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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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§. 27. Der Monarch.

Dieser ausgezeichneten öffentlichen Stellung der
Mitglieder des Regentenhauses entspricht nun eine Reihe
weiterer eigenthümlicher Befugnisse. Auch ihnen ge-
bühren hohe Ehrenrechte (Titulaturen, Hofstaat, Ein-
schluss in das Kirchengebet, Landestrauer), sowie nicht
minder ein besonderer strafrechtlicher Schutz ihrer Inte-
grität; auch ihnen gewährt der Staat eine angemessene
öconomische Ausstattung, sofern sie nicht schon aus den
Erträgnissen des fürstlichen Kammerguts gegeben wird
(Apanagen, Deputate, Sustentationsgelder, Aussteuern,
Witthum).8 Diese Rechte kommen jedoch nicht allen
Mitgliedern des regierenden Hauses gleichmässig zu,
sondern mehren oder mindern sich je nach der Nähe oder
Ferne des Einzelnen zum Throne, weshalb sie unter den
Agnaten dem Kronprinzen im grössten Umfange zustehen.

kömmliches" erklärt. Ganz unberechtigt ist auch, was freilich
kaum der Bemerkung bedürfen sollte, eine Argumentation, welche
aus dem Rechte der Agnaten, eine wegen körperlicher oder
geistiger Gebrechen vorhandene Regierungsunfähigkeit behufs
Einsetzung einer Regentschaft zu constatiren, -- auf ein Recht
der Agnaten schliesst, einen regierungsfähigen Monarchen
wegen schlechter Regierung abzusetzen; oder eine Argumen-
tation, welche den Agnaten das Recht giebt, den Monarchen zu
entsetzen, weil seine Regierung für die Erhaltung des Throns und
somit ihres eigenen Rechts bedenklich sei!
8 Das ältere deutsche Fürstenrecht betrachtete die Apanagen,
durch welche die älteren Paragien verdrängt worden waren, als
eine Entschädigung für die Entziehung des Mitregierungsrechts
durch Einführung der Primogenitur. Dieser Gesichtspunkt ist
jetzt, da das öffentliche Recht aus dem Rahmen des Privatfürsten-
rechts herausgetreten ist, nicht mehr der richtige; es handelt sich
jetzt nur noch um die Gewährung einer der hohen Würde der
fürstlichen Agnaten entsprechenden standesmässigen Ausstattung.
Die Ausführung im Einzelnen fällt dem Particularstaatsrechte
anheim; vergl. die Zusammenstellung bei Zachariä a. a. O. §. 94.
§. 27. Der Monarch.

Dieser ausgezeichneten öffentlichen Stellung der
Mitglieder des Regentenhauses entspricht nun eine Reihe
weiterer eigenthümlicher Befugnisse. Auch ihnen ge-
bühren hohe Ehrenrechte (Titulaturen, Hofstaat, Ein-
schluss in das Kirchengebet, Landestrauer), sowie nicht
minder ein besonderer strafrechtlicher Schutz ihrer Inte-
grität; auch ihnen gewährt der Staat eine angemessene
öconomische Ausstattung, sofern sie nicht schon aus den
Erträgnissen des fürstlichen Kammerguts gegeben wird
(Apanagen, Deputate, Sustentationsgelder, Aussteuern,
Witthum).8 Diese Rechte kommen jedoch nicht allen
Mitgliedern des regierenden Hauses gleichmässig zu,
sondern mehren oder mindern sich je nach der Nähe oder
Ferne des Einzelnen zum Throne, weshalb sie unter den
Agnaten dem Kronprinzen im grössten Umfange zustehen.

kömmliches“ erklärt. Ganz unberechtigt ist auch, was freilich
kaum der Bemerkung bedürfen sollte, eine Argumentation, welche
aus dem Rechte der Agnaten, eine wegen körperlicher oder
geistiger Gebrechen vorhandene Regierungsunfähigkeit behufs
Einsetzung einer Regentschaft zu constatiren, — auf ein Recht
der Agnaten schliesst, einen regierungsfähigen Monarchen
wegen schlechter Regierung abzusetzen; oder eine Argumen-
tation, welche den Agnaten das Recht giebt, den Monarchen zu
entsetzen, weil seine Regierung für die Erhaltung des Throns und
somit ihres eigenen Rechts bedenklich sei!
8 Das ältere deutsche Fürstenrecht betrachtete die Apanagen,
durch welche die älteren Paragien verdrängt worden waren, als
eine Entschädigung für die Entziehung des Mitregierungsrechts
durch Einführung der Primogenitur. Dieser Gesichtspunkt ist
jetzt, da das öffentliche Recht aus dem Rahmen des Privatfürsten-
rechts herausgetreten ist, nicht mehr der richtige; es handelt sich
jetzt nur noch um die Gewährung einer der hohen Würde der
fürstlichen Agnaten entsprechenden standesmässigen Ausstattung.
Die Ausführung im Einzelnen fällt dem Particularstaatsrechte
anheim; vergl. die Zusammenstellung bei Zachariä a. a. O. §. 94.
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[79/0097] §. 27. Der Monarch. Dieser ausgezeichneten öffentlichen Stellung der Mitglieder des Regentenhauses entspricht nun eine Reihe weiterer eigenthümlicher Befugnisse. Auch ihnen ge- bühren hohe Ehrenrechte (Titulaturen, Hofstaat, Ein- schluss in das Kirchengebet, Landestrauer), sowie nicht minder ein besonderer strafrechtlicher Schutz ihrer Inte- grität; auch ihnen gewährt der Staat eine angemessene öconomische Ausstattung, sofern sie nicht schon aus den Erträgnissen des fürstlichen Kammerguts gegeben wird (Apanagen, Deputate, Sustentationsgelder, Aussteuern, Witthum). 8 Diese Rechte kommen jedoch nicht allen Mitgliedern des regierenden Hauses gleichmässig zu, sondern mehren oder mindern sich je nach der Nähe oder Ferne des Einzelnen zum Throne, weshalb sie unter den Agnaten dem Kronprinzen im grössten Umfange zustehen. 7 8 Das ältere deutsche Fürstenrecht betrachtete die Apanagen, durch welche die älteren Paragien verdrängt worden waren, als eine Entschädigung für die Entziehung des Mitregierungsrechts durch Einführung der Primogenitur. Dieser Gesichtspunkt ist jetzt, da das öffentliche Recht aus dem Rahmen des Privatfürsten- rechts herausgetreten ist, nicht mehr der richtige; es handelt sich jetzt nur noch um die Gewährung einer der hohen Würde der fürstlichen Agnaten entsprechenden standesmässigen Ausstattung. Die Ausführung im Einzelnen fällt dem Particularstaatsrechte anheim; vergl. die Zusammenstellung bei Zachariä a. a. O. §. 94. 7 kömmliches“ erklärt. Ganz unberechtigt ist auch, was freilich kaum der Bemerkung bedürfen sollte, eine Argumentation, welche aus dem Rechte der Agnaten, eine wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen vorhandene Regierungsunfähigkeit behufs Einsetzung einer Regentschaft zu constatiren, — auf ein Recht der Agnaten schliesst, einen regierungsfähigen Monarchen wegen schlechter Regierung abzusetzen; oder eine Argumen- tation, welche den Agnaten das Recht giebt, den Monarchen zu entsetzen, weil seine Regierung für die Erhaltung des Throns und somit ihres eigenen Rechts bedenklich sei!

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/97>, abgerufen am 15.05.2024.