, weil die Ruͤckkehr oft puͤnktlich mit dem vorigen Zeitverlauf zuſammentrift, und weil in vielen Faͤllen, z. B. in den angefuͤhrten Beyſpielen von Vergiftungen, von Kopfweh, von der Waſſerſcheue gar keine neue Ver- anlaſſung ſtatt hatte. Galenus mag in jenen Krank- heiten Recht haben, welche ſich einige Jahre lang um die gewoͤhnliche Zeit zu melden pflegen, wie die- ſes

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/673>, abgerufen am 29.04.2024.