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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
auxilio Praetoris opus est; wie Ios. averanius
in Interpretat. iuris Lib. I. c. 14. n. 24. et
25. die-
ses erklärt hat. Zuletzt scheinen noch

14) die alten Römischen Juristen eine ganz eigene
Bedeutung mit dem Wort ius verbunden zu haben,
wenn sie sich öfters des Ausdrucks bedienen, daß etwas
mehr in facto als in iure bestehe, oder sonst ius und
factum einander entgegensetzen. Wir finden solche Re-
densarten in verschiedenen Stellen unserer Pandecten,
wovon ich einige als Beispiele anführen will. Wenn
Herennius Modestinus in L. 10. D. de capite mi-
nutis,
welches Fragment aus dem achten Buch seiner
Differentiarum genommen ist, beweisen will, daß
das Vermächtniß der Habitation zwar, wie das Ver-
mächtniß jährlicher oder monatlicher Einkünfte, mit dem
Tode des Legatars sich endige, aber keines derselben
durch etwa erlittene Kapitisdeminution des Legatars ver-
lohren werde, sondern, derselben ohngeachtet, noch im-
mer fortdauere, so führt er den Grund an: quia tale
legatum in facto potius, quam in iure, consistit.

Paulus L. 27. §. 2. D. de pactis: drukt sich fast
auf die nehmliche Art aus: In stipulationibus ius con-
tinetur, in pactis factum versatur.
So sagt ferner
Ulpian L. 41. D. de peculio: Nec servus quicquam
debere potest, nec servo potest deberi. Sed cum
eo verbo abutimur, factum magis demonstramus,
quam ad ius civile referimus obligationem.
Man
findet in denen Römischen Gesetzbüchern noch mehrere
Stellen, in welchen ius und factum einander entgegen.
gesetzet werden. Vergleiche L. 48. §. 1. D. de acquir.
rer. dominio, L.
38. §. 6. D. de verbor. obligat.

u. a. m. Es frägt sich also, in was für einer Bedeu-
tung das Wort ius in diesen Stellen der Pandecten von

denen

de Iuſtitia et Iure.
auxilio Praetoris opus eſt; wie Ioſ. averanius
in Interpretat. iuris Lib. I. c. 14. n. 24. et
25. die-
ſes erklaͤrt hat. Zuletzt ſcheinen noch

14) die alten Roͤmiſchen Juriſten eine ganz eigene
Bedeutung mit dem Wort ius verbunden zu haben,
wenn ſie ſich oͤfters des Ausdrucks bedienen, daß etwas
mehr in facto als in iure beſtehe, oder ſonſt ius und
factum einander entgegenſetzen. Wir finden ſolche Re-
densarten in verſchiedenen Stellen unſerer Pandecten,
wovon ich einige als Beiſpiele anfuͤhren will. Wenn
Herennius Modeſtinus in L. 10. D. de capite mi-
nutis,
welches Fragment aus dem achten Buch ſeiner
Differentiarum genommen iſt, beweiſen will, daß
das Vermaͤchtniß der Habitation zwar, wie das Ver-
maͤchtniß jaͤhrlicher oder monatlicher Einkuͤnfte, mit dem
Tode des Legatars ſich endige, aber keines derſelben
durch etwa erlittene Kapitisdeminution des Legatars ver-
lohren werde, ſondern, derſelben ohngeachtet, noch im-
mer fortdauere, ſo fuͤhrt er den Grund an: quia tale
legatum in facto potius, quam in iure, conſiſtit.

Paulus L. 27. §. 2. D. de pactis: drukt ſich faſt
auf die nehmliche Art aus: In ſtipulationibus ius con-
tinetur, in pactis factum verſatur.
So ſagt ferner
Ulpian L. 41. D. de peculio: Nec ſervus quicquam
debere poteſt, nec ſervo poteſt deberi. Sed cum
eo verbo abutimur, factum magis demonſtramus,
quam ad ius civile referimus obligationem.
Man
findet in denen Roͤmiſchen Geſetzbuͤchern noch mehrere
Stellen, in welchen ius und factum einander entgegen.
geſetzet werden. Vergleiche L. 48. §. 1. D. de acquir.
rer. dominio, L.
38. §. 6. D. de verbor. obligat.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/31>, abgerufen am 26.04.2024.