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Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898.

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9. Kapitel. Die Kampfesweise der Torpedoboote.
Sollten aber wirklich im Laufe eines Krieges die englischen Küsten
bedroht werden, so ist das Land wieder in der nicht minder
beneidenswerthen Lage, mit Hülfe seiner unzähligen Werften und
seiner hochentwickelten Industrie in kürzester Zeit Torpedoboote in
jeder beliebigen Zahl zu erbauen. Das Land darf sich auch in
dieser Beziehung nicht mit Unrecht merry old England nennen.

Der Angriff von Torpedobooten an sich ist nicht so einfach,
wie es scheinen mag. Es war schon gesagt worden, daß stets
mehrere Boote angreifen müssen und daß die Nacht ihr bester Ver-
bündeter ist.

Abgesehen von den Abwehrmitteln des Angegriffenen giebt es
hierbei noch mannigfache Schwierigkeiten zu überwinden.

Sind die Nacht und ein ungewisses Licht der unbemerkten An-
näherung dienlich, so erschweren sie andererseits das eigene Manöver
d. h. das Zusammenwirken der Boote, sie machen ein genaues
Schätzen der Entfernung und ein Zielen wenn nicht unmöglich, so
doch recht schwer, sie beeinflussen das richtige Erkennen der Fahrt
und der Fahrtrichtung des Gegners, oder des etwa herrschenden
Stromes, ganz abgesehen davon, daß sie das Finden des Gegners
überhaupt in Frage stellen können.

Denn es muß gleich hier gesagt werden, daß ein Hauptmittel zur
Vereitelung von Torpedobootsangriffen darin besteht, daß die Schiffe
vollständig abblenden, d. h. daß sie nicht das geringste Licht sehen lassen.

Hat der führende Offizier der Boote genaue Kenntniß von der
Stellung seines Gegners und der Zahl seiner Schiffe, so wird nach
bestimmten, hier nicht zu erörternden Regeln der Angriff angesetzt.

Es ist von höchstem Werthe, zu wissen, ob der Gegner in Fahrt
ist, oder ob er zu Anker liegt, und welcher Strom herrscht, wenn
Letzteres der Fall ist.

Die Boote werden gefechtsbereit, die Torpedos schußfertig
gemacht, jedes Licht wird gelöscht, jedes Geräusch vermieden, Kessel
und Maschinen sind bereit zum Aufnehmen äußerster Fahrt, der
Kommandant steht beim vorderen Thurm in unmittelbarer Nähe des
Ruders und des vordersten Ausstoßrohres, die Rohrmeister sind bereit
zum Lanziren der anderen Torpedos, das Schnellladegeschütz ist schuß-
fertig, Niedergänge, Luken und Thüren sind zugemacht, und entschlossen
geht es durch die Dunkelheit gegen den Feind.

9. Kapitel. Die Kampfesweiſe der Torpedoboote.
Sollten aber wirklich im Laufe eines Krieges die engliſchen Küſten
bedroht werden, ſo iſt das Land wieder in der nicht minder
beneidenswerthen Lage, mit Hülfe ſeiner unzähligen Werften und
ſeiner hochentwickelten Induſtrie in kürzeſter Zeit Torpedoboote in
jeder beliebigen Zahl zu erbauen. Das Land darf ſich auch in
dieſer Beziehung nicht mit Unrecht merry old England nennen.

Der Angriff von Torpedobooten an ſich iſt nicht ſo einfach,
wie es ſcheinen mag. Es war ſchon geſagt worden, daß ſtets
mehrere Boote angreifen müſſen und daß die Nacht ihr beſter Ver-
bündeter iſt.

Abgeſehen von den Abwehrmitteln des Angegriffenen giebt es
hierbei noch mannigfache Schwierigkeiten zu überwinden.

Sind die Nacht und ein ungewiſſes Licht der unbemerkten An-
näherung dienlich, ſo erſchweren ſie andererſeits das eigene Manöver
d. h. das Zuſammenwirken der Boote, ſie machen ein genaues
Schätzen der Entfernung und ein Zielen wenn nicht unmöglich, ſo
doch recht ſchwer, ſie beeinfluſſen das richtige Erkennen der Fahrt
und der Fahrtrichtung des Gegners, oder des etwa herrſchenden
Stromes, ganz abgeſehen davon, daß ſie das Finden des Gegners
überhaupt in Frage ſtellen können.

Denn es muß gleich hier geſagt werden, daß ein Hauptmittel zur
Vereitelung von Torpedobootsangriffen darin beſteht, daß die Schiffe
vollſtändig abblenden, d. h. daß ſie nicht das geringſte Licht ſehen laſſen.

Hat der führende Offizier der Boote genaue Kenntniß von der
Stellung ſeines Gegners und der Zahl ſeiner Schiffe, ſo wird nach
beſtimmten, hier nicht zu erörternden Regeln der Angriff angeſetzt.

Es iſt von höchſtem Werthe, zu wiſſen, ob der Gegner in Fahrt
iſt, oder ob er zu Anker liegt, und welcher Strom herrſcht, wenn
Letzteres der Fall iſt.

Die Boote werden gefechtsbereit, die Torpedos ſchußfertig
gemacht, jedes Licht wird gelöſcht, jedes Geräuſch vermieden, Keſſel
und Maſchinen ſind bereit zum Aufnehmen äußerſter Fahrt, der
Kommandant ſteht beim vorderen Thurm in unmittelbarer Nähe des
Ruders und des vorderſten Ausſtoßrohres, die Rohrmeiſter ſind bereit
zum Lanziren der anderen Torpedos, das Schnellladegeſchütz iſt ſchuß-
fertig, Niedergänge, Luken und Thüren ſind zugemacht, und entſchloſſen
geht es durch die Dunkelheit gegen den Feind.

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[77/0095] 9. Kapitel. Die Kampfesweiſe der Torpedoboote. Sollten aber wirklich im Laufe eines Krieges die engliſchen Küſten bedroht werden, ſo iſt das Land wieder in der nicht minder beneidenswerthen Lage, mit Hülfe ſeiner unzähligen Werften und ſeiner hochentwickelten Induſtrie in kürzeſter Zeit Torpedoboote in jeder beliebigen Zahl zu erbauen. Das Land darf ſich auch in dieſer Beziehung nicht mit Unrecht merry old England nennen. Der Angriff von Torpedobooten an ſich iſt nicht ſo einfach, wie es ſcheinen mag. Es war ſchon geſagt worden, daß ſtets mehrere Boote angreifen müſſen und daß die Nacht ihr beſter Ver- bündeter iſt. Abgeſehen von den Abwehrmitteln des Angegriffenen giebt es hierbei noch mannigfache Schwierigkeiten zu überwinden. Sind die Nacht und ein ungewiſſes Licht der unbemerkten An- näherung dienlich, ſo erſchweren ſie andererſeits das eigene Manöver d. h. das Zuſammenwirken der Boote, ſie machen ein genaues Schätzen der Entfernung und ein Zielen wenn nicht unmöglich, ſo doch recht ſchwer, ſie beeinfluſſen das richtige Erkennen der Fahrt und der Fahrtrichtung des Gegners, oder des etwa herrſchenden Stromes, ganz abgeſehen davon, daß ſie das Finden des Gegners überhaupt in Frage ſtellen können. Denn es muß gleich hier geſagt werden, daß ein Hauptmittel zur Vereitelung von Torpedobootsangriffen darin beſteht, daß die Schiffe vollſtändig abblenden, d. h. daß ſie nicht das geringſte Licht ſehen laſſen. Hat der führende Offizier der Boote genaue Kenntniß von der Stellung ſeines Gegners und der Zahl ſeiner Schiffe, ſo wird nach beſtimmten, hier nicht zu erörternden Regeln der Angriff angeſetzt. Es iſt von höchſtem Werthe, zu wiſſen, ob der Gegner in Fahrt iſt, oder ob er zu Anker liegt, und welcher Strom herrſcht, wenn Letzteres der Fall iſt. Die Boote werden gefechtsbereit, die Torpedos ſchußfertig gemacht, jedes Licht wird gelöſcht, jedes Geräuſch vermieden, Keſſel und Maſchinen ſind bereit zum Aufnehmen äußerſter Fahrt, der Kommandant ſteht beim vorderen Thurm in unmittelbarer Nähe des Ruders und des vorderſten Ausſtoßrohres, die Rohrmeiſter ſind bereit zum Lanziren der anderen Torpedos, das Schnellladegeſchütz iſt ſchuß- fertig, Niedergänge, Luken und Thüren ſind zugemacht, und entſchloſſen geht es durch die Dunkelheit gegen den Feind.

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Zitationshilfe: Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gercke_torpedowaffe_1898/95>, abgerufen am 30.04.2024.