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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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Berge gebildet hat, anzugeben, und schränkt daher seine Erklärungen auf die neuere Geschichte der Erde und auf dasjenige ein, was die Betrachtung unsers festen Landes fast augenscheinlich lehrt: daß unser festes Land ehedem Meergrund gewesen sey, daß das Meer sein ehemaliges Bett durch eine plötzliche Revolution, und noch nicht seit sogar langer Zeit, verlassen habe. An dem ersten dieser Sätze kan ohnehin kein Naturforscher zweifeln; der plötzliche Rückzug des Meeres wird daraus wahrscheinlich, weil die Hypothese einer allmähligen Abnahme viele Phänomene nicht erklärt, und besonders nicht zeigt, wie sich in den Erdschichten Seeprodukte finden können, deren lebende Originale nicht in den benachbarten, sondern nur in sehr entfernten Meeren, zum Theil auch gar nicht mehr, angetroffen werden; weil auch die Schicht der fruchtbaren Dammerde an den Stellen der festen Länder, welche bloß unter den Händen der Natur geblieben sind, überall gleich groß (nicht viel über einen Schuh hoch) gefunden wird, welches anzeigt, daß alles platte Land zugleich aufs Trockne gekommen, und diese Revolution so sehr alt nicht sey, als sie einige Schriftsteller der biblischen Zeitrechnung zuwider annehmen. Hierauf gründet sich nun folgende neuere Geschichte der Erde. Das alte Meer häufte Bodensätze von kalkartigen Materien, die nach und nach immer mehr mit Conchylien, auch mit Spuren von Pflanzen und Landthieren vermischt wurden, welche die Flüsse aus dem damaligen festen Lande herbeyführten. Das Wasser filtrirte sich durch den Boden, erzeugte unter dem Meere innere Gährungen, Entzündungen, Dämpfe und Ausbrüche von Vulkanen, welche Lavenschichten bildeten, die hin und wieder mit Bodensätzen des Meers abwechseln. Die davon unzertrennlichen Erdbeben machten Spalten in den Bergen, welche sich nachher mit Materien ausfüllten, die Produkte des Wassers und Feuers zugleich sind. Dies sind unsere Gänge. Auch warfen die Vulkane Trümmern des ursprünglichen Bodens aus, und bildeten davon Anhäufungen und Schichten. Durch den Einsturz des Bodens in die vom unterirdischen Feuer erweiterten Höhlen ward die Fläche


Berge gebildet hat, anzugeben, und ſchraͤnkt daher ſeine Erklaͤrungen auf die neuere Geſchichte der Erde und auf dasjenige ein, was die Betrachtung unſers feſten Landes faſt augenſcheinlich lehrt: daß unſer feſtes Land ehedem Meergrund geweſen ſey, daß das Meer ſein ehemaliges Bett durch eine ploͤtzliche Revolution, und noch nicht ſeit ſogar langer Zeit, verlaſſen habe. An dem erſten dieſer Saͤtze kan ohnehin kein Naturforſcher zweifeln; der ploͤtzliche Ruͤckzug des Meeres wird daraus wahrſcheinlich, weil die Hypotheſe einer allmaͤhligen Abnahme viele Phaͤnomene nicht erklaͤrt, und beſonders nicht zeigt, wie ſich in den Erdſchichten Seeprodukte finden koͤnnen, deren lebende Originale nicht in den benachbarten, ſondern nur in ſehr entfernten Meeren, zum Theil auch gar nicht mehr, angetroffen werden; weil auch die Schicht der fruchtbaren Dammerde an den Stellen der feſten Laͤnder, welche bloß unter den Haͤnden der Natur geblieben ſind, uͤberall gleich groß (nicht viel uͤber einen Schuh hoch) gefunden wird, welches anzeigt, daß alles platte Land zugleich aufs Trockne gekommen, und dieſe Revolution ſo ſehr alt nicht ſey, als ſie einige Schriftſteller der bibliſchen Zeitrechnung zuwider annehmen. Hierauf gruͤndet ſich nun folgende neuere Geſchichte der Erde. Das alte Meer haͤufte Bodenſaͤtze von kalkartigen Materien, die nach und nach immer mehr mit Conchylien, auch mit Spuren von Pflanzen und Landthieren vermiſcht wurden, welche die Fluͤſſe aus dem damaligen feſten Lande herbeyfuͤhrten. Das Waſſer filtrirte ſich durch den Boden, erzeugte unter dem Meere innere Gaͤhrungen, Entzuͤndungen, Daͤmpfe und Ausbruͤche von Vulkanen, welche Lavenſchichten bildeten, die hin und wieder mit Bodenſaͤtzen des Meers abwechſeln. Die davon unzertrennlichen Erdbeben machten Spalten in den Bergen, welche ſich nachher mit Materien ausfuͤllten, die Produkte des Waſſers und Feuers zugleich ſind. Dies ſind unſere Gaͤnge. Auch warfen die Vulkane Truͤmmern des urſpruͤnglichen Bodens aus, und bildeten davon Anhaͤufungen und Schichten. Durch den Einſturz des Bodens in die vom unterirdiſchen Feuer erweiterten Hoͤhlen ward die Flaͤche

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[67/0073] Berge gebildet hat, anzugeben, und ſchraͤnkt daher ſeine Erklaͤrungen auf die neuere Geſchichte der Erde und auf dasjenige ein, was die Betrachtung unſers feſten Landes faſt augenſcheinlich lehrt: daß unſer feſtes Land ehedem Meergrund geweſen ſey, daß das Meer ſein ehemaliges Bett durch eine ploͤtzliche Revolution, und noch nicht ſeit ſogar langer Zeit, verlaſſen habe. An dem erſten dieſer Saͤtze kan ohnehin kein Naturforſcher zweifeln; der ploͤtzliche Ruͤckzug des Meeres wird daraus wahrſcheinlich, weil die Hypotheſe einer allmaͤhligen Abnahme viele Phaͤnomene nicht erklaͤrt, und beſonders nicht zeigt, wie ſich in den Erdſchichten Seeprodukte finden koͤnnen, deren lebende Originale nicht in den benachbarten, ſondern nur in ſehr entfernten Meeren, zum Theil auch gar nicht mehr, angetroffen werden; weil auch die Schicht der fruchtbaren Dammerde an den Stellen der feſten Laͤnder, welche bloß unter den Haͤnden der Natur geblieben ſind, uͤberall gleich groß (nicht viel uͤber einen Schuh hoch) gefunden wird, welches anzeigt, daß alles platte Land zugleich aufs Trockne gekommen, und dieſe Revolution ſo ſehr alt nicht ſey, als ſie einige Schriftſteller der bibliſchen Zeitrechnung zuwider annehmen. Hierauf gruͤndet ſich nun folgende neuere Geſchichte der Erde. Das alte Meer haͤufte Bodenſaͤtze von kalkartigen Materien, die nach und nach immer mehr mit Conchylien, auch mit Spuren von Pflanzen und Landthieren vermiſcht wurden, welche die Fluͤſſe aus dem damaligen feſten Lande herbeyfuͤhrten. Das Waſſer filtrirte ſich durch den Boden, erzeugte unter dem Meere innere Gaͤhrungen, Entzuͤndungen, Daͤmpfe und Ausbruͤche von Vulkanen, welche Lavenſchichten bildeten, die hin und wieder mit Bodenſaͤtzen des Meers abwechſeln. Die davon unzertrennlichen Erdbeben machten Spalten in den Bergen, welche ſich nachher mit Materien ausfuͤllten, die Produkte des Waſſers und Feuers zugleich ſind. Dies ſind unſere Gaͤnge. Auch warfen die Vulkane Truͤmmern des urſpruͤnglichen Bodens aus, und bildeten davon Anhaͤufungen und Schichten. Durch den Einſturz des Bodens in die vom unterirdiſchen Feuer erweiterten Hoͤhlen ward die Flaͤche

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/73>, abgerufen am 28.04.2024.