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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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Thierreiche in einigen mineralischen und vegetabilischen Stoffen antrift.

Auch die Luftsäure oder fixe Luft ist seit Bergmanns Versuchen (Schwed. Abhandl. v. 1773. und De acido aereo) für eine eigne Säure, die sich von allen übrigen unterscheidet, anerkannt worden, s. Gas, mephitisches (Th. II. S. 400.). Fontana (Journal de physique, 1778.) hat sogar alle thierische und Pflanzensauren blos auf die in den organisirten Körpern enthaltene Luftsäure zu bringen gesucht, wenigstens gezeigt, daß die Substanzen des Thier- und Pflanzenreichs ihre Säure verlieren, wenn man ihnen die fixe Luft entzieht.

Die meisten Säuren erscheinen gewöhnlich, wie schon bemerkt ist, in flüßiger Gestalt; einige, die sich gar nicht anders darstellen lassen, heißen daher stets flüßige Säuren (Fluores acidi, Acides fluors), wie die flüchtige Schwefelsäure, die Salpetersäure, die Salzsäure und die meisten aus den thierischen und vegetabilischen Materien destillirten. Einige aber nehmen auch, als Säuren, die feste Gestalt an, und heißen feste Säuren (Acida solida s. concreta, Acides concrets), z. B. die Weinsteinkrystallen, verschiedene wesentliche Salze in den Pflanzensäften und das flüchtige saure Bernsteinsalz. Noch andere zeigen sich in elasrischer Gestalt, entweder als Dämpfe, oder als Gasarten, wovon die dephlogistisirte Salzsäure, die Luftsäure und die übrigen sauren Gasarten Beyspiele geben.

Ueber das Wesen der Säuren im Allgemeinen etwas zu sagen, was nicht auf bloße Hypothesen hinausliefe, ist noch zur Zeit schlechterdings unmöglich. Man wird bey dem Artikel Salze angeführt finden, daß zween der größten Chymisten Deutschlands, Becher und Stahl, alle Salze, mithin auch die Säuren, auf eine einzige allgemeine Grundsubstanz zu bringen gesucht haben, welche aus Erde und Wasser bestehen sollte. Wenn es eine solche allgemeine Säure gäbe, so könnte dieses nach der Meinung der besten Scheidekünstler wohl keine andere, als die Vitriolsäure, seyn. Stahl, welcher sich rühmte, eine Säure in die andere verwandeln zu können, giebt auch zu verstehen, daß


Thierreiche in einigen mineraliſchen und vegetabiliſchen Stoffen antrift.

Auch die Luftſaͤure oder fixe Luft iſt ſeit Bergmanns Verſuchen (Schwed. Abhandl. v. 1773. und De acido aëreo) fuͤr eine eigne Saͤure, die ſich von allen uͤbrigen unterſcheidet, anerkannt worden, ſ. Gas, mephitiſches (Th. II. S. 400.). Fontana (Journal de phyſique, 1778.) hat ſogar alle thieriſche und Pflanzenſauren blos auf die in den organiſirten Koͤrpern enthaltene Luftſaͤure zu bringen geſucht, wenigſtens gezeigt, daß die Subſtanzen des Thier- und Pflanzenreichs ihre Saͤure verlieren, wenn man ihnen die fixe Luft entzieht.

Die meiſten Saͤuren erſcheinen gewoͤhnlich, wie ſchon bemerkt iſt, in fluͤßiger Geſtalt; einige, die ſich gar nicht anders darſtellen laſſen, heißen daher ſtets fluͤßige Saͤuren (Fluores acidi, Acides fluors), wie die fluͤchtige Schwefelſaͤure, die Salpeterſaͤure, die Salzſaͤure und die meiſten aus den thieriſchen und vegetabiliſchen Materien deſtillirten. Einige aber nehmen auch, als Saͤuren, die feſte Geſtalt an, und heißen feſte Saͤuren (Acida ſolida ſ. concreta, Acides concrets), z. B. die Weinſteinkryſtallen, verſchiedene weſentliche Salze in den Pflanzenſaͤften und das fluͤchtige ſaure Bernſteinſalz. Noch andere zeigen ſich in elaſriſcher Geſtalt, entweder als Daͤmpfe, oder als Gasarten, wovon die dephlogiſtiſirte Salzſaͤure, die Luftſaͤure und die uͤbrigen ſauren Gasarten Beyſpiele geben.

Ueber das Weſen der Saͤuren im Allgemeinen etwas zu ſagen, was nicht auf bloße Hypotheſen hinausliefe, iſt noch zur Zeit ſchlechterdings unmoͤglich. Man wird bey dem Artikel Salze angefuͤhrt finden, daß zween der groͤßten Chymiſten Deutſchlands, Becher und Stahl, alle Salze, mithin auch die Saͤuren, auf eine einzige allgemeine Grundſubſtanz zu bringen geſucht haben, welche aus Erde und Waſſer beſtehen ſollte. Wenn es eine ſolche allgemeine Saͤure gaͤbe, ſo koͤnnte dieſes nach der Meinung der beſten Scheidekuͤnſtler wohl keine andere, als die Vitriolſaͤure, ſeyn. Stahl, welcher ſich ruͤhmte, eine Saͤure in die andere verwandeln zu koͤnnen, giebt auch zu verſtehen, daß

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[746/0752] Thierreiche in einigen mineraliſchen und vegetabiliſchen Stoffen antrift. Auch die Luftſaͤure oder fixe Luft iſt ſeit Bergmanns Verſuchen (Schwed. Abhandl. v. 1773. und De acido aëreo) fuͤr eine eigne Saͤure, die ſich von allen uͤbrigen unterſcheidet, anerkannt worden, ſ. Gas, mephitiſches (Th. II. S. 400.). Fontana (Journal de phyſique, 1778.) hat ſogar alle thieriſche und Pflanzenſauren blos auf die in den organiſirten Koͤrpern enthaltene Luftſaͤure zu bringen geſucht, wenigſtens gezeigt, daß die Subſtanzen des Thier- und Pflanzenreichs ihre Saͤure verlieren, wenn man ihnen die fixe Luft entzieht. Die meiſten Saͤuren erſcheinen gewoͤhnlich, wie ſchon bemerkt iſt, in fluͤßiger Geſtalt; einige, die ſich gar nicht anders darſtellen laſſen, heißen daher ſtets fluͤßige Saͤuren (Fluores acidi, Acides fluors), wie die fluͤchtige Schwefelſaͤure, die Salpeterſaͤure, die Salzſaͤure und die meiſten aus den thieriſchen und vegetabiliſchen Materien deſtillirten. Einige aber nehmen auch, als Saͤuren, die feſte Geſtalt an, und heißen feſte Saͤuren (Acida ſolida ſ. concreta, Acides concrets), z. B. die Weinſteinkryſtallen, verſchiedene weſentliche Salze in den Pflanzenſaͤften und das fluͤchtige ſaure Bernſteinſalz. Noch andere zeigen ſich in elaſriſcher Geſtalt, entweder als Daͤmpfe, oder als Gasarten, wovon die dephlogiſtiſirte Salzſaͤure, die Luftſaͤure und die uͤbrigen ſauren Gasarten Beyſpiele geben. Ueber das Weſen der Saͤuren im Allgemeinen etwas zu ſagen, was nicht auf bloße Hypotheſen hinausliefe, iſt noch zur Zeit ſchlechterdings unmoͤglich. Man wird bey dem Artikel Salze angefuͤhrt finden, daß zween der groͤßten Chymiſten Deutſchlands, Becher und Stahl, alle Salze, mithin auch die Saͤuren, auf eine einzige allgemeine Grundſubſtanz zu bringen geſucht haben, welche aus Erde und Waſſer beſtehen ſollte. Wenn es eine ſolche allgemeine Saͤure gaͤbe, ſo koͤnnte dieſes nach der Meinung der beſten Scheidekuͤnſtler wohl keine andere, als die Vitriolſaͤure, ſeyn. Stahl, welcher ſich ruͤhmte, eine Saͤure in die andere verwandeln zu koͤnnen, giebt auch zu verſtehen, daß

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 746. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/752>, abgerufen am 13.05.2024.