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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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des Schnees auf den Alpen und dem stärkern Zuflusse der Rhone herrührt (s. Journal Helvetique, Juin 1741 und Aoaut 1746. auch im Hamburg. Magazin, B. X. St. 1. N. 5. und B. XI. St. 2. N. 4.).

Manche Seen verlieren zu gewissen Zeiten alles Wasser, so, daß ihr Boden ganz trocken wird. Einer der merkwürdigsten dieser Art ist der Czirknitzersee (Lacus Lugeus) in Crain, welchen D. Brown (Philos. Trans. num. 54. p. 1083. num. 109. p. 194. und Valvasor Ehre des Herzogthums Crain, Laybach 1689. fol. To. I. auch in Act. Erud. Lips. Dec. 1689. p. 634. sqq. und Philos. Trans. num. 191. p. 411.) beschreiben. Er ist 1 deutsche Meile lang, 1/2 Meile breit, ohngefähr 15 Fuß tief und nimmt 8 Flüsse auf. Um Jacobi, zuweilen auch erst im August, fängt seine Oberfläche an zu sinken, und in 25 Tagen wird der ganze See so leer, daß man 3 Wochen nachher aus dem auf dem Boden gewachsenen Grase gutes Heu machen kan. Man besäet dann gewisse Stellen mit Hirsen, welcher gewöhnlich noch reifet und eingebracht wird, ehe das Wasser wiederkömmt. Der Abfluß sowohl, als der Ausbruch des Wassers geschieht durch Löcher und steinichte Gänge im Boden, durch welche es so schnell hervordringt, daß der See insgemein in 18--24 Stunden angefüllt wird. Einige Oeffnungen im Boden geben lauteres Wasser, andere springen sehr hoch und bringen eine Menge Fische mit, aus einigen kommen auch schwarze nicht längst ausgebrütete Wasservögel. Zuweilen geschehen auch dergleichen Veränderungen im Jahre zwey - bis dreymal, zuweilen in einigen Jahren gar nicht; aber nie ist der See ein ganzes Jahr hindurch trocken. Dieses seltsame, jedoch glaubwürdig bezeugte Verhalten des Czirknitzer - Sees wird insgemein durch eine Art von unterirdischem Heber erklärt. Ohne Zweifel befinden sich in den umliegenden Bergen höhere Wasserbehälter, wie AB, Taf. XXII. Fig. 1. Nun sey CD ein Gang von einem solchen Behälter zur Höhle DLK, welche unter dem Boden des Sees GFH liegt, und mit ihm durch die Canäle FE verbunden ist. So lange die Oberfläche des Wassers in AB höher steht, als C, bekömmt die Höhle DLK,


des Schnees auf den Alpen und dem ſtaͤrkern Zufluſſe der Rhone herruͤhrt (ſ. Journal Helvetique, Juin 1741 und Août 1746. auch im Hamburg. Magazin, B. X. St. 1. N. 5. und B. XI. St. 2. N. 4.).

Manche Seen verlieren zu gewiſſen Zeiten alles Waſſer, ſo, daß ihr Boden ganz trocken wird. Einer der merkwuͤrdigſten dieſer Art iſt der Czirknitzerſee (Lacus Lugeus) in Crain, welchen D. Brown (Philoſ. Trans. num. 54. p. 1083. num. 109. p. 194. und Valvaſor Ehre des Herzogthums Crain, Laybach 1689. fol. To. I. auch in Act. Erud. Lipſ. Dec. 1689. p. 634. ſqq. und Philoſ. Trans. num. 191. p. 411.) beſchreiben. Er iſt 1 deutſche Meile lang, 1/2 Meile breit, ohngefaͤhr 15 Fuß tief und nimmt 8 Fluͤſſe auf. Um Jacobi, zuweilen auch erſt im Auguſt, faͤngt ſeine Oberflaͤche an zu ſinken, und in 25 Tagen wird der ganze See ſo leer, daß man 3 Wochen nachher aus dem auf dem Boden gewachſenen Graſe gutes Heu machen kan. Man beſaͤet dann gewiſſe Stellen mit Hirſen, welcher gewoͤhnlich noch reifet und eingebracht wird, ehe das Waſſer wiederkoͤmmt. Der Abfluß ſowohl, als der Ausbruch des Waſſers geſchieht durch Loͤcher und ſteinichte Gaͤnge im Boden, durch welche es ſo ſchnell hervordringt, daß der See insgemein in 18—24 Stunden angefuͤllt wird. Einige Oeffnungen im Boden geben lauteres Waſſer, andere ſpringen ſehr hoch und bringen eine Menge Fiſche mit, aus einigen kommen auch ſchwarze nicht laͤngſt ausgebruͤtete Waſſervoͤgel. Zuweilen geſchehen auch dergleichen Veraͤnderungen im Jahre zwey - bis dreymal, zuweilen in einigen Jahren gar nicht; aber nie iſt der See ein ganzes Jahr hindurch trocken. Dieſes ſeltſame, jedoch glaubwuͤrdig bezeugte Verhalten des Czirknitzer - Sees wird insgemein durch eine Art von unterirdiſchem Heber erklaͤrt. Ohne Zweifel befinden ſich in den umliegenden Bergen hoͤhere Waſſerbehaͤlter, wie AB, Taf. XXII. Fig. 1. Nun ſey CD ein Gang von einem ſolchen Behaͤlter zur Hoͤhle DLK, welche unter dem Boden des Sees GFH liegt, und mit ihm durch die Canaͤle FE verbunden iſt. So lange die Oberflaͤche des Waſſers in AB hoͤher ſteht, als C, bekoͤmmt die Hoͤhle DLK,

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[2/0012] des Schnees auf den Alpen und dem ſtaͤrkern Zufluſſe der Rhone herruͤhrt (ſ. Journal Helvetique, Juin 1741 und Août 1746. auch im Hamburg. Magazin, B. X. St. 1. N. 5. und B. XI. St. 2. N. 4.). Manche Seen verlieren zu gewiſſen Zeiten alles Waſſer, ſo, daß ihr Boden ganz trocken wird. Einer der merkwuͤrdigſten dieſer Art iſt der Czirknitzerſee (Lacus Lugeus) in Crain, welchen D. Brown (Philoſ. Trans. num. 54. p. 1083. num. 109. p. 194. und Valvaſor Ehre des Herzogthums Crain, Laybach 1689. fol. To. I. auch in Act. Erud. Lipſ. Dec. 1689. p. 634. ſqq. und Philoſ. Trans. num. 191. p. 411.) beſchreiben. Er iſt 1 deutſche Meile lang, 1/2 Meile breit, ohngefaͤhr 15 Fuß tief und nimmt 8 Fluͤſſe auf. Um Jacobi, zuweilen auch erſt im Auguſt, faͤngt ſeine Oberflaͤche an zu ſinken, und in 25 Tagen wird der ganze See ſo leer, daß man 3 Wochen nachher aus dem auf dem Boden gewachſenen Graſe gutes Heu machen kan. Man beſaͤet dann gewiſſe Stellen mit Hirſen, welcher gewoͤhnlich noch reifet und eingebracht wird, ehe das Waſſer wiederkoͤmmt. Der Abfluß ſowohl, als der Ausbruch des Waſſers geſchieht durch Loͤcher und ſteinichte Gaͤnge im Boden, durch welche es ſo ſchnell hervordringt, daß der See insgemein in 18—24 Stunden angefuͤllt wird. Einige Oeffnungen im Boden geben lauteres Waſſer, andere ſpringen ſehr hoch und bringen eine Menge Fiſche mit, aus einigen kommen auch ſchwarze nicht laͤngſt ausgebruͤtete Waſſervoͤgel. Zuweilen geſchehen auch dergleichen Veraͤnderungen im Jahre zwey - bis dreymal, zuweilen in einigen Jahren gar nicht; aber nie iſt der See ein ganzes Jahr hindurch trocken. Dieſes ſeltſame, jedoch glaubwuͤrdig bezeugte Verhalten des Czirknitzer - Sees wird insgemein durch eine Art von unterirdiſchem Heber erklaͤrt. Ohne Zweifel befinden ſich in den umliegenden Bergen hoͤhere Waſſerbehaͤlter, wie AB, Taf. XXII. Fig. 1. Nun ſey CD ein Gang von einem ſolchen Behaͤlter zur Hoͤhle DLK, welche unter dem Boden des Sees GFH liegt, und mit ihm durch die Canaͤle FE verbunden iſt. So lange die Oberflaͤche des Waſſers in AB hoͤher ſteht, als C, bekoͤmmt die Hoͤhle DLK,

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/12>, abgerufen am 30.04.2024.