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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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§. 34. Der Monarch.
dingung des Eintritts des hiernach Berechtigten ist
jedoch, dass er zur Zeit des Anfalls thronmündig sei. 9
Selbstverständlich ist es, dass nur ein regierungsfähiger
Agnat Regent sein kann. Nicht alle Verfassungen haben
jedoch diesen Standpunkt festgehalten, indem manche
unter dem Einflusse des unrichtigen Princips der Vor-
mundschaft 10 dazu geführt worden sind, jene recht-
liche Ordnung durch Dazwischenschieben eines Rechts
der Mutter oder Gemahlin zu stören, oder sie gar

9 Daher behauptet Mohl (Württembergisches Staatsrecht I.,
§. 61. Note 4.), dass ein Regent beim Eintritte der Thronmündigkeit
des wegen unzureichenden Alters anfangs übersprungenen nähe-
ren Agnaten die Regentschaft an diesen wieder abgeben müsse.
Diese Ansicht ist schwerlich haltbar. Denn abgesehen davon, dass
mit dem Wesen der Staatsoberhauptschaft ein Satz schwer ver-
einbar sein möchte, der einen gar zu häufigen Wechsel zur Folge
haben würde, so ist dieselbe auch juristisch gar nicht begründet.
Es kann im Allgemeinen keineswegs als selbstverständlich be-
trachtet werden, dass die für den Erwerb eines Rechts bestehen-
den Voraussetzungen immer auch fortdauernde Bedingungen
seiner Innehabung sind. Vielmehr muss im Zweifel ihre Erfüllung
im Momente des Erwerbs genügen.
10 Dieser Gesichtspunkt, dass die Regentschaft eine Art Vor-
mundschaft sei (daher "Regierungsvormundschaft"), beherrscht
auch die ältere Literatur. Es ist hier einer der Punkte, wo die
Wissenschaft die besondere Aufgabe hat, das neuere Verfas-
sungsrecht von dem älteren fürstlichen Hausrechte zu scheiden.
Noch die ganze Darstellung Kraut's (Vormundschaft III. 1859,
S. 111 flg.) bewegt sich in dem Rahmen des alten Hausrechts;
daher verbindet er durchweg die Lehre von der Regentschaft mit
der Lehre von der Vormundschaft in standesherrlichen Häusern;
daher giebt es nach ihm über den Reichsregenten eines souverai-
nen Staats nur deshalb keine Obervormundschaft mehr, weil nach
Auflösung des deutschen Reichs keine Behörde mehr dafür existirt;
daher behandelt er (S. 242.) ganz ernsthaft die Frage, ob auch der
Regierungsvormund ein vormundschaftliches Honorar fordern
könne u. s. w.

§. 34. Der Monarch.
dingung des Eintritts des hiernach Berechtigten ist
jedoch, dass er zur Zeit des Anfalls thronmündig sei. 9
Selbstverständlich ist es, dass nur ein regierungsfähiger
Agnat Regent sein kann. Nicht alle Verfassungen haben
jedoch diesen Standpunkt festgehalten, indem manche
unter dem Einflusse des unrichtigen Princips der Vor-
mundschaft 10 dazu geführt worden sind, jene recht-
liche Ordnung durch Dazwischenschieben eines Rechts
der Mutter oder Gemahlin zu stören, oder sie gar

9 Daher behauptet Mohl (Württembergisches Staatsrecht I.,
§. 61. Note 4.), dass ein Regent beim Eintritte der Thronmündigkeit
des wegen unzureichenden Alters anfangs übersprungenen nähe-
ren Agnaten die Regentschaft an diesen wieder abgeben müsse.
Diese Ansicht ist schwerlich haltbar. Denn abgesehen davon, dass
mit dem Wesen der Staatsoberhauptschaft ein Satz schwer ver-
einbar sein möchte, der einen gar zu häufigen Wechsel zur Folge
haben würde, so ist dieselbe auch juristisch gar nicht begründet.
Es kann im Allgemeinen keineswegs als selbstverständlich be-
trachtet werden, dass die für den Erwerb eines Rechts bestehen-
den Voraussetzungen immer auch fortdauernde Bedingungen
seiner Innehabung sind. Vielmehr muss im Zweifel ihre Erfüllung
im Momente des Erwerbs genügen.
10 Dieser Gesichtspunkt, dass die Regentschaft eine Art Vor-
mundschaft sei (daher „Regierungsvormundschaft“), beherrscht
auch die ältere Literatur. Es ist hier einer der Punkte, wo die
Wissenschaft die besondere Aufgabe hat, das neuere Verfas-
sungsrecht von dem älteren fürstlichen Hausrechte zu scheiden.
Noch die ganze Darstellung Kraut’s (Vormundschaft III. 1859,
S. 111 flg.) bewegt sich in dem Rahmen des alten Hausrechts;
daher verbindet er durchweg die Lehre von der Regentschaft mit
der Lehre von der Vormundschaft in standesherrlichen Häusern;
daher giebt es nach ihm über den Reichsregenten eines souverai-
nen Staats nur deshalb keine Obervormundschaft mehr, weil nach
Auflösung des deutschen Reichs keine Behörde mehr dafür existirt;
daher behandelt er (S. 242.) ganz ernsthaft die Frage, ob auch der
Regierungsvormund ein vormundschaftliches Honorar fordern
könne u. s. w.
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[101/0119] §. 34. Der Monarch. dingung des Eintritts des hiernach Berechtigten ist jedoch, dass er zur Zeit des Anfalls thronmündig sei. 9 Selbstverständlich ist es, dass nur ein regierungsfähiger Agnat Regent sein kann. Nicht alle Verfassungen haben jedoch diesen Standpunkt festgehalten, indem manche unter dem Einflusse des unrichtigen Princips der Vor- mundschaft 10 dazu geführt worden sind, jene recht- liche Ordnung durch Dazwischenschieben eines Rechts der Mutter oder Gemahlin zu stören, oder sie gar 9 Daher behauptet Mohl (Württembergisches Staatsrecht I., §. 61. Note 4.), dass ein Regent beim Eintritte der Thronmündigkeit des wegen unzureichenden Alters anfangs übersprungenen nähe- ren Agnaten die Regentschaft an diesen wieder abgeben müsse. Diese Ansicht ist schwerlich haltbar. Denn abgesehen davon, dass mit dem Wesen der Staatsoberhauptschaft ein Satz schwer ver- einbar sein möchte, der einen gar zu häufigen Wechsel zur Folge haben würde, so ist dieselbe auch juristisch gar nicht begründet. Es kann im Allgemeinen keineswegs als selbstverständlich be- trachtet werden, dass die für den Erwerb eines Rechts bestehen- den Voraussetzungen immer auch fortdauernde Bedingungen seiner Innehabung sind. Vielmehr muss im Zweifel ihre Erfüllung im Momente des Erwerbs genügen. 10 Dieser Gesichtspunkt, dass die Regentschaft eine Art Vor- mundschaft sei (daher „Regierungsvormundschaft“), beherrscht auch die ältere Literatur. Es ist hier einer der Punkte, wo die Wissenschaft die besondere Aufgabe hat, das neuere Verfas- sungsrecht von dem älteren fürstlichen Hausrechte zu scheiden. Noch die ganze Darstellung Kraut’s (Vormundschaft III. 1859, S. 111 flg.) bewegt sich in dem Rahmen des alten Hausrechts; daher verbindet er durchweg die Lehre von der Regentschaft mit der Lehre von der Vormundschaft in standesherrlichen Häusern; daher giebt es nach ihm über den Reichsregenten eines souverai- nen Staats nur deshalb keine Obervormundschaft mehr, weil nach Auflösung des deutschen Reichs keine Behörde mehr dafür existirt; daher behandelt er (S. 242.) ganz ernsthaft die Frage, ob auch der Regierungsvormund ein vormundschaftliches Honorar fordern könne u. s. w.

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/119>, abgerufen am 14.05.2024.