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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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§. 41. Die Landstände.
deutschen Staaten bestehen zwei landständische Collegien,
die erste und die zweite Kammer, 2 welche selbständig
neben einander verhandeln. 3 Erst ein übereinstimmen-
der Beschluss beider Kammern gilt als Beschluss der
Landstände. Indessen giebt es einzelne Angelegenheiten,
welche jede Kammer für sich zu erledigen hat, 4 und
andere, bei deren Entscheidung der zweiten Kammer
ein umfassenderes Recht, als der ersten Kammer zu-
getheilt wird. 5

Ueber die Bildung der beiden Kammern bestehen
keine gemeinrechtlichen Sätze, sondern nur particular-
rechtliche Bestimmungen. Hiernach erscheinen als Mit-
glieder der ersten Kammer in der Regel die Prinzen
des regierenden Hauses, die Häupter der standesherr-
lichen Familien, sodann Diejenigen, welchen der Monarch
die Standschaft erblich oder nur lebenslänglich verliehen
hat, ferner Personen, welche von grösseren Städten oder
anderen Corporationen hierzu gewählt sind, endlich
Solche, welchen die Mitgliedschaft vermöge ihres Staats-
oder kirchlichen Amts zusteht. Die Mitglieder der
zweiten Kammer sind in der Regel durchweg gewählte

Nebenattributs bestehen, welches mit dem inneren Wesen der
Stände gar keinen Zusammenhang hat.
2 Die erste Kammer heisst auch "Herrenhaus," "Kammer der
Reichsräthe," "der Standesherrn."
3 Nur in einigen besonderen Fällen findet nach den Verfas-
sungen ein Zusammentritt beider Kammern zu einer Kammer statt.
4 Dahin gehört meistens die Stellung von Anträgen, Erhebung
von Beschwerden, Abfassung von Adressen, in einigen wenigen
Staaten auch die Ministeranklage. Ueberall freilich, wo eine Re-
gierungshandlung die Genehmigung der Stände bedarf, hat schon
die Ablehnung in einer Kammer die volle negative Wirkung.
5 Diess ist bezüglich der Festsetzung des Finanzetats der Fall.

§. 41. Die Landstände.
deutschen Staaten bestehen zwei landständische Collegien,
die erste und die zweite Kammer, 2 welche selbständig
neben einander verhandeln. 3 Erst ein übereinstimmen-
der Beschluss beider Kammern gilt als Beschluss der
Landstände. Indessen giebt es einzelne Angelegenheiten,
welche jede Kammer für sich zu erledigen hat, 4 und
andere, bei deren Entscheidung der zweiten Kammer
ein umfassenderes Recht, als der ersten Kammer zu-
getheilt wird. 5

Ueber die Bildung der beiden Kammern bestehen
keine gemeinrechtlichen Sätze, sondern nur particular-
rechtliche Bestimmungen. Hiernach erscheinen als Mit-
glieder der ersten Kammer in der Regel die Prinzen
des regierenden Hauses, die Häupter der standesherr-
lichen Familien, sodann Diejenigen, welchen der Monarch
die Standschaft erblich oder nur lebenslänglich verliehen
hat, ferner Personen, welche von grösseren Städten oder
anderen Corporationen hierzu gewählt sind, endlich
Solche, welchen die Mitgliedschaft vermöge ihres Staats-
oder kirchlichen Amts zusteht. Die Mitglieder der
zweiten Kammer sind in der Regel durchweg gewählte

Nebenattributs bestehen, welches mit dem inneren Wesen der
Stände gar keinen Zusammenhang hat.
2 Die erste Kammer heisst auch „Herrenhaus,“ „Kammer der
Reichsräthe,“ „der Standesherrn.“
3 Nur in einigen besonderen Fällen findet nach den Verfas-
sungen ein Zusammentritt beider Kammern zu einer Kammer statt.
4 Dahin gehört meistens die Stellung von Anträgen, Erhebung
von Beschwerden, Abfassung von Adressen, in einigen wenigen
Staaten auch die Ministeranklage. Ueberall freilich, wo eine Re-
gierungshandlung die Genehmigung der Stände bedarf, hat schon
die Ablehnung in einer Kammer die volle negative Wirkung.
5 Diess ist bezüglich der Festsetzung des Finanzetats der Fall.
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[127/0145] §. 41. Die Landstände. deutschen Staaten bestehen zwei landständische Collegien, die erste und die zweite Kammer, 2 welche selbständig neben einander verhandeln. 3 Erst ein übereinstimmen- der Beschluss beider Kammern gilt als Beschluss der Landstände. Indessen giebt es einzelne Angelegenheiten, welche jede Kammer für sich zu erledigen hat, 4 und andere, bei deren Entscheidung der zweiten Kammer ein umfassenderes Recht, als der ersten Kammer zu- getheilt wird. 5 Ueber die Bildung der beiden Kammern bestehen keine gemeinrechtlichen Sätze, sondern nur particular- rechtliche Bestimmungen. Hiernach erscheinen als Mit- glieder der ersten Kammer in der Regel die Prinzen des regierenden Hauses, die Häupter der standesherr- lichen Familien, sodann Diejenigen, welchen der Monarch die Standschaft erblich oder nur lebenslänglich verliehen hat, ferner Personen, welche von grösseren Städten oder anderen Corporationen hierzu gewählt sind, endlich Solche, welchen die Mitgliedschaft vermöge ihres Staats- oder kirchlichen Amts zusteht. Die Mitglieder der zweiten Kammer sind in der Regel durchweg gewählte 1 2 Die erste Kammer heisst auch „Herrenhaus,“ „Kammer der Reichsräthe,“ „der Standesherrn.“ 3 Nur in einigen besonderen Fällen findet nach den Verfas- sungen ein Zusammentritt beider Kammern zu einer Kammer statt. 4 Dahin gehört meistens die Stellung von Anträgen, Erhebung von Beschwerden, Abfassung von Adressen, in einigen wenigen Staaten auch die Ministeranklage. Ueberall freilich, wo eine Re- gierungshandlung die Genehmigung der Stände bedarf, hat schon die Ablehnung in einer Kammer die volle negative Wirkung. 5 Diess ist bezüglich der Festsetzung des Finanzetats der Fall. 1 Nebenattributs bestehen, welches mit dem inneren Wesen der Stände gar keinen Zusammenhang hat.

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/145>, abgerufen am 28.04.2024.