Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


müßte, und nur der Nil allein würdenoch 4 Fuß hinzusetzen. Die Ausdünstung hingegen erniedrigt die dünstenden Flächen jährlich nur etwa um 30 Zoll, und durch den herabfallenden Regen rc. werden sie fast um eben soviel wieder erhöhet. Mithin ist die Ausdünstung viel zu schwach, um das Phänomen zu erklären, zu geschweigen, daß eine so starke Verdünstung des aus dem Weltmeere gekommenen Wassers eine ungeheure Menge von Salz zurücklassen müßte, die man doch im mittelländischen Meere nicht wahrnimmt. Wahrscheinlicher ist es also, daß sich in der Tiefe des Meeres ein ausführender Strom befinde; so wie durch eine Thür zwischen einem wärmern und einem kältern Zimmer, die leichtere Luft aus jenem oben aus, und die schwerere unten einströmt. Der Graf Marsigli (Histoire physique de la mer. Amsterd. 1725. fol.) hat im thracischen Bosphorus wirklich solche entgegengesetzte Ströme gefunden; und nach den Beobachtungen der englischen Schiffer giebt es dergleichen auch im Sunde. Buffons Einwendung, daß die Hypothese der doppeiten Ströme gegen die Gesetze der Hydraulik streite, ist ungegründet, und von Waiz (Schwed. Abhandl. von 1755, der deutschen Uebers. S. 28. u. f.) hinreichend widerlegt worden. Im Jahre 1712 ward ein holländisches Schiff in der Mitte der Meerenge in Grund geschossen; einige Tage darauf fand man fast eine Meile westwärts Tonnen davon, die zu Boden gesunken und dem untern Strome gefolgt waren (Waiz, S. 29.).

Ein andrer großer Meerbusen ist das baltische Meer oder die Ostsee, zwischen den Küsten von Deutschland, Preussen, Liefland und Schweden. Sie hängt mit der Nordsee durch drey Meerengen, den Sund, den großen und den kleinen Belt zusammen, durch welche beständig Wasser in sie einströmet. Der arabische Meerbusen oder das rothe Meer zwischen Arabien und Afrika ist wegen seiner häufigen rothen Corallen berühmt, und soll nach de l'Isle (Mem. de Paris. 1702.) ehedem mit dem Nil und dadurch mit dem mittelländischen Meere in Verbindung gestanden haben. Andere, z. B. den persischen Meerbusen, das weiße Meer rc. muß man aus den geographischen Handbüchern


muͤßte, und nur der Nil allein wuͤrdenoch 4 Fuß hinzuſetzen. Die Ausduͤnſtung hingegen erniedrigt die duͤnſtenden Flaͤchen jaͤhrlich nur etwa um 30 Zoll, und durch den herabfallenden Regen rc. werden ſie faſt um eben ſoviel wieder erhoͤhet. Mithin iſt die Ausduͤnſtung viel zu ſchwach, um das Phaͤnomen zu erklaͤren, zu geſchweigen, daß eine ſo ſtarke Verduͤnſtung des aus dem Weltmeere gekommenen Waſſers eine ungeheure Menge von Salz zuruͤcklaſſen muͤßte, die man doch im mittellaͤndiſchen Meere nicht wahrnimmt. Wahrſcheinlicher iſt es alſo, daß ſich in der Tiefe des Meeres ein ausfuͤhrender Strom befinde; ſo wie durch eine Thuͤr zwiſchen einem waͤrmern und einem kaͤltern Zimmer, die leichtere Luft aus jenem oben aus, und die ſchwerere unten einſtroͤmt. Der Graf Marſigli (Hiſtoire phyſique de la mer. Amſterd. 1725. fol.) hat im thraciſchen Boſphorus wirklich ſolche entgegengeſetzte Stroͤme gefunden; und nach den Beobachtungen der engliſchen Schiffer giebt es dergleichen auch im Sunde. Buffons Einwendung, daß die Hypotheſe der doppeiten Stroͤme gegen die Geſetze der Hydraulik ſtreite, iſt ungegruͤndet, und von Waiz (Schwed. Abhandl. von 1755, der deutſchen Ueberſ. S. 28. u. f.) hinreichend widerlegt worden. Im Jahre 1712 ward ein hollaͤndiſches Schiff in der Mitte der Meerenge in Grund geſchoſſen; einige Tage darauf fand man faſt eine Meile weſtwaͤrts Tonnen davon, die zu Boden geſunken und dem untern Strome gefolgt waren (Waiz, S. 29.).

Ein andrer großer Meerbuſen iſt das baltiſche Meer oder die Oſtſee, zwiſchen den Kuͤſten von Deutſchland, Preuſſen, Liefland und Schweden. Sie haͤngt mit der Nordſee durch drey Meerengen, den Sund, den großen und den kleinen Belt zuſammen, durch welche beſtaͤndig Waſſer in ſie einſtroͤmet. Der arabiſche Meerbuſen oder das rothe Meer zwiſchen Arabien und Afrika iſt wegen ſeiner haͤufigen rothen Corallen beruͤhmt, und ſoll nach de l'Isle (Mém. de Paris. 1702.) ehedem mit dem Nil und dadurch mit dem mittellaͤndiſchen Meere in Verbindung geſtanden haben. Andere, z. B. den perſiſchen Meerbuſen, das weiße Meer rc. muß man aus den geographiſchen Handbuͤchern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0182" xml:id="P.3.176" n="176"/><lb/>
mu&#x0364;ßte, und nur der Nil allein wu&#x0364;rdenoch 4 Fuß hinzu&#x017F;etzen. Die Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung hingegen erniedrigt die du&#x0364;n&#x017F;tenden Fla&#x0364;chen ja&#x0364;hrlich nur etwa um 30 Zoll, und durch den herabfallenden Regen rc. werden &#x017F;ie fa&#x017F;t um eben &#x017F;oviel wieder erho&#x0364;het. Mithin i&#x017F;t die Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung viel zu &#x017F;chwach, um das Pha&#x0364;nomen zu erkla&#x0364;ren, zu ge&#x017F;chweigen, daß eine &#x017F;o &#x017F;tarke Verdu&#x0364;n&#x017F;tung des aus dem Weltmeere gekommenen Wa&#x017F;&#x017F;ers eine ungeheure Menge von Salz zuru&#x0364;ckla&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;ßte, die man doch im mittella&#x0364;ndi&#x017F;chen Meere nicht wahrnimmt. Wahr&#x017F;cheinlicher i&#x017F;t es al&#x017F;o, daß &#x017F;ich in der Tiefe des Meeres ein ausfu&#x0364;hrender Strom befinde; &#x017F;o wie durch eine Thu&#x0364;r zwi&#x017F;chen einem wa&#x0364;rmern und einem ka&#x0364;ltern Zimmer, die leichtere Luft aus jenem oben aus, und die &#x017F;chwerere unten ein&#x017F;tro&#x0364;mt. Der Graf <hi rendition="#b">Mar&#x017F;igli</hi> <hi rendition="#aq">(Hi&#x017F;toire phy&#x017F;ique de la mer. Am&#x017F;terd. 1725. fol.)</hi> hat im thraci&#x017F;chen Bo&#x017F;phorus wirklich &#x017F;olche entgegenge&#x017F;etzte Stro&#x0364;me gefunden; und nach den Beobachtungen der engli&#x017F;chen Schiffer giebt es dergleichen auch im Sunde. <hi rendition="#b">Buffons</hi> Einwendung, daß die Hypothe&#x017F;e der doppeiten Stro&#x0364;me gegen die Ge&#x017F;etze der Hydraulik &#x017F;treite, i&#x017F;t ungegru&#x0364;ndet, und von <hi rendition="#b">Waiz</hi> (Schwed. Abhandl. von 1755, der deut&#x017F;chen Ueber&#x017F;. S. 28. u. f.) hinreichend widerlegt worden. Im Jahre 1712 ward ein holla&#x0364;ndi&#x017F;ches Schiff in der Mitte der Meerenge in Grund ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en; einige Tage darauf fand man fa&#x017F;t eine Meile we&#x017F;twa&#x0364;rts Tonnen davon, die zu Boden ge&#x017F;unken und dem untern Strome gefolgt waren (Waiz, S. 29.).</p>
            <p>Ein andrer großer Meerbu&#x017F;en i&#x017F;t das <hi rendition="#b">balti&#x017F;che Meer</hi> oder die <hi rendition="#b">O&#x017F;t&#x017F;ee,</hi> zwi&#x017F;chen den Ku&#x0364;&#x017F;ten von Deut&#x017F;chland, Preu&#x017F;&#x017F;en, Liefland und Schweden. Sie ha&#x0364;ngt mit der Nord&#x017F;ee durch drey Meerengen, den <hi rendition="#b">Sund,</hi> den großen und den kleinen <hi rendition="#b">Belt</hi> zu&#x017F;ammen, durch welche be&#x017F;ta&#x0364;ndig Wa&#x017F;&#x017F;er in &#x017F;ie ein&#x017F;tro&#x0364;met. Der <hi rendition="#b">arabi&#x017F;che Meerbu&#x017F;en</hi> oder das <hi rendition="#b">rothe Meer</hi> zwi&#x017F;chen Arabien und Afrika i&#x017F;t wegen &#x017F;einer ha&#x0364;ufigen rothen Corallen beru&#x0364;hmt, und &#x017F;oll nach <hi rendition="#b">de l'Isle</hi> <hi rendition="#aq">(Mém. de Paris. 1702.)</hi> ehedem mit dem Nil und dadurch mit dem mittella&#x0364;ndi&#x017F;chen Meere in Verbindung ge&#x017F;tanden haben. Andere, z. B. den per&#x017F;i&#x017F;chen Meerbu&#x017F;en, das weiße Meer rc. muß man aus den geographi&#x017F;chen Handbu&#x0364;chern<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0182] muͤßte, und nur der Nil allein wuͤrdenoch 4 Fuß hinzuſetzen. Die Ausduͤnſtung hingegen erniedrigt die duͤnſtenden Flaͤchen jaͤhrlich nur etwa um 30 Zoll, und durch den herabfallenden Regen rc. werden ſie faſt um eben ſoviel wieder erhoͤhet. Mithin iſt die Ausduͤnſtung viel zu ſchwach, um das Phaͤnomen zu erklaͤren, zu geſchweigen, daß eine ſo ſtarke Verduͤnſtung des aus dem Weltmeere gekommenen Waſſers eine ungeheure Menge von Salz zuruͤcklaſſen muͤßte, die man doch im mittellaͤndiſchen Meere nicht wahrnimmt. Wahrſcheinlicher iſt es alſo, daß ſich in der Tiefe des Meeres ein ausfuͤhrender Strom befinde; ſo wie durch eine Thuͤr zwiſchen einem waͤrmern und einem kaͤltern Zimmer, die leichtere Luft aus jenem oben aus, und die ſchwerere unten einſtroͤmt. Der Graf Marſigli (Hiſtoire phyſique de la mer. Amſterd. 1725. fol.) hat im thraciſchen Boſphorus wirklich ſolche entgegengeſetzte Stroͤme gefunden; und nach den Beobachtungen der engliſchen Schiffer giebt es dergleichen auch im Sunde. Buffons Einwendung, daß die Hypotheſe der doppeiten Stroͤme gegen die Geſetze der Hydraulik ſtreite, iſt ungegruͤndet, und von Waiz (Schwed. Abhandl. von 1755, der deutſchen Ueberſ. S. 28. u. f.) hinreichend widerlegt worden. Im Jahre 1712 ward ein hollaͤndiſches Schiff in der Mitte der Meerenge in Grund geſchoſſen; einige Tage darauf fand man faſt eine Meile weſtwaͤrts Tonnen davon, die zu Boden geſunken und dem untern Strome gefolgt waren (Waiz, S. 29.). Ein andrer großer Meerbuſen iſt das baltiſche Meer oder die Oſtſee, zwiſchen den Kuͤſten von Deutſchland, Preuſſen, Liefland und Schweden. Sie haͤngt mit der Nordſee durch drey Meerengen, den Sund, den großen und den kleinen Belt zuſammen, durch welche beſtaͤndig Waſſer in ſie einſtroͤmet. Der arabiſche Meerbuſen oder das rothe Meer zwiſchen Arabien und Afrika iſt wegen ſeiner haͤufigen rothen Corallen beruͤhmt, und ſoll nach de l'Isle (Mém. de Paris. 1702.) ehedem mit dem Nil und dadurch mit dem mittellaͤndiſchen Meere in Verbindung geſtanden haben. Andere, z. B. den perſiſchen Meerbuſen, das weiße Meer rc. muß man aus den geographiſchen Handbuͤchern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/182
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/182>, abgerufen am 28.04.2024.