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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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über das Interessirende.
wissen Stunden und Augenblicken ihm mehr Leb-
haftigkeit giebt. Bey jedem Menschen giebt es
solche kleine Dunkelheiten der nächsten Zukunft,
durch welche er in einige Unruhe und in eine stär-
kere Bewegung gesezt wird.

Auf diese Weise also interessirt uns nun unser
eigen Leben. Aber wie kann diese Hofnung und
Furcht entstehen, ohne daß in unsern Umständen
sich etwas ändert?

Uns dünkt, es giebt eine dreyfache Art, die
Leidenschaften hervorzubringen, ohne die Umstände
des Menschen zu ändern: die eine würde ich gern
die musikalische, die andere die malerische, die
dritte die dichterische Art heißen, nicht, als wenn
nicht eine jede Kunst mehr als ein Mittel hätte zu
rühren, sondern weil sich bey jeder Eine Art be-
sonders merklich zeigt.

Entweder wird die Leidenschaft in der Seele
hervorgebracht, indem der Körper auf den Ton
dieser Leidenschaft gestimmt wird. Das geschieht
durch die Musik. Wenn man sagt, sie ahmt die
Leidenschaften nach, so will man oft weiter nichts

uͤber das Intereſſirende.
wiſſen Stunden und Augenblicken ihm mehr Leb-
haftigkeit giebt. Bey jedem Menſchen giebt es
ſolche kleine Dunkelheiten der naͤchſten Zukunft,
durch welche er in einige Unruhe und in eine ſtaͤr-
kere Bewegung geſezt wird.

Auf dieſe Weiſe alſo intereſſirt uns nun unſer
eigen Leben. Aber wie kann dieſe Hofnung und
Furcht entſtehen, ohne daß in unſern Umſtaͤnden
ſich etwas aͤndert?

Uns duͤnkt, es giebt eine dreyfache Art, die
Leidenſchaften hervorzubringen, ohne die Umſtaͤnde
des Menſchen zu aͤndern: die eine wuͤrde ich gern
die muſikaliſche, die andere die maleriſche, die
dritte die dichteriſche Art heißen, nicht, als wenn
nicht eine jede Kunſt mehr als ein Mittel haͤtte zu
ruͤhren, ſondern weil ſich bey jeder Eine Art be-
ſonders merklich zeigt.

Entweder wird die Leidenſchaft in der Seele
hervorgebracht, indem der Koͤrper auf den Ton
dieſer Leidenſchaft geſtimmt wird. Das geſchieht
durch die Muſik. Wenn man ſagt, ſie ahmt die
Leidenſchaften nach, ſo will man oft weiter nichts

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[317/0323] uͤber das Intereſſirende. wiſſen Stunden und Augenblicken ihm mehr Leb- haftigkeit giebt. Bey jedem Menſchen giebt es ſolche kleine Dunkelheiten der naͤchſten Zukunft, durch welche er in einige Unruhe und in eine ſtaͤr- kere Bewegung geſezt wird. Auf dieſe Weiſe alſo intereſſirt uns nun unſer eigen Leben. Aber wie kann dieſe Hofnung und Furcht entſtehen, ohne daß in unſern Umſtaͤnden ſich etwas aͤndert? Uns duͤnkt, es giebt eine dreyfache Art, die Leidenſchaften hervorzubringen, ohne die Umſtaͤnde des Menſchen zu aͤndern: die eine wuͤrde ich gern die muſikaliſche, die andere die maleriſche, die dritte die dichteriſche Art heißen, nicht, als wenn nicht eine jede Kunſt mehr als ein Mittel haͤtte zu ruͤhren, ſondern weil ſich bey jeder Eine Art be- ſonders merklich zeigt. Entweder wird die Leidenſchaft in der Seele hervorgebracht, indem der Koͤrper auf den Ton dieſer Leidenſchaft geſtimmt wird. Das geſchieht durch die Muſik. Wenn man ſagt, ſie ahmt die Leidenſchaften nach, ſo will man oft weiter nichts

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/323>, abgerufen am 09.05.2024.