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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 5. Tit. §. 128.
weil sich dieselbe auf das Agnationsrecht gründete, so
auch durch die geringe Capitisdeminution verlohren gieng.
Dies ist die Ursach, warum der Titel von der Capitis-
deminution in den Institutionen in die Lehre von der
Vormundschaft mit eingeschoben worden.

Gewissermaßen ist diese Lehre auch noch heutiges Ta-
ges anwendbar. Capitis deminutio maxima kann in
den Gegenden Teutschlands allerdings vorkommen, wo
die Leibeigenschaft herrscht. Zwar sind unsere Leibeigene
von römischen Sclaven sehr verschieden, allein es wird
mir doch ein jeder zugeben, daß ein Mensch seine Frey-
heit verliehre, wenn er in die Leibeigenschaft geräth 17).
Man rechnet auch hierher, wenn ein Mensch auf Lebens-
lang zum Vestungsbau, oder Zuchthause verurtheilt
worden. Denn auch dadurch geht die bürgerliche Frey-
heit unstreitig verlohren; obgleich freylich auch hier die
Wirkungen der römischen capitis deminutionis maxi-
mae
nicht eintreten können, weil eine römische Sclave-
rey in Teutschland nicht statt findet. Soviel nun die
capitis deminutio media anbelangt, so läßt sich diese
zwar heutiges Tages noch als möglich denken 18), in so-

fern
Attieae p. 507. u. a. m. zu verweisen, welche Hr. G.J.R.
Walch in den Anmerkungen über eckhardi Hermenevt. iuris
S. 61. schon angeführt hat. Die beste Erklärung unter al-
len giebt der Scholiast über die Vasiliken. Dieser verstehet
unter personis in alieno iure pofitis diejenigen, quae remanse-
runt in potestate usque ad mortem patris.
Denn daß ius für
potestas genommen werde, ist bekannt. Nach dieser Erklärung
sind also personae in alieno iure positae keine andern, als ad-
gnati proximi non emancipati:
so wie es auch conradi ver-
steht in Parergis pag. 191.
17) leyser in Meditat. ad Pandect. Spec. LXII. med. 2.
18) Einer andern Meinung ist Frid. Ulr. pestel Exercit. ex-
hibens usum practicum capitis deminutionis mediae. Rintelii

1733.

1. Buch. 5. Tit. §. 128.
weil ſich dieſelbe auf das Agnationsrecht gruͤndete, ſo
auch durch die geringe Capitisdeminution verlohren gieng.
Dies iſt die Urſach, warum der Titel von der Capitis-
deminution in den Inſtitutionen in die Lehre von der
Vormundſchaft mit eingeſchoben worden.

Gewiſſermaßen iſt dieſe Lehre auch noch heutiges Ta-
ges anwendbar. Capitis deminutio maxima kann in
den Gegenden Teutſchlands allerdings vorkommen, wo
die Leibeigenſchaft herrſcht. Zwar ſind unſere Leibeigene
von roͤmiſchen Sclaven ſehr verſchieden, allein es wird
mir doch ein jeder zugeben, daß ein Menſch ſeine Frey-
heit verliehre, wenn er in die Leibeigenſchaft geraͤth 17).
Man rechnet auch hierher, wenn ein Menſch auf Lebens-
lang zum Veſtungsbau, oder Zuchthauſe verurtheilt
worden. Denn auch dadurch geht die buͤrgerliche Frey-
heit unſtreitig verlohren; obgleich freylich auch hier die
Wirkungen der roͤmiſchen capitis deminutionis maxi-
mae
nicht eintreten koͤnnen, weil eine roͤmiſche Sclave-
rey in Teutſchland nicht ſtatt findet. Soviel nun die
capitis deminutio media anbelangt, ſo laͤßt ſich dieſe
zwar heutiges Tages noch als moͤglich denken 18), in ſo-

fern
Attieae p. 507. u. a. m. zu verweiſen, welche Hr. G.J.R.
Walch in den Anmerkungen uͤber eckhardi Hermenevt. iuris
S. 61. ſchon angefuͤhrt hat. Die beſte Erklaͤrung unter al-
len giebt der Scholiaſt uͤber die Vaſiliken. Dieſer verſtehet
unter perſonis in alieno iure pofitis diejenigen, quae remanſe-
runt in poteſtate uſque ad mortem patris.
Denn daß ius fuͤr
poteſtas genommen werde, iſt bekannt. Nach dieſer Erklaͤrung
ſind alſo perſonae in alieno iure poſitae keine andern, als ad-
gnati proximi non emancipati:
ſo wie es auch conradi ver-
ſteht in Parergis pag. 191.
17) leyser in Meditat. ad Pandect. Spec. LXII. med. 2.
18) Einer andern Meinung iſt Frid. Ulr. pestel Exercit. ex-
hibens uſum practicum capitis deminutionis mediae. Rintelii

1733.
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[178/0192] 1. Buch. 5. Tit. §. 128. weil ſich dieſelbe auf das Agnationsrecht gruͤndete, ſo auch durch die geringe Capitisdeminution verlohren gieng. Dies iſt die Urſach, warum der Titel von der Capitis- deminution in den Inſtitutionen in die Lehre von der Vormundſchaft mit eingeſchoben worden. Gewiſſermaßen iſt dieſe Lehre auch noch heutiges Ta- ges anwendbar. Capitis deminutio maxima kann in den Gegenden Teutſchlands allerdings vorkommen, wo die Leibeigenſchaft herrſcht. Zwar ſind unſere Leibeigene von roͤmiſchen Sclaven ſehr verſchieden, allein es wird mir doch ein jeder zugeben, daß ein Menſch ſeine Frey- heit verliehre, wenn er in die Leibeigenſchaft geraͤth 17). Man rechnet auch hierher, wenn ein Menſch auf Lebens- lang zum Veſtungsbau, oder Zuchthauſe verurtheilt worden. Denn auch dadurch geht die buͤrgerliche Frey- heit unſtreitig verlohren; obgleich freylich auch hier die Wirkungen der roͤmiſchen capitis deminutionis maxi- mae nicht eintreten koͤnnen, weil eine roͤmiſche Sclave- rey in Teutſchland nicht ſtatt findet. Soviel nun die capitis deminutio media anbelangt, ſo laͤßt ſich dieſe zwar heutiges Tages noch als moͤglich denken 18), in ſo- fern 16) 17) leyser in Meditat. ad Pandect. Spec. LXII. med. 2. 18) Einer andern Meinung iſt Frid. Ulr. pestel Exercit. ex- hibens uſum practicum capitis deminutionis mediae. Rintelii 1733. 16) Attieae p. 507. u. a. m. zu verweiſen, welche Hr. G.J.R. Walch in den Anmerkungen uͤber eckhardi Hermenevt. iuris S. 61. ſchon angefuͤhrt hat. Die beſte Erklaͤrung unter al- len giebt der Scholiaſt uͤber die Vaſiliken. Dieſer verſtehet unter perſonis in alieno iure pofitis diejenigen, quae remanſe- runt in poteſtate uſque ad mortem patris. Denn daß ius fuͤr poteſtas genommen werde, iſt bekannt. Nach dieſer Erklaͤrung ſind alſo perſonae in alieno iure poſitae keine andern, als ad- gnati proximi non emancipati: ſo wie es auch conradi ver- ſteht in Parergis pag. 191.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/192>, abgerufen am 29.04.2024.