Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

über das Interessirende.
und dem Mitleiden allein einen Namen gege-
ben?

Wir sehen demunerachtet augenscheinlich,
daß wir an der Fröhlichkeit eben sowohl Theil
nehmen können, als an der Betrübniß.

Alle Leidenschaften lassen sich in solche theilen,
die aus dem Widerstande gegen das Uebel und
den Schmerz, und in solche, die aus der Nei-
gug gegen das Gute und das Vergnügen entste-
hen. Jede Gattung theilt sich wieder, nach
dem die Leidenschaft die Seele erhebt oder nieder-
schlägt. Es giebt einen Widerwillen gegen das
Uebel, der zum Widerstande führt, der mit einer
Art von Aufwallung der Lebensgeister verbunden
ist, der muthig und beynahe verwegen macht,
das ist die zornartige Unlust. Es giebt einen
andern, der zur Muthlosigkeit führt, der mit ei-
ner Unterdrückung der Lebensgeister verbunden
ist, der schwermüthig und verzweifelnd macht,
das ist die Betrübniß. Eben so giebt es eine
Freude, die stolz macht, die Zuversicht und weit
aussehende Entwürfe einflößt; und eine andre,

X 2

uͤber das Intereſſirende.
und dem Mitleiden allein einen Namen gege-
ben?

Wir ſehen demunerachtet augenſcheinlich,
daß wir an der Froͤhlichkeit eben ſowohl Theil
nehmen koͤnnen, als an der Betruͤbniß.

Alle Leidenſchaften laſſen ſich in ſolche theilen,
die aus dem Widerſtande gegen das Uebel und
den Schmerz, und in ſolche, die aus der Nei-
gug gegen das Gute und das Vergnuͤgen entſte-
hen. Jede Gattung theilt ſich wieder, nach
dem die Leidenſchaft die Seele erhebt oder nieder-
ſchlaͤgt. Es giebt einen Widerwillen gegen das
Uebel, der zum Widerſtande fuͤhrt, der mit einer
Art von Aufwallung der Lebensgeiſter verbunden
iſt, der muthig und beynahe verwegen macht,
das iſt die zornartige Unluſt. Es giebt einen
andern, der zur Muthloſigkeit fuͤhrt, der mit ei-
ner Unterdruͤckung der Lebensgeiſter verbunden
iſt, der ſchwermuͤthig und verzweifelnd macht,
das iſt die Betruͤbniß. Eben ſo giebt es eine
Freude, die ſtolz macht, die Zuverſicht und weit
ausſehende Entwuͤrfe einfloͤßt; und eine andre,

X 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0329" n="323"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">u&#x0364;ber das Intere&#x017F;&#x017F;irende.</hi></fw><lb/>
und dem <hi rendition="#fr">Mitleiden</hi> allein einen Namen gege-<lb/>
ben?</p><lb/>
        <p>Wir &#x017F;ehen demunerachtet augen&#x017F;cheinlich,<lb/>
daß wir an der Fro&#x0364;hlichkeit eben &#x017F;owohl Theil<lb/>
nehmen ko&#x0364;nnen, als an der Betru&#x0364;bniß.</p><lb/>
        <p>Alle Leiden&#x017F;chaften la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich in &#x017F;olche theilen,<lb/>
die aus dem Wider&#x017F;tande gegen das Uebel und<lb/>
den Schmerz, und in &#x017F;olche, die aus der Nei-<lb/>
gug gegen das Gute und das Vergnu&#x0364;gen ent&#x017F;te-<lb/>
hen. Jede Gattung theilt &#x017F;ich wieder, nach<lb/>
dem die Leiden&#x017F;chaft die Seele erhebt oder nieder-<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;gt. Es giebt einen Widerwillen gegen das<lb/>
Uebel, der zum Wider&#x017F;tande fu&#x0364;hrt, der mit einer<lb/>
Art von Aufwallung der Lebensgei&#x017F;ter verbunden<lb/>
i&#x017F;t, der muthig und beynahe verwegen macht,<lb/>
das i&#x017F;t die <hi rendition="#fr">zornartige Unlu&#x017F;t</hi>. Es giebt einen<lb/>
andern, der zur Muthlo&#x017F;igkeit fu&#x0364;hrt, der mit ei-<lb/>
ner Unterdru&#x0364;ckung der Lebensgei&#x017F;ter verbunden<lb/>
i&#x017F;t, der &#x017F;chwermu&#x0364;thig und verzweifelnd macht,<lb/>
das i&#x017F;t die <hi rendition="#fr">Betru&#x0364;bniß</hi>. Eben &#x017F;o giebt es eine<lb/>
Freude, die &#x017F;tolz macht, die Zuver&#x017F;icht und weit<lb/>
aus&#x017F;ehende Entwu&#x0364;rfe einflo&#x0364;ßt; und eine andre,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[323/0329] uͤber das Intereſſirende. und dem Mitleiden allein einen Namen gege- ben? Wir ſehen demunerachtet augenſcheinlich, daß wir an der Froͤhlichkeit eben ſowohl Theil nehmen koͤnnen, als an der Betruͤbniß. Alle Leidenſchaften laſſen ſich in ſolche theilen, die aus dem Widerſtande gegen das Uebel und den Schmerz, und in ſolche, die aus der Nei- gug gegen das Gute und das Vergnuͤgen entſte- hen. Jede Gattung theilt ſich wieder, nach dem die Leidenſchaft die Seele erhebt oder nieder- ſchlaͤgt. Es giebt einen Widerwillen gegen das Uebel, der zum Widerſtande fuͤhrt, der mit einer Art von Aufwallung der Lebensgeiſter verbunden iſt, der muthig und beynahe verwegen macht, das iſt die zornartige Unluſt. Es giebt einen andern, der zur Muthloſigkeit fuͤhrt, der mit ei- ner Unterdruͤckung der Lebensgeiſter verbunden iſt, der ſchwermuͤthig und verzweifelnd macht, das iſt die Betruͤbniß. Eben ſo giebt es eine Freude, die ſtolz macht, die Zuverſicht und weit ausſehende Entwuͤrfe einfloͤßt; und eine andre, X 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/329
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/329>, abgerufen am 09.05.2024.