Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.sich wirklich ernsthaft und ausdauernd der Eingeborenen annimmt, auch für sie zu guten Hoffnungen berechtigt. Was wir von Neuseeland zu berichten haben (nach Hochstetter 482-497) ist noch merkwürdiger. Gegen den Einfluss der Fremden bildete sich eine Nationalpartei unter den Eingeborenen, welche, da sie Gott ebenso nah ständen als die Weissen, mit diesen gleiche soziale und politische Rechte verlangten. 1857 erwählten die Maoris, von diesen Gesichtspunkten ausgehend, einen König, den als Krieger und Redner berühmten Potatau, der sich den zweiten Friedenskönig nach Melchisedek nannte, sich thatkräftige Häuptlinge, so vor allen den Maori William Thompson aus dem Stamm der Ngatihua, als Minister auswählte, und seinen Herrschersitz zu Ngaruawahia, an der Hauptwasserstrasse ins Innere, an den Thoren von Aukland in vortrefflich ausgesuchter Lage nahm. Die Grundprinzipien des Königthums sollten Glaube, Liebe und Gesetzlichkeit sein. Man beschwerte sich bitter über die englische Regierung, welche sich gar nicht um die Maoris kümmere, die Häuptlinge nicht standesgemäß behandele, zwar Protokolle über ihr Aussterben führe, aber nichts dagegen thue; man habe die eingeführten Waaren mit ungerechten Abgaben gedrückt, indem z. B. wollene Decken nach dem Gewicht wie Seide und Spitzen versteuert würden; Munition und Waffen verkaufe man ihnen gar nicht, um so lieber aber Spirituosen. Und zu dem Allen benähmen sich die Europäer so hochmüthig und grob! Diese Nationalpartei, welche sehr beredte Agenten im Lande umherschickte, fand überall rasch Anhänger; auch die Weiber und Mädchen theilten ihre Gesinnungen. Freiwillige Abgaben für den König flössen regelmässig und reichlich und dieser schlichtete zu Ngaruawahia alle Streitigkeiten der Eingeborenen, trieb auch von den unter ihnen lebenden Europäern Abgaben ein und legte einen Zoll auf die an seiner Stadt vorbeipassirenden europäischen Schiffe; sein Einfluss war bald so gross, dass sich auch die Missionäre, wenn sie etwas gegen einen Maori vorzubringen hatten, an ihn wandten. Aehnliche Ziele hatte die Landligue, eine Vereinigung der Maorifürsten, um den Landverkauf zu verhüten, welchen die einheimische Regierung äusserst ungern sah. Es war klar, dass die Kolonialverwaltung durch diese selbständige Entwickelung, namentlich aber durch die Beschränkung der Landkäufe, welche, um gültig zu sein, erst die Bestätigung des Maorikönigs nach der Auffassung der Eingeborenen bedurften, in arge Verlegenheit kommen musste. Daher erkannte denn England diese Beschränkung des Landverkaufs durch die Maorigesetze nicht an und so musste es zum gewaltsamen Zusammenstoss kommen. Dies geschah unter Potatau II., dem Sohne Potataus I.; den 17. März 1860 begann der Krieg, in welchem die Maoris sich nicht nur ausserordentlich tapfer, sondern auch so umsichtig bewiesen, dass sie den Engländern empfindliche Niederlagen beibrachten. Der Nationalpartei sich wirklich ernsthaft und ausdauernd der Eingeborenen annimmt, auch für sie zu guten Hoffnungen berechtigt. Was wir von Neuseeland zu berichten haben (nach Hochstetter 482-497) ist noch merkwürdiger. Gegen den Einfluss der Fremden bildete sich eine Nationalpartei unter den Eingeborenen, welche, da sie Gott ebenso nah ständen als die Weissen, mit diesen gleiche soziale und politische Rechte verlangten. 1857 erwählten die Maoris, von diesen Gesichtspunkten ausgehend, einen König, den als Krieger und Redner berühmten Potatau, der sich den zweiten Friedenskönig nach Melchisedek nannte, sich thatkräftige Häuptlinge, so vor allen den Maori William Thompson aus dem Stamm der Ngatihua, als Minister auswählte, und seinen Herrschersitz zu Ngaruawahia, an der Hauptwasserstrasse ins Innere, an den Thoren von Aukland in vortrefflich ausgesuchter Lage nahm. Die Grundprinzipien des Königthums sollten Glaube, Liebe und Gesetzlichkeit sein. Man beschwerte sich bitter über die englische Regierung, welche sich gar nicht um die Maoris kümmere, die Häuptlinge nicht standesgemäß behandele, zwar Protokolle über ihr Aussterben führe, aber nichts dagegen thue; man habe die eingeführten Waaren mit ungerechten Abgaben gedrückt, indem z. B. wollene Decken nach dem Gewicht wie Seide und Spitzen versteuert würden; Munition und Waffen verkaufe man ihnen gar nicht, um so lieber aber Spirituosen. Und zu dem Allen benähmen sich die Europäer so hochmüthig und grob! Diese Nationalpartei, welche sehr beredte Agenten im Lande umherschickte, fand überall rasch Anhänger; auch die Weiber und Mädchen theilten ihre Gesinnungen. Freiwillige Abgaben für den König flössen regelmässig und reichlich und dieser schlichtete zu Ngaruawahia alle Streitigkeiten der Eingeborenen, trieb auch von den unter ihnen lebenden Europäern Abgaben ein und legte einen Zoll auf die an seiner Stadt vorbeipassirenden europäischen Schiffe; sein Einfluss war bald so gross, dass sich auch die Missionäre, wenn sie etwas gegen einen Maori vorzubringen hatten, an ihn wandten. Aehnliche Ziele hatte die Landligue, eine Vereinigung der Maorifürsten, um den Landverkauf zu verhüten, welchen die einheimische Regierung äusserst ungern sah. Es war klar, dass die Kolonialverwaltung durch diese selbständige Entwickelung, namentlich aber durch die Beschränkung der Landkäufe, welche, um gültig zu sein, erst die Bestätigung des Maorikönigs nach der Auffassung der Eingeborenen bedurften, in arge Verlegenheit kommen musste. Daher erkannte denn England diese Beschränkung des Landverkaufs durch die Maorigesetze nicht an und so musste es zum gewaltsamen Zusammenstoss kommen. Dies geschah unter Potatau II., dem Sohne Potataus I.; den 17. März 1860 begann der Krieg, in welchem die Maoris sich nicht nur ausserordentlich tapfer, sondern auch so umsichtig bewiesen, dass sie den Engländern empfindliche Niederlagen beibrachten. Der Nationalpartei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0141"/> sich wirklich ernsthaft und ausdauernd der Eingeborenen annimmt, auch für sie zu guten Hoffnungen berechtigt.</p> <p>Was wir von Neuseeland zu berichten haben (nach Hochstetter 482-497) ist noch merkwürdiger. Gegen den Einfluss der Fremden bildete sich eine Nationalpartei unter den Eingeborenen, welche, da sie Gott ebenso nah ständen als die Weissen, mit diesen gleiche soziale und politische Rechte verlangten. 1857 erwählten die Maoris, von diesen Gesichtspunkten ausgehend, einen König, den als Krieger und Redner berühmten Potatau, der sich den zweiten Friedenskönig nach Melchisedek nannte, sich thatkräftige Häuptlinge, so vor allen den Maori William Thompson aus dem Stamm der Ngatihua, als Minister auswählte, und seinen Herrschersitz zu Ngaruawahia, an der Hauptwasserstrasse ins Innere, an den Thoren von Aukland in vortrefflich ausgesuchter Lage nahm. Die Grundprinzipien des Königthums sollten Glaube, Liebe und Gesetzlichkeit sein. Man beschwerte sich bitter über die englische Regierung, welche sich gar nicht um die Maoris kümmere, die Häuptlinge nicht standesgemäß behandele, zwar Protokolle über ihr Aussterben führe, aber nichts dagegen thue; man habe die eingeführten Waaren mit ungerechten Abgaben gedrückt, indem z. B. wollene Decken nach dem Gewicht wie Seide und Spitzen versteuert würden; Munition und Waffen verkaufe man ihnen gar nicht, um so lieber aber Spirituosen. Und zu dem Allen benähmen sich die Europäer so hochmüthig und grob! Diese Nationalpartei, welche sehr beredte Agenten im Lande umherschickte, fand überall rasch Anhänger; auch die Weiber und Mädchen theilten ihre Gesinnungen. Freiwillige Abgaben für den König flössen regelmässig und reichlich und dieser schlichtete zu Ngaruawahia alle Streitigkeiten der Eingeborenen, trieb auch von den unter ihnen lebenden Europäern Abgaben ein und legte einen Zoll auf die an seiner Stadt vorbeipassirenden europäischen Schiffe; sein Einfluss war bald so gross, dass sich auch die Missionäre, wenn sie etwas gegen einen Maori vorzubringen hatten, an ihn wandten. Aehnliche Ziele hatte die Landligue, eine Vereinigung der Maorifürsten, um den Landverkauf zu verhüten, welchen die einheimische Regierung äusserst ungern sah. Es war klar, dass die Kolonialverwaltung durch diese selbständige Entwickelung, namentlich aber durch die Beschränkung der Landkäufe, welche, um gültig zu sein, erst die Bestätigung des Maorikönigs nach der Auffassung der Eingeborenen bedurften, in arge Verlegenheit kommen musste. Daher erkannte denn England diese Beschränkung des Landverkaufs durch die Maorigesetze nicht an und so musste es zum gewaltsamen Zusammenstoss kommen. Dies geschah unter Potatau II., dem Sohne Potataus I.; den 17. März 1860 begann der Krieg, in welchem die Maoris sich nicht nur ausserordentlich tapfer, sondern auch so umsichtig bewiesen, dass sie den Engländern empfindliche Niederlagen beibrachten. Der Nationalpartei </p> </div> </body> </text> </TEI> [0141]
sich wirklich ernsthaft und ausdauernd der Eingeborenen annimmt, auch für sie zu guten Hoffnungen berechtigt.
Was wir von Neuseeland zu berichten haben (nach Hochstetter 482-497) ist noch merkwürdiger. Gegen den Einfluss der Fremden bildete sich eine Nationalpartei unter den Eingeborenen, welche, da sie Gott ebenso nah ständen als die Weissen, mit diesen gleiche soziale und politische Rechte verlangten. 1857 erwählten die Maoris, von diesen Gesichtspunkten ausgehend, einen König, den als Krieger und Redner berühmten Potatau, der sich den zweiten Friedenskönig nach Melchisedek nannte, sich thatkräftige Häuptlinge, so vor allen den Maori William Thompson aus dem Stamm der Ngatihua, als Minister auswählte, und seinen Herrschersitz zu Ngaruawahia, an der Hauptwasserstrasse ins Innere, an den Thoren von Aukland in vortrefflich ausgesuchter Lage nahm. Die Grundprinzipien des Königthums sollten Glaube, Liebe und Gesetzlichkeit sein. Man beschwerte sich bitter über die englische Regierung, welche sich gar nicht um die Maoris kümmere, die Häuptlinge nicht standesgemäß behandele, zwar Protokolle über ihr Aussterben führe, aber nichts dagegen thue; man habe die eingeführten Waaren mit ungerechten Abgaben gedrückt, indem z. B. wollene Decken nach dem Gewicht wie Seide und Spitzen versteuert würden; Munition und Waffen verkaufe man ihnen gar nicht, um so lieber aber Spirituosen. Und zu dem Allen benähmen sich die Europäer so hochmüthig und grob! Diese Nationalpartei, welche sehr beredte Agenten im Lande umherschickte, fand überall rasch Anhänger; auch die Weiber und Mädchen theilten ihre Gesinnungen. Freiwillige Abgaben für den König flössen regelmässig und reichlich und dieser schlichtete zu Ngaruawahia alle Streitigkeiten der Eingeborenen, trieb auch von den unter ihnen lebenden Europäern Abgaben ein und legte einen Zoll auf die an seiner Stadt vorbeipassirenden europäischen Schiffe; sein Einfluss war bald so gross, dass sich auch die Missionäre, wenn sie etwas gegen einen Maori vorzubringen hatten, an ihn wandten. Aehnliche Ziele hatte die Landligue, eine Vereinigung der Maorifürsten, um den Landverkauf zu verhüten, welchen die einheimische Regierung äusserst ungern sah. Es war klar, dass die Kolonialverwaltung durch diese selbständige Entwickelung, namentlich aber durch die Beschränkung der Landkäufe, welche, um gültig zu sein, erst die Bestätigung des Maorikönigs nach der Auffassung der Eingeborenen bedurften, in arge Verlegenheit kommen musste. Daher erkannte denn England diese Beschränkung des Landverkaufs durch die Maorigesetze nicht an und so musste es zum gewaltsamen Zusammenstoss kommen. Dies geschah unter Potatau II., dem Sohne Potataus I.; den 17. März 1860 begann der Krieg, in welchem die Maoris sich nicht nur ausserordentlich tapfer, sondern auch so umsichtig bewiesen, dass sie den Engländern empfindliche Niederlagen beibrachten. Der Nationalpartei
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/141 |
Zitationshilfe: | Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/141>, abgerufen am 17.06.2024. |