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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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Dritter Abschnitt.
ist diese Zustimmung nicht erforderlich. 2. Die Geneh-
migung der Stände ist ferner nothwendig zur Begrün-

Diess entscheidet aber nicht über die innere staatsrechtliche Be-
deutung seines Handelns. In dieser Beziehung wirken die Rechts-
sätze, welche über Abänderung des bestehenden Rechts, Auf-
legung neuer Lasten und Verpflichtungen der Staatsbürger gelten,
auch auf Bestimmungen dieses Inhalts, welche durch einen mit
anderen Staaten abgeschlossenen Vertrag veranlasst werden; denn
die innere Geltung eines Staatsvertrags beginnt erst mit seiner
Publicirung durch den Monarchen, also einer Verfügung, welche
sich im Staate gefallen lassen muss, nach dem Massstabe des Ge-
setzgebungs- und Verordnungsrechts gemessen zu werden. Sehr
bestimmt sagt diess z. B. die Württembergische Verfassungs-
urkunde §. 85.: "der König vertritt den Staat in allen seinen
Verhältnissen gegen auswärtige Staaten. Es kann jedoch ohne
Einwilligung der Stände durch Verträge mit Auswärtigen kein
Theil des Staatsgebiets und Staatseigenthums veräussert, keine
neue Last auf das Königreich und dessen Angehörige übernom-
men, und kein Landesgesetz abgeändert oder aufgehoben, keine
Verpflichtung, welche den Rechten der Staatsbürger Eintrag
thun würde, eingegangen, namentlich auch kein Handelsvertrag,
welcher eine neue gesetzliche Einrichtung zur Folge hätte, und
kein Subsidienvertrag über Verwendung der königlichen Truppen
in einem Deutschland nicht betreffenden Kriege, geschlossen wer-
den." Darin liegt (wie diess z. B. die Oldenburgische Verfassung
von 1852 Art. 6. direct ausspricht), dass der König dasjenige, was
er überhaupt nicht ohne ständische Bewilligung vermag, auch
dann nicht ohne letztere thun kann, wenn sein Handeln in der
Form der Publication eines Staatsvertrags hervortritt. So auch
die Preussische Verfassungsurkunde Art. 48. Wird die ständische
Zustimmung da, wo sie nothwendig ist, verweigert, so hat diess
nach Aussen die Wirkung, dass der an sich rechtsgültig abge-
schlossene Staatsvertrag unausführbar wird. -- Da übrigens ein
Staatsvertrag gleich in seiner ursprünglichen Fassung so gestaltet
sein kann, dass er der Form einer ge- oder verbietenden Norm der
Staatsgewalt entspricht, so ist es für die Erreichung seines Zwecks
nicht immer erforderlich, ihn erst in die Form eigentlicher Gesetze
umzugiessen. Von diesem Gesichtspunkte aus könnte man dazu
gelangen, in der Bestimmung des Hannoverischen Verfassungs-
gesetzes §. 11., dass die ständische Zustimmung nicht zu der

Dritter Abschnitt.
ist diese Zustimmung nicht erforderlich. 2. Die Geneh-
migung der Stände ist ferner nothwendig zur Begrün-

Diess entscheidet aber nicht über die innere staatsrechtliche Be-
deutung seines Handelns. In dieser Beziehung wirken die Rechts-
sätze, welche über Abänderung des bestehenden Rechts, Auf-
legung neuer Lasten und Verpflichtungen der Staatsbürger gelten,
auch auf Bestimmungen dieses Inhalts, welche durch einen mit
anderen Staaten abgeschlossenen Vertrag veranlasst werden; denn
die innere Geltung eines Staatsvertrags beginnt erst mit seiner
Publicirung durch den Monarchen, also einer Verfügung, welche
sich im Staate gefallen lassen muss, nach dem Massstabe des Ge-
setzgebungs- und Verordnungsrechts gemessen zu werden. Sehr
bestimmt sagt diess z. B. die Württembergische Verfassungs-
urkunde §. 85.: „der König vertritt den Staat in allen seinen
Verhältnissen gegen auswärtige Staaten. Es kann jedoch ohne
Einwilligung der Stände durch Verträge mit Auswärtigen kein
Theil des Staatsgebiets und Staatseigenthums veräussert, keine
neue Last auf das Königreich und dessen Angehörige übernom-
men, und kein Landesgesetz abgeändert oder aufgehoben, keine
Verpflichtung, welche den Rechten der Staatsbürger Eintrag
thun würde, eingegangen, namentlich auch kein Handelsvertrag,
welcher eine neue gesetzliche Einrichtung zur Folge hätte, und
kein Subsidienvertrag über Verwendung der königlichen Truppen
in einem Deutschland nicht betreffenden Kriege, geschlossen wer-
den.“ Darin liegt (wie diess z. B. die Oldenburgische Verfassung
von 1852 Art. 6. direct ausspricht), dass der König dasjenige, was
er überhaupt nicht ohne ständische Bewilligung vermag, auch
dann nicht ohne letztere thun kann, wenn sein Handeln in der
Form der Publication eines Staatsvertrags hervortritt. So auch
die Preussische Verfassungsurkunde Art. 48. Wird die ständische
Zustimmung da, wo sie nothwendig ist, verweigert, so hat diess
nach Aussen die Wirkung, dass der an sich rechtsgültig abge-
schlossene Staatsvertrag unausführbar wird. — Da übrigens ein
Staatsvertrag gleich in seiner ursprünglichen Fassung so gestaltet
sein kann, dass er der Form einer ge- oder verbietenden Norm der
Staatsgewalt entspricht, so ist es für die Erreichung seines Zwecks
nicht immer erforderlich, ihn erst in die Form eigentlicher Gesetze
umzugiessen. Von diesem Gesichtspunkte aus könnte man dazu
gelangen, in der Bestimmung des Hannoverischen Verfassungs-
gesetzes §. 11., dass die ständische Zustimmung nicht zu der
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[166/0184] Dritter Abschnitt. ist diese Zustimmung nicht erforderlich. 2. Die Geneh- migung der Stände ist ferner nothwendig zur Begrün- 2 2 Diess entscheidet aber nicht über die innere staatsrechtliche Be- deutung seines Handelns. In dieser Beziehung wirken die Rechts- sätze, welche über Abänderung des bestehenden Rechts, Auf- legung neuer Lasten und Verpflichtungen der Staatsbürger gelten, auch auf Bestimmungen dieses Inhalts, welche durch einen mit anderen Staaten abgeschlossenen Vertrag veranlasst werden; denn die innere Geltung eines Staatsvertrags beginnt erst mit seiner Publicirung durch den Monarchen, also einer Verfügung, welche sich im Staate gefallen lassen muss, nach dem Massstabe des Ge- setzgebungs- und Verordnungsrechts gemessen zu werden. Sehr bestimmt sagt diess z. B. die Württembergische Verfassungs- urkunde §. 85.: „der König vertritt den Staat in allen seinen Verhältnissen gegen auswärtige Staaten. Es kann jedoch ohne Einwilligung der Stände durch Verträge mit Auswärtigen kein Theil des Staatsgebiets und Staatseigenthums veräussert, keine neue Last auf das Königreich und dessen Angehörige übernom- men, und kein Landesgesetz abgeändert oder aufgehoben, keine Verpflichtung, welche den Rechten der Staatsbürger Eintrag thun würde, eingegangen, namentlich auch kein Handelsvertrag, welcher eine neue gesetzliche Einrichtung zur Folge hätte, und kein Subsidienvertrag über Verwendung der königlichen Truppen in einem Deutschland nicht betreffenden Kriege, geschlossen wer- den.“ Darin liegt (wie diess z. B. die Oldenburgische Verfassung von 1852 Art. 6. direct ausspricht), dass der König dasjenige, was er überhaupt nicht ohne ständische Bewilligung vermag, auch dann nicht ohne letztere thun kann, wenn sein Handeln in der Form der Publication eines Staatsvertrags hervortritt. So auch die Preussische Verfassungsurkunde Art. 48. Wird die ständische Zustimmung da, wo sie nothwendig ist, verweigert, so hat diess nach Aussen die Wirkung, dass der an sich rechtsgültig abge- schlossene Staatsvertrag unausführbar wird. — Da übrigens ein Staatsvertrag gleich in seiner ursprünglichen Fassung so gestaltet sein kann, dass er der Form einer ge- oder verbietenden Norm der Staatsgewalt entspricht, so ist es für die Erreichung seines Zwecks nicht immer erforderlich, ihn erst in die Form eigentlicher Gesetze umzugiessen. Von diesem Gesichtspunkte aus könnte man dazu gelangen, in der Bestimmung des Hannoverischen Verfassungs- gesetzes §. 11., dass die ständische Zustimmung nicht zu der

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/184>, abgerufen am 29.04.2024.