Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Vierter Abschnitt.
Institut der Ministeranklage durch Bildung eines be-
sonderen Staatsgerichtshofs entwickelt ist, kann unter
Umständen dieser den Streitpunkt erledigen; denn wenn
der Streit in der Form einer Ministeranklage auftritt,
so urtheilt er bei der Entscheidung dieser zugleich über
das allgemeine Recht selbst. Auch haben manche
Staaten die Competenz dieses politischen Gerichtshofs
dahin erweitert, dass er überhaupt veranlasst werden
dürfe, über den bestrittenen Sinn des Verfassungsrechts
zu urtheilen.2 Abgesehen hiervon giebt es für den
Fall, dass sich die beiden Organe als streitende Par-
teien gegenüber stehen, keinen anderen Weg rechtmäs-
siger Lösung, als den der Verständigung.3

Ein ähnliches Verhältniss findet statt, wenn sich die
beiden Kammern als Parteien gegenüber stehen, indem
sie über die gegenseitigen Beziehungen ihrer verfassungs-
mässigen Rechtsstellung streiten. Nur werden solche
Streitigkeiten leichter ihre thatsächliche Erledigung fin-
den, da hier die Regierung durch die Art ihres Ver-
haltens wesentlich dazu beitragen kann.

2 So im Königreiche Sachsen, Verfassungsurkunde §. 153.,
wonach der Ausspruch des Staatsgerichtshofs als authentische In-
terpretation der Verfassung gelten soll. Auch die Württem-
bergische Regierung kann ihren Staatsgerichtshof, da ihr auch ein
Anklagerecht der Stände zusteht, für diese Aufgabe benützen.
3 Die Regierung hat freilich noch ein unter Umständen sehr
wirksames Mittel, auf die Lösung von Conflicten mit der Stände-
versammlung zu wirken, nämlich die Auflösung der letzteren und
Berufung einer neuen.

Vierter Abschnitt.
Institut der Ministeranklage durch Bildung eines be-
sonderen Staatsgerichtshofs entwickelt ist, kann unter
Umständen dieser den Streitpunkt erledigen; denn wenn
der Streit in der Form einer Ministeranklage auftritt,
so urtheilt er bei der Entscheidung dieser zugleich über
das allgemeine Recht selbst. Auch haben manche
Staaten die Competenz dieses politischen Gerichtshofs
dahin erweitert, dass er überhaupt veranlasst werden
dürfe, über den bestrittenen Sinn des Verfassungsrechts
zu urtheilen.2 Abgesehen hiervon giebt es für den
Fall, dass sich die beiden Organe als streitende Par-
teien gegenüber stehen, keinen anderen Weg rechtmäs-
siger Lösung, als den der Verständigung.3

Ein ähnliches Verhältniss findet statt, wenn sich die
beiden Kammern als Parteien gegenüber stehen, indem
sie über die gegenseitigen Beziehungen ihrer verfassungs-
mässigen Rechtsstellung streiten. Nur werden solche
Streitigkeiten leichter ihre thatsächliche Erledigung fin-
den, da hier die Regierung durch die Art ihres Ver-
haltens wesentlich dazu beitragen kann.

2 So im Königreiche Sachsen, Verfassungsurkunde §. 153.,
wonach der Ausspruch des Staatsgerichtshofs als authentische In-
terpretation der Verfassung gelten soll. Auch die Württem-
bergische Regierung kann ihren Staatsgerichtshof, da ihr auch ein
Anklagerecht der Stände zusteht, für diese Aufgabe benützen.
3 Die Regierung hat freilich noch ein unter Umständen sehr
wirksames Mittel, auf die Lösung von Conflicten mit der Stände-
versammlung zu wirken, nämlich die Auflösung der letzteren und
Berufung einer neuen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0208" n="190"/><fw place="top" type="header">Vierter Abschnitt.</fw><lb/>
Institut der Ministeranklage durch Bildung eines be-<lb/>
sonderen Staatsgerichtshofs entwickelt ist, kann unter<lb/>
Umständen dieser den Streitpunkt erledigen; denn wenn<lb/>
der Streit in der Form einer Ministeranklage auftritt,<lb/>
so urtheilt er bei der Entscheidung dieser zugleich über<lb/>
das allgemeine Recht selbst. Auch haben manche<lb/>
Staaten die Competenz dieses politischen Gerichtshofs<lb/>
dahin erweitert, dass er überhaupt veranlasst werden<lb/>
dürfe, über den bestrittenen Sinn des Verfassungsrechts<lb/>
zu urtheilen.<note place="foot" n="2">So im Königreiche Sachsen, Verfassungsurkunde §. 153.,<lb/>
wonach der Ausspruch des Staatsgerichtshofs als authentische In-<lb/>
terpretation der Verfassung gelten soll. Auch die Württem-<lb/>
bergische Regierung kann ihren Staatsgerichtshof, da ihr auch ein<lb/>
Anklagerecht der Stände zusteht, für diese Aufgabe benützen.</note> Abgesehen hiervon giebt es für den<lb/>
Fall, dass sich die beiden Organe als streitende Par-<lb/>
teien gegenüber stehen, keinen anderen Weg rechtmäs-<lb/>
siger Lösung, als den der Verständigung.<note place="foot" n="3">Die Regierung hat freilich noch ein unter Umständen sehr<lb/>
wirksames Mittel, auf die Lösung von Conflicten mit der Stände-<lb/>
versammlung zu wirken, nämlich die Auflösung der letzteren und<lb/>
Berufung einer neuen.</note></p><lb/>
            <p>Ein ähnliches Verhältniss findet statt, wenn sich die<lb/>
beiden Kammern als Parteien gegenüber stehen, indem<lb/>
sie über die gegenseitigen Beziehungen ihrer verfassungs-<lb/>
mässigen Rechtsstellung streiten. Nur werden solche<lb/>
Streitigkeiten leichter ihre thatsächliche Erledigung fin-<lb/>
den, da hier die Regierung durch die Art ihres Ver-<lb/>
haltens wesentlich dazu beitragen kann.</p>
          </div>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0208] Vierter Abschnitt. Institut der Ministeranklage durch Bildung eines be- sonderen Staatsgerichtshofs entwickelt ist, kann unter Umständen dieser den Streitpunkt erledigen; denn wenn der Streit in der Form einer Ministeranklage auftritt, so urtheilt er bei der Entscheidung dieser zugleich über das allgemeine Recht selbst. Auch haben manche Staaten die Competenz dieses politischen Gerichtshofs dahin erweitert, dass er überhaupt veranlasst werden dürfe, über den bestrittenen Sinn des Verfassungsrechts zu urtheilen. 2 Abgesehen hiervon giebt es für den Fall, dass sich die beiden Organe als streitende Par- teien gegenüber stehen, keinen anderen Weg rechtmäs- siger Lösung, als den der Verständigung. 3 Ein ähnliches Verhältniss findet statt, wenn sich die beiden Kammern als Parteien gegenüber stehen, indem sie über die gegenseitigen Beziehungen ihrer verfassungs- mässigen Rechtsstellung streiten. Nur werden solche Streitigkeiten leichter ihre thatsächliche Erledigung fin- den, da hier die Regierung durch die Art ihres Ver- haltens wesentlich dazu beitragen kann. 2 So im Königreiche Sachsen, Verfassungsurkunde §. 153., wonach der Ausspruch des Staatsgerichtshofs als authentische In- terpretation der Verfassung gelten soll. Auch die Württem- bergische Regierung kann ihren Staatsgerichtshof, da ihr auch ein Anklagerecht der Stände zusteht, für diese Aufgabe benützen. 3 Die Regierung hat freilich noch ein unter Umständen sehr wirksames Mittel, auf die Lösung von Conflicten mit der Stände- versammlung zu wirken, nämlich die Auflösung der letzteren und Berufung einer neuen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/208
Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/208>, abgerufen am 15.05.2024.