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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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über das Interessirende.
dem Zusammenstoße der Leidenschaften zum Vor-
schein kömmt. Wir wollen sagen, es giebt auch
Begierden, die ihren ersten Ursprung in dem
Geiste und seinen eignen Vollkommenheiten ha-
ben. Diese Begierden machen den Grund der
Tugend
aus. Sie sind gleichförmig und
ruhig, und geben also zu keinen gewaltsamen
Aeußerungen, aber wohl zu einer lebhaf-
ten Thätigkeit Anlaß, wenn die Seele diese ihre
eigenthümlichen Begriffe, diese ihr am meisten
zugehörenden Neigungen bey dem Sturme der
körperlichen Begierden und der gewaltsamen Be-
wegung der Lebensgeister zu erhalten sucht. Dieß
ist, glauben wir, ein äußerst interessanter An-
blick, der vielleicht nicht so oft recht geschildert
worden ist, weil nur die besten und vortreflich-
sten Männer in sich selbst das Original zu einer
solchen Schilderung finden können. Dieß ist der
Kampf des weisen Mannes mit dem Unglücke,
und oft auch mit dem Glücke, welchen die Göt-
ter selbst, wie Seneka sagt, mit Vergnügen an-
schauen.

uͤber das Intereſſirende.
dem Zuſammenſtoße der Leidenſchaften zum Vor-
ſchein koͤmmt. Wir wollen ſagen, es giebt auch
Begierden, die ihren erſten Urſprung in dem
Geiſte und ſeinen eignen Vollkommenheiten ha-
ben. Dieſe Begierden machen den Grund der
Tugend
aus. Sie ſind gleichfoͤrmig und
ruhig, und geben alſo zu keinen gewaltſamen
Aeußerungen, aber wohl zu einer lebhaf-
ten Thaͤtigkeit Anlaß, wenn die Seele dieſe ihre
eigenthuͤmlichen Begriffe, dieſe ihr am meiſten
zugehoͤrenden Neigungen bey dem Sturme der
koͤrperlichen Begierden und der gewaltſamen Be-
wegung der Lebensgeiſter zu erhalten ſucht. Dieß
iſt, glauben wir, ein aͤußerſt intereſſanter An-
blick, der vielleicht nicht ſo oft recht geſchildert
worden iſt, weil nur die beſten und vortreflich-
ſten Maͤnner in ſich ſelbſt das Original zu einer
ſolchen Schilderung finden koͤnnen. Dieß iſt der
Kampf des weiſen Mannes mit dem Ungluͤcke,
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[349/0355] uͤber das Intereſſirende. dem Zuſammenſtoße der Leidenſchaften zum Vor- ſchein koͤmmt. Wir wollen ſagen, es giebt auch Begierden, die ihren erſten Urſprung in dem Geiſte und ſeinen eignen Vollkommenheiten ha- ben. Dieſe Begierden machen den Grund der Tugend aus. Sie ſind gleichfoͤrmig und ruhig, und geben alſo zu keinen gewaltſamen Aeußerungen, aber wohl zu einer lebhaf- ten Thaͤtigkeit Anlaß, wenn die Seele dieſe ihre eigenthuͤmlichen Begriffe, dieſe ihr am meiſten zugehoͤrenden Neigungen bey dem Sturme der koͤrperlichen Begierden und der gewaltſamen Be- wegung der Lebensgeiſter zu erhalten ſucht. Dieß iſt, glauben wir, ein aͤußerſt intereſſanter An- blick, der vielleicht nicht ſo oft recht geſchildert worden iſt, weil nur die beſten und vortreflich- ſten Maͤnner in ſich ſelbſt das Original zu einer ſolchen Schilderung finden koͤnnen. Dieß iſt der Kampf des weiſen Mannes mit dem Ungluͤcke, und oft auch mit dem Gluͤcke, welchen die Goͤt- ter ſelbſt, wie Seneka ſagt, mit Vergnuͤgen an- ſchauen.

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/355>, abgerufen am 08.05.2024.