Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

die Sonne wich, die schöne Chloe mir die ersten
Küsse gab; hier standst du und seufztest, als mei-
ne zitternden Arme dich umschlangen, als meine
stokende Stimme meine Liebe dir sagte, und mein
pochendes Herz und meine Thränen im Aug.
O da Chloe! da entsank dein Hirten-Stab der
zitternden Hand, da sankst du an meine bebende
Brust; Lycas! so stammeltest du, o Lycas! ich
liebe dich! Ihr stillen Büsche, ihr einsamen Quel-
len seyd Zeugen, euch hab ich meine Liebe ge-
klagt, und ihr, ihr Blumen, ihr tranket meine
Thränen wie Thau!

O Chloe wie bin ich entzükt! welch unaus-
sprechliches Glük ist die Liebe! hier dieser Ort
sey der Liebe geheiligt! Ich will um die Ulme
her Rosen-Stauden pflanzen, und die schlanke
Waldwinde soll sich an ihrem Stamm hoch hin-
auf schlingen, mit den weissen Purpur-gestreiften
Blumen geschmükt; ich will hieher den ganzen
Frühling sammeln; die schöne Saat-Rose will

die Sonne wich, die ſchöne Chloe mir die erſten
Küſſe gab; hier ſtandſt du und ſeufzteſt, als mei-
ne zitternden Arme dich umſchlangen, als meine
ſtokende Stimme meine Liebe dir ſagte, und mein
pochendes Herz und meine Thränen im Aug.
O da Chloe! da entſank dein Hirten-Stab der
zitternden Hand, da ſankſt du an meine bebende
Bruſt; Lycas! ſo ſtammelteſt du, o Lycas! ich
liebe dich! Ihr ſtillen Büſche, ihr einſamen Quel-
len ſeyd Zeugen, euch hab ich meine Liebe ge-
klagt, und ihr, ihr Blumen, ihr tranket meine
Thränen wie Thau!

O Chloe wie bin ich entzükt! welch unaus-
ſprechliches Glük iſt die Liebe! hier dieſer Ort
ſey der Liebe geheiligt! Ich will um die Ulme
her Roſen-Stauden pflanzen, und die ſchlanke
Waldwinde ſoll ſich an ihrem Stamm hoch hin-
auf ſchlingen, mit den weiſſen Purpur-geſtreiften
Blumen geſchmükt; ich will hieher den ganzen
Frühling ſammeln; die ſchöne Saat-Roſe will

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0064" n="59"/>
die Sonne wich, die &#x017F;chöne Chloe mir die er&#x017F;ten<lb/>&#x017F;&#x017F;e gab; hier &#x017F;tand&#x017F;t du und &#x017F;eufzte&#x017F;t, als mei-<lb/>
ne zitternden Arme dich um&#x017F;chlangen, als meine<lb/>
&#x017F;tokende Stimme meine Liebe dir &#x017F;agte, und mein<lb/>
pochendes Herz und meine Thränen im Aug.<lb/>
O da Chloe! da ent&#x017F;ank dein Hirten-Stab der<lb/>
zitternden Hand, da &#x017F;ank&#x017F;t du an meine bebende<lb/>
Bru&#x017F;t; Lycas! &#x017F;o &#x017F;tammelte&#x017F;t du, o Lycas! ich<lb/>
liebe dich! Ihr &#x017F;tillen Bü&#x017F;che, ihr ein&#x017F;amen Quel-<lb/>
len &#x017F;eyd Zeugen, euch hab ich meine Liebe ge-<lb/>
klagt, und ihr, ihr Blumen, ihr tranket meine<lb/>
Thränen wie Thau!</p><lb/>
        <p>O Chloe wie bin ich entzükt! welch unaus-<lb/>
&#x017F;prechliches Glük i&#x017F;t die Liebe! hier die&#x017F;er Ort<lb/>
&#x017F;ey der Liebe geheiligt! Ich will um die Ulme<lb/>
her Ro&#x017F;en-Stauden pflanzen, und die &#x017F;chlanke<lb/>
Waldwinde &#x017F;oll &#x017F;ich an ihrem Stamm hoch hin-<lb/>
auf &#x017F;chlingen, mit den wei&#x017F;&#x017F;en Purpur-ge&#x017F;treiften<lb/>
Blumen ge&#x017F;chmükt; ich will hieher den ganzen<lb/>
Frühling &#x017F;ammeln; die &#x017F;chöne Saat-Ro&#x017F;e will<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0064] die Sonne wich, die ſchöne Chloe mir die erſten Küſſe gab; hier ſtandſt du und ſeufzteſt, als mei- ne zitternden Arme dich umſchlangen, als meine ſtokende Stimme meine Liebe dir ſagte, und mein pochendes Herz und meine Thränen im Aug. O da Chloe! da entſank dein Hirten-Stab der zitternden Hand, da ſankſt du an meine bebende Bruſt; Lycas! ſo ſtammelteſt du, o Lycas! ich liebe dich! Ihr ſtillen Büſche, ihr einſamen Quel- len ſeyd Zeugen, euch hab ich meine Liebe ge- klagt, und ihr, ihr Blumen, ihr tranket meine Thränen wie Thau! O Chloe wie bin ich entzükt! welch unaus- ſprechliches Glük iſt die Liebe! hier dieſer Ort ſey der Liebe geheiligt! Ich will um die Ulme her Roſen-Stauden pflanzen, und die ſchlanke Waldwinde ſoll ſich an ihrem Stamm hoch hin- auf ſchlingen, mit den weiſſen Purpur-geſtreiften Blumen geſchmükt; ich will hieher den ganzen Frühling ſammeln; die ſchöne Saat-Roſe will

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/64
Zitationshilfe: [Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/64>, abgerufen am 29.04.2024.