Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.Erster Abschnitt. gewährleistet, welche dadurch nicht aufgehoben wird, dasssie in mehreren Staaten mit der landsässigen Ritterschaft zu einem gemeinsamen Körper verschmolzen sind.8 Auf der anderen Seite giebt es auch Staatsbürger, d) Entstehung und Endigung. §. 19. Das Gewaltrecht des Staats wird begründet an ganz in der Technik des Reichsrechts befangen. Diesem Um- stande ist es zuzuschreiben, dass die Mitglieder der souverain ge- wordenen Regentenfamilien in der Redewendung des Satzes a) noch als hoher Adel aufgefasst werden. Diess ist nach meiner Ueberzeugung falsch. Eine schiefe Redaction, die kein disponi- rendes Moment enthält, kann aber keinen gesetzlichen Zwang ausüben. Siehe §. 27. 8 Art. 14. der Bundesacte: "-- dem ehemaligen Reichsadel werden die sub No. 1 und 2 angeführten Rechte, Antheil der Be- güterten an der Landstandschaft, Patrimonial- und Forstgerichts- barkeit, Ortspolizei, Kirchenpatronat und der privilegirte Ge- richtsstand zugesichert. Diese Rechte werden jedoch nur nach der Vorschrift der Landesgesetze ausgeübt." 9 Die im Art. 16. der Bundesacte gegebene Zusicherung ist nicht erfüllt worden. Dagegen ist in den einzelnen Staaten theils auf Grund vollständiger s. g. Judengesetze, theils solcher Gesetze, welche sich nur auf einzelne Punkte beziehen, eine den Juden sehr günstige Behandlung ihrer staatsrechtlichen Verhältnisse ein- getreten. Hierbei haben theilweise die "Grundrechte des deut- schen Volks" eine besondere Rolle gespielt. Uebrigens ist der Rechtszustand in den einzelnen Staaten sehr verschieden. 1 Aber auch solchen Personen, welche keine Staatsbürger
sind, sondern sich nur in unserem Staatsgebiete zeitweilig auf- Erster Abschnitt. gewährleistet, welche dadurch nicht aufgehoben wird, dasssie in mehreren Staaten mit der landsässigen Ritterschaft zu einem gemeinsamen Körper verschmolzen sind.8 Auf der anderen Seite giebt es auch Staatsbürger, d) Entstehung und Endigung. §. 19. Das Gewaltrecht des Staats wird begründet an ganz in der Technik des Reichsrechts befangen. Diesem Um- stande ist es zuzuschreiben, dass die Mitglieder der souverain ge- wordenen Regentenfamilien in der Redewendung des Satzes a) noch als hoher Adel aufgefasst werden. Diess ist nach meiner Ueberzeugung falsch. Eine schiefe Redaction, die kein disponi- rendes Moment enthält, kann aber keinen gesetzlichen Zwang ausüben. Siehe §. 27. 8 Art. 14. der Bundesacte: „— dem ehemaligen Reichsadel werden die sub No. 1 und 2 angeführten Rechte, Antheil der Be- güterten an der Landstandschaft, Patrimonial- und Forstgerichts- barkeit, Ortspolizei, Kirchenpatronat und der privilegirte Ge- richtsstand zugesichert. Diese Rechte werden jedoch nur nach der Vorschrift der Landesgesetze ausgeübt.“ 9 Die im Art. 16. der Bundesacte gegebene Zusicherung ist nicht erfüllt worden. Dagegen ist in den einzelnen Staaten theils auf Grund vollständiger s. g. Judengesetze, theils solcher Gesetze, welche sich nur auf einzelne Punkte beziehen, eine den Juden sehr günstige Behandlung ihrer staatsrechtlichen Verhältnisse ein- getreten. Hierbei haben theilweise die „Grundrechte des deut- schen Volks“ eine besondere Rolle gespielt. Uebrigens ist der Rechtszustand in den einzelnen Staaten sehr verschieden. 1 Aber auch solchen Personen, welche keine Staatsbürger
sind, sondern sich nur in unserem Staatsgebiete zeitweilig auf- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0070" n="52"/><fw place="top" type="header">Erster Abschnitt.</fw><lb/> gewährleistet, welche dadurch nicht aufgehoben wird, dass<lb/> sie in mehreren Staaten mit der landsässigen Ritterschaft<lb/> zu einem gemeinsamen Körper verschmolzen sind.<note place="foot" n="8">Art. 14. der Bundesacte: „— dem ehemaligen Reichsadel<lb/> werden die sub No. 1 und 2 angeführten Rechte, Antheil der Be-<lb/> güterten an der Landstandschaft, Patrimonial- und Forstgerichts-<lb/> barkeit, Ortspolizei, Kirchenpatronat und der privilegirte Ge-<lb/> richtsstand zugesichert. Diese Rechte werden jedoch nur nach<lb/> der Vorschrift der Landesgesetze ausgeübt.“</note></p><lb/> <p>Auf der anderen Seite giebt es auch Staatsbürger,<lb/> denen gar keine oder nur geringere politische Gegenrechte<lb/> zugestanden werden. Dahin gehören nach dem Rechte<lb/> mehrerer deutschen Staaten noch jetzt die <hi rendition="#g">Juden.</hi><note place="foot" n="9">Die im Art. 16. der Bundesacte gegebene Zusicherung ist<lb/> nicht erfüllt worden. Dagegen ist in den einzelnen Staaten theils<lb/> auf Grund vollständiger s. g. Judengesetze, theils solcher Gesetze,<lb/> welche sich nur auf einzelne Punkte beziehen, eine den Juden<lb/> sehr günstige Behandlung ihrer staatsrechtlichen Verhältnisse ein-<lb/> getreten. Hierbei haben theilweise die „Grundrechte des deut-<lb/> schen Volks“ eine besondere Rolle gespielt. Uebrigens ist der<lb/> Rechtszustand in den einzelnen Staaten sehr verschieden.</note></p> </div> </div><lb/> <div n="5"> <head>d) Entstehung und Endigung.</head><lb/> <div n="6"> <head>§. 19.</head><lb/> <p>Das Gewaltrecht des Staats wird begründet an<lb/> Allen, welche in den Verband seiner Staatsbürger (In-<lb/> digenat) eintreten.<note xml:id="note-0070a" next="#note-0071" place="foot" n="1">Aber auch solchen Personen, welche keine Staatsbürger<lb/> sind, sondern sich nur in unserem Staatsgebiete zeitweilig auf-</note> Diess geschieht 1. durch Geburt,<lb/><note xml:id="note-0070" prev="#note-0069a" place="foot" n="7">ganz in der Technik des Reichsrechts befangen. Diesem Um-<lb/> stande ist es zuzuschreiben, dass die Mitglieder der souverain ge-<lb/> wordenen Regentenfamilien in der Redewendung des Satzes a)<lb/> noch als hoher Adel aufgefasst werden. Diess ist nach meiner<lb/> Ueberzeugung falsch. Eine schiefe Redaction, die kein disponi-<lb/> rendes Moment enthält, kann aber keinen gesetzlichen Zwang<lb/> ausüben. Siehe §. 27.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0070]
Erster Abschnitt.
gewährleistet, welche dadurch nicht aufgehoben wird, dass
sie in mehreren Staaten mit der landsässigen Ritterschaft
zu einem gemeinsamen Körper verschmolzen sind. 8
Auf der anderen Seite giebt es auch Staatsbürger,
denen gar keine oder nur geringere politische Gegenrechte
zugestanden werden. Dahin gehören nach dem Rechte
mehrerer deutschen Staaten noch jetzt die Juden. 9
d) Entstehung und Endigung.
§. 19.
Das Gewaltrecht des Staats wird begründet an
Allen, welche in den Verband seiner Staatsbürger (In-
digenat) eintreten. 1 Diess geschieht 1. durch Geburt,
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8 Art. 14. der Bundesacte: „— dem ehemaligen Reichsadel
werden die sub No. 1 und 2 angeführten Rechte, Antheil der Be-
güterten an der Landstandschaft, Patrimonial- und Forstgerichts-
barkeit, Ortspolizei, Kirchenpatronat und der privilegirte Ge-
richtsstand zugesichert. Diese Rechte werden jedoch nur nach
der Vorschrift der Landesgesetze ausgeübt.“
9 Die im Art. 16. der Bundesacte gegebene Zusicherung ist
nicht erfüllt worden. Dagegen ist in den einzelnen Staaten theils
auf Grund vollständiger s. g. Judengesetze, theils solcher Gesetze,
welche sich nur auf einzelne Punkte beziehen, eine den Juden
sehr günstige Behandlung ihrer staatsrechtlichen Verhältnisse ein-
getreten. Hierbei haben theilweise die „Grundrechte des deut-
schen Volks“ eine besondere Rolle gespielt. Uebrigens ist der
Rechtszustand in den einzelnen Staaten sehr verschieden.
1 Aber auch solchen Personen, welche keine Staatsbürger
sind, sondern sich nur in unserem Staatsgebiete zeitweilig auf-
7 ganz in der Technik des Reichsrechts befangen. Diesem Um-
stande ist es zuzuschreiben, dass die Mitglieder der souverain ge-
wordenen Regentenfamilien in der Redewendung des Satzes a)
noch als hoher Adel aufgefasst werden. Diess ist nach meiner
Ueberzeugung falsch. Eine schiefe Redaction, die kein disponi-
rendes Moment enthält, kann aber keinen gesetzlichen Zwang
ausüben. Siehe §. 27.
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Zitationshilfe: | Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/70>, abgerufen am 09.12.2023. |