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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Die mittäglichen Völker hingegen verbessern die gal-
lichte, erhöhte, scharfe, aufbrausende Beschaffenheit
ihrer Säfte durch das Mark aller Obstarten, das
sie mit Zucker einmachen, durch säuerlichte, angeneh-
me, herbe Früchten und Getränke. Die Bewohner
des neblichten Englandes lieben den Punsch und das
Tabackrauchen; unsere müßigen Frauen die süßen
Weine und den Kaffee, wodurch einigermaßen ersetzt
wird, was ihnen an Bewegung abgeht. Kinder stre-
ben nach Bewegung, und alte Leute nach Ruhe etc.

In den Gall- und Faul fiebern verabscheuen die
Kranken alle thierische Kost; der Genuß, ja der An-
blick derselben macht ihnen Eckel und Erbrechen. Sie
verlangen säuerlichte Getränke, saure Nahrung; Zi-
tronen, Pomeranzen, Essig etc. Sehr viele bitten
um den Zeitpunkt, wo ihnen die untere Lippe zittert,
um ein Brechmittel, welches man zu jeder Zeit der
Krankheit bey diesen Umständen geben sollte. Andere
verlangen Abführungsmittel, wo dann allermeist ein
loser, beweglicher Unrath vorhanden seyn wird. In
der grossen Schwäche der Faulfieber, wo die Kran-
ken sich gegenwärtig sind, verlangen sie Wein, der
auch wirklich allen andern aufweckenden Herzstärkun-
gen vorzuziehen ist, besonders wenn die Krankheit
schon lange gedauert hat, wenn die Stimme schwach
oder verloren und die Zunge feucht ist, der Kranke
keinen heftigen Durst hat; oder wenn, obschon die
Zunge trocken ist, er ihn doch mit Vergnügen trinkt,
und von Neuem verlangt. In dem Falle hingegen,
wo er diesen Kranken schädlich ist, ist er ihnen auch

gleich-

Die mittaͤglichen Voͤlker hingegen verbeſſern die gal-
lichte, erhoͤhte, ſcharfe, aufbrauſende Beſchaffenheit
ihrer Saͤfte durch das Mark aller Obſtarten, das
ſie mit Zucker einmachen, durch ſaͤuerlichte, angeneh-
me, herbe Fruͤchten und Getraͤnke. Die Bewohner
des neblichten Englandes lieben den Punſch und das
Tabackrauchen; unſere muͤßigen Frauen die ſuͤßen
Weine und den Kaffee, wodurch einigermaßen erſetzt
wird, was ihnen an Bewegung abgeht. Kinder ſtre-
ben nach Bewegung, und alte Leute nach Ruhe ꝛc.

In den Gall- und Faul fiebern verabſcheuen die
Kranken alle thieriſche Koſt; der Genuß, ja der An-
blick derſelben macht ihnen Eckel und Erbrechen. Sie
verlangen ſaͤuerlichte Getraͤnke, ſaure Nahrung; Zi-
tronen, Pomeranzen, Eſſig ꝛc. Sehr viele bitten
um den Zeitpunkt, wo ihnen die untere Lippe zittert,
um ein Brechmittel, welches man zu jeder Zeit der
Krankheit bey dieſen Umſtaͤnden geben ſollte. Andere
verlangen Abfuͤhrungsmittel, wo dann allermeiſt ein
loſer, beweglicher Unrath vorhanden ſeyn wird. In
der groſſen Schwaͤche der Faulfieber, wo die Kran-
ken ſich gegenwaͤrtig ſind, verlangen ſie Wein, der
auch wirklich allen andern aufweckenden Herzſtaͤrkun-
gen vorzuziehen iſt, beſonders wenn die Krankheit
ſchon lange gedauert hat, wenn die Stimme ſchwach
oder verloren und die Zunge feucht iſt, der Kranke
keinen heftigen Durſt hat; oder wenn, obſchon die
Zunge trocken iſt, er ihn doch mit Vergnuͤgen trinkt,
und von Neuem verlangt. In dem Falle hingegen,
wo er dieſen Kranken ſchaͤdlich iſt, iſt er ihnen auch

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[658/0677] Die mittaͤglichen Voͤlker hingegen verbeſſern die gal- lichte, erhoͤhte, ſcharfe, aufbrauſende Beſchaffenheit ihrer Saͤfte durch das Mark aller Obſtarten, das ſie mit Zucker einmachen, durch ſaͤuerlichte, angeneh- me, herbe Fruͤchten und Getraͤnke. Die Bewohner des neblichten Englandes lieben den Punſch und das Tabackrauchen; unſere muͤßigen Frauen die ſuͤßen Weine und den Kaffee, wodurch einigermaßen erſetzt wird, was ihnen an Bewegung abgeht. Kinder ſtre- ben nach Bewegung, und alte Leute nach Ruhe ꝛc. In den Gall- und Faul fiebern verabſcheuen die Kranken alle thieriſche Koſt; der Genuß, ja der An- blick derſelben macht ihnen Eckel und Erbrechen. Sie verlangen ſaͤuerlichte Getraͤnke, ſaure Nahrung; Zi- tronen, Pomeranzen, Eſſig ꝛc. Sehr viele bitten um den Zeitpunkt, wo ihnen die untere Lippe zittert, um ein Brechmittel, welches man zu jeder Zeit der Krankheit bey dieſen Umſtaͤnden geben ſollte. Andere verlangen Abfuͤhrungsmittel, wo dann allermeiſt ein loſer, beweglicher Unrath vorhanden ſeyn wird. In der groſſen Schwaͤche der Faulfieber, wo die Kran- ken ſich gegenwaͤrtig ſind, verlangen ſie Wein, der auch wirklich allen andern aufweckenden Herzſtaͤrkun- gen vorzuziehen iſt, beſonders wenn die Krankheit ſchon lange gedauert hat, wenn die Stimme ſchwach oder verloren und die Zunge feucht iſt, der Kranke keinen heftigen Durſt hat; oder wenn, obſchon die Zunge trocken iſt, er ihn doch mit Vergnuͤgen trinkt, und von Neuem verlangt. In dem Falle hingegen, wo er dieſen Kranken ſchaͤdlich iſt, iſt er ihnen auch gleich-

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 658. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/677>, abgerufen am 30.04.2024.