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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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Verschiedenheiten in den Werken
zen, die itzo in dem Munde unserer Kinder und
unsrer Diener sind, in den ersten Zeiten einem
Manne den Titel eines Weisen erwerben konnten;
denn in der That solche Gedanken und Sentenzen
sind alles, was uns die philosophische Geschichte
von den meisten der ersten Weisen aufbehalten hat.
Ein solcher Gedanke war von großem Werthe,
als er das erstemal aus der Hülle der einzelnen
Erfahrungen herausgezogen, und mit allgemei-
nen Worten noch richtig und bedeutend abgebil-
det wurde. Es gehörte ein hoher Grad von
Scharfsinn dazu, diese ersten Grundsätze, auf die
noch durch keine vorhergehenden allgemeinen Be-
griffe die Seele geführt wurde, der Natur selbst
abzulernen. Man denke nur, wie schwer es uns
itzt noch wird, itzt, da wir einen so großen Vor-
rath von erklärten zergliederten Ideen haben, de-
ren Ausdrücke wir nur auf eine neue Art zusam-
mensetzen dürfen, um das Eigenthümliche unsrer
eignen Ideen auszudrücken; wie schwer es uns
dem unerachtet noch wird, ein Gefühl, das wir
ohne Anweisung oder Beyspiel, bloß durch die

Verſchiedenheiten in den Werken
zen, die itzo in dem Munde unſerer Kinder und
unſrer Diener ſind, in den erſten Zeiten einem
Manne den Titel eines Weiſen erwerben konnten;
denn in der That ſolche Gedanken und Sentenzen
ſind alles, was uns die philoſophiſche Geſchichte
von den meiſten der erſten Weiſen aufbehalten hat.
Ein ſolcher Gedanke war von großem Werthe,
als er das erſtemal aus der Huͤlle der einzelnen
Erfahrungen herausgezogen, und mit allgemei-
nen Worten noch richtig und bedeutend abgebil-
det wurde. Es gehoͤrte ein hoher Grad von
Scharfſinn dazu, dieſe erſten Grundſaͤtze, auf die
noch durch keine vorhergehenden allgemeinen Be-
griffe die Seele gefuͤhrt wurde, der Natur ſelbſt
abzulernen. Man denke nur, wie ſchwer es uns
itzt noch wird, itzt, da wir einen ſo großen Vor-
rath von erklaͤrten zergliederten Ideen haben, de-
ren Ausdruͤcke wir nur auf eine neue Art zuſam-
menſetzen duͤrfen, um das Eigenthuͤmliche unſrer
eignen Ideen auszudruͤcken; wie ſchwer es uns
dem unerachtet noch wird, ein Gefuͤhl, das wir
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[190/0196] Verſchiedenheiten in den Werken zen, die itzo in dem Munde unſerer Kinder und unſrer Diener ſind, in den erſten Zeiten einem Manne den Titel eines Weiſen erwerben konnten; denn in der That ſolche Gedanken und Sentenzen ſind alles, was uns die philoſophiſche Geſchichte von den meiſten der erſten Weiſen aufbehalten hat. Ein ſolcher Gedanke war von großem Werthe, als er das erſtemal aus der Huͤlle der einzelnen Erfahrungen herausgezogen, und mit allgemei- nen Worten noch richtig und bedeutend abgebil- det wurde. Es gehoͤrte ein hoher Grad von Scharfſinn dazu, dieſe erſten Grundſaͤtze, auf die noch durch keine vorhergehenden allgemeinen Be- griffe die Seele gefuͤhrt wurde, der Natur ſelbſt abzulernen. Man denke nur, wie ſchwer es uns itzt noch wird, itzt, da wir einen ſo großen Vor- rath von erklaͤrten zergliederten Ideen haben, de- ren Ausdruͤcke wir nur auf eine neue Art zuſam- menſetzen duͤrfen, um das Eigenthuͤmliche unſrer eignen Ideen auszudruͤcken; wie ſchwer es uns dem unerachtet noch wird, ein Gefuͤhl, das wir ohne Anweiſung oder Beyſpiel, bloß durch die

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/196>, abgerufen am 01.05.2024.