Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

deren Säfte sehr scharf sind, verlangen nichts als
Fleischspeisen, wie dieses öfters schon bey Kindern noch
lange ehe sie Zähne haben, der Fall ist. -- In der
von Rosenblad beschriebenen mit Zuckungen und Kräm-
pfen begleiteten Volkskrankheit hatten die Kranken
durchaus einen beschwerlichen, unersättlichen, wider-
natürlichen Hunger. Indessen hat doch die Uebermäs-
sigkeit im Essen oft Rückfälle zuwegen gebracht, und
die Heilung der Krankheit erschwert.*) Die Hypo-
chondern werden oft von der unersättlichsten Eßbegier-
de geplagt, deren Befriedigung die unausstehlichste
Bangigkeit, Blähungen etc. zur Folge hat. Die Me-
lancholischen suchen die Einsamkeit, wo sie dem Ge-
genstande der Krankheit noch mehr nachhängen, und
sie verschlimmern. Noch einen Augenblick vor dem To-
denkampfe haben manche, besonders, die innere Ei-
terungen haben, eine ungewöhnliche Eßlust. Sie es-
sen zwar mit Begierde; müßen es aber alsobald wie-
der durch ein schmerzhaftes Erbrechen von sich geben.
Eben dieses sah ich bey einem Kinde, welches von zu-
rückgetretener Blattermaterie irre war. Wie oft hat
man in andern Krankheiten einen unerträglichen Hun-
ger; alles was man sieht oder sich vorstellt, mögte
man verzehren; und bringt man's an den Mund, so
ist man satt; zwingt man sich, so wird man davon
beschwert. -- Wenn bey Wassersüchtigen die Schärfe
schon auf einen sehr hohen Grad gestiegen ist, so daß sie
nimmer verbessert werden kann, so beschleunigt das

Trin-
*) Abh. d. schwedisch. Aerzte 1 Thl. S. 60--57.

deren Saͤfte ſehr ſcharf ſind, verlangen nichts als
Fleiſchſpeiſen, wie dieſes oͤfters ſchon bey Kindern noch
lange ehe ſie Zaͤhne haben, der Fall iſt. — In der
von Roſenblad beſchriebenen mit Zuckungen und Kraͤm-
pfen begleiteten Volkskrankheit hatten die Kranken
durchaus einen beſchwerlichen, unerſaͤttlichen, wider-
natuͤrlichen Hunger. Indeſſen hat doch die Uebermaͤſ-
ſigkeit im Eſſen oft Ruͤckfaͤlle zuwegen gebracht, und
die Heilung der Krankheit erſchwert.*) Die Hypo-
chondern werden oft von der unerſaͤttlichſten Eßbegier-
de geplagt, deren Befriedigung die unausſtehlichſte
Bangigkeit, Blaͤhungen ꝛc. zur Folge hat. Die Me-
lancholiſchen ſuchen die Einſamkeit, wo ſie dem Ge-
genſtande der Krankheit noch mehr nachhaͤngen, und
ſie verſchlimmern. Noch einen Augenblick vor dem To-
denkampfe haben manche, beſonders, die innere Ei-
terungen haben, eine ungewoͤhnliche Eßluſt. Sie eſ-
ſen zwar mit Begierde; muͤßen es aber alſobald wie-
der durch ein ſchmerzhaftes Erbrechen von ſich geben.
Eben dieſes ſah ich bey einem Kinde, welches von zu-
ruͤckgetretener Blattermaterie irre war. Wie oft hat
man in andern Krankheiten einen unertraͤglichen Hun-
ger; alles was man ſieht oder ſich vorſtellt, moͤgte
man verzehren; und bringt man’s an den Mund, ſo
iſt man ſatt; zwingt man ſich, ſo wird man davon
beſchwert. — Wenn bey Waſſerſuͤchtigen die Schaͤrfe
ſchon auf einen ſehr hohen Grad geſtiegen iſt, ſo daß ſie
nimmer verbeſſert werden kann, ſo beſchleunigt das

Trin-
*) Abh. d. ſchwediſch. Aerzte 1 Thl. S. 60—57.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0686" n="667"/>
deren Sa&#x0364;fte &#x017F;ehr &#x017F;charf &#x017F;ind, verlangen nichts als<lb/>
Flei&#x017F;ch&#x017F;pei&#x017F;en, wie die&#x017F;es o&#x0364;fters &#x017F;chon bey Kindern noch<lb/>
lange ehe &#x017F;ie Za&#x0364;hne haben, der Fall i&#x017F;t. &#x2014; In der<lb/>
von <hi rendition="#fr">Ro&#x017F;enblad</hi> be&#x017F;chriebenen mit Zuckungen und Kra&#x0364;m-<lb/>
pfen begleiteten Volkskrankheit hatten die Kranken<lb/>
durchaus einen be&#x017F;chwerlichen, uner&#x017F;a&#x0364;ttlichen, wider-<lb/>
natu&#x0364;rlichen Hunger. Inde&#x017F;&#x017F;en hat doch die Ueberma&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;igkeit im E&#x017F;&#x017F;en oft Ru&#x0364;ckfa&#x0364;lle zuwegen gebracht, und<lb/>
die Heilung der Krankheit er&#x017F;chwert.<note place="foot" n="*)">Abh. d. &#x017F;chwedi&#x017F;ch. Aerzte 1 Thl. S. 60&#x2014;57.</note> Die Hypo-<lb/>
chondern werden oft von der uner&#x017F;a&#x0364;ttlich&#x017F;ten Eßbegier-<lb/>
de geplagt, deren Befriedigung die unaus&#x017F;tehlich&#x017F;te<lb/>
Bangigkeit, Bla&#x0364;hungen &#xA75B;c. zur Folge hat. Die Me-<lb/>
lancholi&#x017F;chen &#x017F;uchen die Ein&#x017F;amkeit, wo &#x017F;ie dem Ge-<lb/>
gen&#x017F;tande der Krankheit noch mehr nachha&#x0364;ngen, und<lb/>
&#x017F;ie ver&#x017F;chlimmern. Noch einen <choice><sic>Angenblick</sic><corr>Augenblick</corr></choice> vor dem To-<lb/>
denkampfe haben manche, be&#x017F;onders, die innere Ei-<lb/>
terungen haben, eine ungewo&#x0364;hnliche Eßlu&#x017F;t. Sie e&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en zwar mit Begierde; mu&#x0364;ßen es aber al&#x017F;obald wie-<lb/>
der durch ein &#x017F;chmerzhaftes Erbrechen von &#x017F;ich geben.<lb/>
Eben die&#x017F;es &#x017F;ah ich bey einem Kinde, welches von zu-<lb/>
ru&#x0364;ckgetretener Blattermaterie irre war. Wie oft hat<lb/>
man in andern Krankheiten einen unertra&#x0364;glichen Hun-<lb/>
ger; alles was man &#x017F;ieht oder &#x017F;ich vor&#x017F;tellt, mo&#x0364;gte<lb/>
man verzehren; und bringt man&#x2019;s an den Mund, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t man &#x017F;att; zwingt man &#x017F;ich, &#x017F;o wird man davon<lb/>
be&#x017F;chwert. &#x2014; Wenn bey Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;u&#x0364;chtigen die Scha&#x0364;rfe<lb/>
&#x017F;chon auf einen &#x017F;ehr hohen Grad ge&#x017F;tiegen i&#x017F;t, &#x017F;o daß &#x017F;ie<lb/>
nimmer verbe&#x017F;&#x017F;ert werden kann, &#x017F;o be&#x017F;chleunigt das<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Trin-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[667/0686] deren Saͤfte ſehr ſcharf ſind, verlangen nichts als Fleiſchſpeiſen, wie dieſes oͤfters ſchon bey Kindern noch lange ehe ſie Zaͤhne haben, der Fall iſt. — In der von Roſenblad beſchriebenen mit Zuckungen und Kraͤm- pfen begleiteten Volkskrankheit hatten die Kranken durchaus einen beſchwerlichen, unerſaͤttlichen, wider- natuͤrlichen Hunger. Indeſſen hat doch die Uebermaͤſ- ſigkeit im Eſſen oft Ruͤckfaͤlle zuwegen gebracht, und die Heilung der Krankheit erſchwert. *) Die Hypo- chondern werden oft von der unerſaͤttlichſten Eßbegier- de geplagt, deren Befriedigung die unausſtehlichſte Bangigkeit, Blaͤhungen ꝛc. zur Folge hat. Die Me- lancholiſchen ſuchen die Einſamkeit, wo ſie dem Ge- genſtande der Krankheit noch mehr nachhaͤngen, und ſie verſchlimmern. Noch einen Augenblick vor dem To- denkampfe haben manche, beſonders, die innere Ei- terungen haben, eine ungewoͤhnliche Eßluſt. Sie eſ- ſen zwar mit Begierde; muͤßen es aber alſobald wie- der durch ein ſchmerzhaftes Erbrechen von ſich geben. Eben dieſes ſah ich bey einem Kinde, welches von zu- ruͤckgetretener Blattermaterie irre war. Wie oft hat man in andern Krankheiten einen unertraͤglichen Hun- ger; alles was man ſieht oder ſich vorſtellt, moͤgte man verzehren; und bringt man’s an den Mund, ſo iſt man ſatt; zwingt man ſich, ſo wird man davon beſchwert. — Wenn bey Waſſerſuͤchtigen die Schaͤrfe ſchon auf einen ſehr hohen Grad geſtiegen iſt, ſo daß ſie nimmer verbeſſert werden kann, ſo beſchleunigt das Trin- *) Abh. d. ſchwediſch. Aerzte 1 Thl. S. 60—57.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/686
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 667. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/686>, abgerufen am 28.04.2024.