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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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Einige Gedanken
ben sollen, von welchen wir gar zu gewiß wissen,
daß sie nirgends vorhanden sind. -- Es giebt
viele ähnliche Philosophie über das Theater, und
im Vorbeygehn gesagt, über den Menschen über-
haupt, die als eine Reihe von Begriffen ganz rich-
tig ist; nur daß sich die Gegenstände zu diesen
Begriffen gar nicht in der Natur finden. -- Ue-
berdieß wie viel sind nicht im Leben der Könige
Privathandlungen; Begebenheiten, die in einem
Bürgerhause wie in einem Palaste vorgehen kön-
nen; und sind nicht die meisten Subjekte unsrer
und der alten heroischen Trauerspiele von der Art?
Was soll also hier der Name des Fürsten thun,
wenn er nur als Mensch handelt oder leidet?
Aber, die größre Würde der Könige und ihre Hand-
lungen? -- In der That, bey dem aufgeklärten
edlern Theile der Zuschauer existirt diese Idee von
Würde gar nicht; und diesen Theil wird doch wohl
der Dichter am meisten interessiren wollen. --
Und gesezt, wir hätten wirklich einen so einge-
schränkten Kopf, oder eine so niedrige Seele, daß
uns der Name Fürst, König, auch auf der Bühne

Einige Gedanken
ben ſollen, von welchen wir gar zu gewiß wiſſen,
daß ſie nirgends vorhanden ſind. — Es giebt
viele aͤhnliche Philoſophie uͤber das Theater, und
im Vorbeygehn geſagt, uͤber den Menſchen uͤber-
haupt, die als eine Reihe von Begriffen ganz rich-
tig iſt; nur daß ſich die Gegenſtaͤnde zu dieſen
Begriffen gar nicht in der Natur finden. — Ue-
berdieß wie viel ſind nicht im Leben der Koͤnige
Privathandlungen; Begebenheiten, die in einem
Buͤrgerhauſe wie in einem Palaſte vorgehen koͤn-
nen; und ſind nicht die meiſten Subjekte unſrer
und der alten heroiſchen Trauerſpiele von der Art?
Was ſoll alſo hier der Name des Fuͤrſten thun,
wenn er nur als Menſch handelt oder leidet?
Aber, die groͤßre Wuͤrde der Koͤnige und ihre Hand-
lungen? — In der That, bey dem aufgeklaͤrten
edlern Theile der Zuſchauer exiſtirt dieſe Idee von
Wuͤrde gar nicht; und dieſen Theil wird doch wohl
der Dichter am meiſten intereſſiren wollen. —
Und geſezt, wir haͤtten wirklich einen ſo einge-
ſchraͤnkten Kopf, oder eine ſo niedrige Seele, daß
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[292/0298] Einige Gedanken ben ſollen, von welchen wir gar zu gewiß wiſſen, daß ſie nirgends vorhanden ſind. — Es giebt viele aͤhnliche Philoſophie uͤber das Theater, und im Vorbeygehn geſagt, uͤber den Menſchen uͤber- haupt, die als eine Reihe von Begriffen ganz rich- tig iſt; nur daß ſich die Gegenſtaͤnde zu dieſen Begriffen gar nicht in der Natur finden. — Ue- berdieß wie viel ſind nicht im Leben der Koͤnige Privathandlungen; Begebenheiten, die in einem Buͤrgerhauſe wie in einem Palaſte vorgehen koͤn- nen; und ſind nicht die meiſten Subjekte unſrer und der alten heroiſchen Trauerſpiele von der Art? Was ſoll alſo hier der Name des Fuͤrſten thun, wenn er nur als Menſch handelt oder leidet? Aber, die groͤßre Wuͤrde der Koͤnige und ihre Hand- lungen? — In der That, bey dem aufgeklaͤrten edlern Theile der Zuſchauer exiſtirt dieſe Idee von Wuͤrde gar nicht; und dieſen Theil wird doch wohl der Dichter am meiſten intereſſiren wollen. — Und geſezt, wir haͤtten wirklich einen ſo einge- ſchraͤnkten Kopf, oder eine ſo niedrige Seele, daß uns der Name Fuͤrſt, Koͤnig, auch auf der Buͤhne

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/298>, abgerufen am 09.05.2024.