können. Doch hat eine zu starke Einbildung der Aehnlichkeit der Thiere mit den Gewäch- sen, just, wo sie nicht ist, und eine übertriebe- ne Vergleichung des verschiedenen innern Baues der zur Befruchtung dienlichen Werkzeuge von beyderley Geschöpfen, manche so weit verleitet, daß sie sich selbst hintergehen müssen. Durch Schlüsse haben etliche mehr Wahrheiten zu entde- cken geglaubet, als durch selbst eigene Beobachtun- gen, allein ihre gemachte einzelne Erfahrungen nach ihren Sätzen haben sich dabey sehr schlecht be- stätigen wollen, weil sie damit mehr zu voreilig, als bedächtig und mühsam genug, zu Werke gegan- gen sind. Was Wunder kann es also seyn, wenn die auf so ungewissen Gründen nur allzu frühzeitig errichteten Lehrgebäude von schlechter Dauer seyn werden. Die Absicht gegenwärtiger Abhandlung mag also vornehmlich dahin gerichtet seyn, etliche hierher gehörige Hauptgrundsätze kürzlich zu prü- fen, zu erklären, auch durch richtige Erfahrungen zu bestätigen, alsdenn aber deren Zusammenhang deutlicher zu zeigen, und auf solche Weise etliche Hauptlücken, in dem Lehrgebäude der Pflanzenbe- fruchtung, so gut als möglich auszufüllen.
Der Blumen- oder Saamenstaub, oder das Blumenmehl, pulvis et pollen antherarum, ist ein feines Pulver, welches in einigen dazu bestimm- ten Theilen der Blumen erzeuget wird, und bey je- der natürlichen Pflanzenart und deren Abänderun-
gen
koͤnnen. Doch hat eine zu ſtarke Einbildung der Aehnlichkeit der Thiere mit den Gewaͤch- ſen, juſt, wo ſie nicht iſt, und eine uͤbertriebe- ne Vergleichung des verſchiedenen innern Baues der zur Befruchtung dienlichen Werkzeuge von beyderley Geſchoͤpfen, manche ſo weit verleitet, daß ſie ſich ſelbſt hintergehen muͤſſen. Durch Schluͤſſe haben etliche mehr Wahrheiten zu entde- cken geglaubet, als durch ſelbſt eigene Beobachtun- gen, allein ihre gemachte einzelne Erfahrungen nach ihren Saͤtzen haben ſich dabey ſehr ſchlecht be- ſtaͤtigen wollen, weil ſie damit mehr zu voreilig, als bedaͤchtig und muͤhſam genug, zu Werke gegan- gen ſind. Was Wunder kann es alſo ſeyn, wenn die auf ſo ungewiſſen Gruͤnden nur allzu fruͤhzeitig errichteten Lehrgebaͤude von ſchlechter Dauer ſeyn werden. Die Abſicht gegenwaͤrtiger Abhandlung mag alſo vornehmlich dahin gerichtet ſeyn, etliche hierher gehoͤrige Hauptgrundſaͤtze kuͤrzlich zu pruͤ- fen, zu erklaͤren, auch durch richtige Erfahrungen zu beſtaͤtigen, alsdenn aber deren Zuſammenhang deutlicher zu zeigen, und auf ſolche Weiſe etliche Hauptluͤcken, in dem Lehrgebaͤude der Pflanzenbe- fruchtung, ſo gut als moͤglich auszufuͤllen.
Der Blumen- oder Saamenſtaub, oder das Blumenmehl, pulvis et pollen antherarum, iſt ein feines Pulver, welches in einigen dazu beſtimm- ten Theilen der Blumen erzeuget wird, und bey je- der natuͤrlichen Pflanzenart und deren Abaͤnderun-
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koͤnnen. Doch hat eine zu ſtarke Einbildung
der Aehnlichkeit der Thiere mit den Gewaͤch-
ſen, juſt, wo ſie nicht iſt, und eine uͤbertriebe-
ne Vergleichung des verſchiedenen innern Baues
der zur Befruchtung dienlichen Werkzeuge von
beyderley Geſchoͤpfen, manche ſo weit verleitet,
daß ſie ſich ſelbſt hintergehen muͤſſen. Durch
Schluͤſſe haben etliche mehr Wahrheiten zu entde-
cken geglaubet, als durch ſelbſt eigene Beobachtun-
gen, allein ihre gemachte einzelne Erfahrungen
nach ihren Saͤtzen haben ſich dabey ſehr ſchlecht be-
ſtaͤtigen wollen, weil ſie damit mehr zu voreilig,
als bedaͤchtig und muͤhſam genug, zu Werke gegan-
gen ſind. Was Wunder kann es alſo ſeyn, wenn
die auf ſo ungewiſſen Gruͤnden nur allzu fruͤhzeitig
errichteten Lehrgebaͤude von ſchlechter Dauer ſeyn
werden. Die Abſicht gegenwaͤrtiger Abhandlung
mag alſo vornehmlich dahin gerichtet ſeyn, etliche
hierher gehoͤrige Hauptgrundſaͤtze kuͤrzlich zu pruͤ-
fen, zu erklaͤren, auch durch richtige Erfahrungen
zu beſtaͤtigen, alsdenn aber deren Zuſammenhang
deutlicher zu zeigen, und auf ſolche Weiſe etliche
Hauptluͤcken, in dem Lehrgebaͤude der Pflanzenbe-
fruchtung, ſo gut als moͤglich auszufuͤllen.
Der Blumen- oder Saamenſtaub, oder das
Blumenmehl, pulvis et pollen antherarum, iſt
ein feines Pulver, welches in einigen dazu beſtimm-
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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische Abhandlungen. Bd. 1. Berlin, 1789, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789/158>, abgerufen am 27.07.2024.
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