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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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deren Name schon zeigt, daß sie zu uns von den Arabern übergegangen sey.

Im funfzehnten und sechszehnten Jahrhunderte erwachte das Studium der mathematischen Wissenschaften in den occidentalischen Ländern. Leonhard von Pisa und Lucas von Brugo machten die Algebra bekannter, welche in Jtalien durch Tartalea, Cardan, Bombelli, und in Frankreich durch Vieta ansehnliche Erweiterungen erhielt: Purbach, Regiomontan und Rhäticus verbesserten den trigonometrischen Canon, und überall war man bemüht, sich durch Ausgaben und Uebersetzungen der griechischen Mathematiker in den Besitz der Schätze des Alterthums zu setzen. Der Anfang des siebzehnten Jahrhunderts zeichnete sich durch Nepers sinnreiche und nützliche Erfindung der Logarithmen aus. Zugleich entstand unter den Händen Replers und Cavalleti eine neue Geometrie, die sich durch die Methode des Untheilbaren zu weit höhern Untersuchungen erhob, als die Alten hatten unternehmen können. Nachdem Harriot in England die Buchstabenrechnung ansehnlich erleichtert und erweitert hatte, wandte Descartes dieselbe sehr glücklich auf die Geometrie an, und gab dadurch der Theorie der krummen Linien eine ganz neue Gestalt. Fermat, Wallis, Barrow, Gregory bereicherten die Arithmetik und Geometrie mit einer Menge neuer Methoden und Entdeckungen: Leibnitz und Newton endlich erfanden die Rechnung des Unendlichen, für welche so viele sonst äußerst schwere Untersuchungen ein bloßes Spiel sind, und ohne die es unmöglich ist, in die Lehren der neuern Geometrie und Physik einzudringen. Dieser Theil der höhern Mathematik und vorzüglich die Integralrechnung ist seitdem durch die Bernoullis und Eulern ungemein erweitert, und auf viele Gegenstände der Physik mit großem Nutzen angewendet worden.

Ein großes Verdienst um die Ausbreitung der mathematischen Wissenschaften haben sich die Neuern durch Abfassung guter Lehrbücher erworben. Johann Chri-


deren Name ſchon zeigt, daß ſie zu uns von den Arabern uͤbergegangen ſey.

Im funfzehnten und ſechszehnten Jahrhunderte erwachte das Studium der mathematiſchen Wiſſenſchaften in den occidentaliſchen Laͤndern. Leonhard von Piſa und Lucas von Brugo machten die Algebra bekannter, welche in Jtalien durch Tartalea, Cardan, Bombelli, und in Frankreich durch Vieta anſehnliche Erweiterungen erhielt: Purbach, Regiomontan und Rhaͤticus verbeſſerten den trigonometriſchen Canon, und uͤberall war man bemuͤht, ſich durch Ausgaben und Ueberſetzungen der griechiſchen Mathematiker in den Beſitz der Schaͤtze des Alterthums zu ſetzen. Der Anfang des ſiebzehnten Jahrhunderts zeichnete ſich durch Nepers ſinnreiche und nuͤtzliche Erfindung der Logarithmen aus. Zugleich entſtand unter den Haͤnden Replers und Cavalleti eine neue Geometrie, die ſich durch die Methode des Untheilbaren zu weit hoͤhern Unterſuchungen erhob, als die Alten hatten unternehmen koͤnnen. Nachdem Harriot in England die Buchſtabenrechnung anſehnlich erleichtert und erweitert hatte, wandte Descartes dieſelbe ſehr gluͤcklich auf die Geometrie an, und gab dadurch der Theorie der krummen Linien eine ganz neue Geſtalt. Fermat, Wallis, Barrow, Gregory bereicherten die Arithmetik und Geometrie mit einer Menge neuer Methoden und Entdeckungen: Leibnitz und Newton endlich erfanden die Rechnung des Unendlichen, fuͤr welche ſo viele ſonſt aͤußerſt ſchwere Unterſuchungen ein bloßes Spiel ſind, und ohne die es unmoͤglich iſt, in die Lehren der neuern Geometrie und Phyſik einzudringen. Dieſer Theil der hoͤhern Mathematik und vorzuͤglich die Integralrechnung iſt ſeitdem durch die Bernoullis und Eulern ungemein erweitert, und auf viele Gegenſtaͤnde der Phyſik mit großem Nutzen angewendet worden.

Ein großes Verdienſt um die Ausbreitung der mathematiſchen Wiſſenſchaften haben ſich die Neuern durch Abfaſſung guter Lehrbuͤcher erworben. Johann Chri-

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[164/0170] deren Name ſchon zeigt, daß ſie zu uns von den Arabern uͤbergegangen ſey. Im funfzehnten und ſechszehnten Jahrhunderte erwachte das Studium der mathematiſchen Wiſſenſchaften in den occidentaliſchen Laͤndern. Leonhard von Piſa und Lucas von Brugo machten die Algebra bekannter, welche in Jtalien durch Tartalea, Cardan, Bombelli, und in Frankreich durch Vieta anſehnliche Erweiterungen erhielt: Purbach, Regiomontan und Rhaͤticus verbeſſerten den trigonometriſchen Canon, und uͤberall war man bemuͤht, ſich durch Ausgaben und Ueberſetzungen der griechiſchen Mathematiker in den Beſitz der Schaͤtze des Alterthums zu ſetzen. Der Anfang des ſiebzehnten Jahrhunderts zeichnete ſich durch Nepers ſinnreiche und nuͤtzliche Erfindung der Logarithmen aus. Zugleich entſtand unter den Haͤnden Replers und Cavalleti eine neue Geometrie, die ſich durch die Methode des Untheilbaren zu weit hoͤhern Unterſuchungen erhob, als die Alten hatten unternehmen koͤnnen. Nachdem Harriot in England die Buchſtabenrechnung anſehnlich erleichtert und erweitert hatte, wandte Descartes dieſelbe ſehr gluͤcklich auf die Geometrie an, und gab dadurch der Theorie der krummen Linien eine ganz neue Geſtalt. Fermat, Wallis, Barrow, Gregory bereicherten die Arithmetik und Geometrie mit einer Menge neuer Methoden und Entdeckungen: Leibnitz und Newton endlich erfanden die Rechnung des Unendlichen, fuͤr welche ſo viele ſonſt aͤußerſt ſchwere Unterſuchungen ein bloßes Spiel ſind, und ohne die es unmoͤglich iſt, in die Lehren der neuern Geometrie und Phyſik einzudringen. Dieſer Theil der hoͤhern Mathematik und vorzuͤglich die Integralrechnung iſt ſeitdem durch die Bernoullis und Eulern ungemein erweitert, und auf viele Gegenſtaͤnde der Phyſik mit großem Nutzen angewendet worden. Ein großes Verdienſt um die Ausbreitung der mathematiſchen Wiſſenſchaften haben ſich die Neuern durch Abfaſſung guter Lehrbuͤcher erworben. Johann Chri-

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/170>, abgerufen am 28.04.2024.