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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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De his, qui sui vel alieni iuris sunt.
hung seiner Wirkungen ist 45), so wenig treffen wir je-
doch davon irgendwo in den Gesetzen eine deutliche und
gewisse Bestimmung an. Kein Wunder, wenn daher
die Rechtsgelehrten über diesen Punct nicht mit einander
einverstanden sind 46). Den mehrsten Beyfall scheint je-
doch die Meinung des Accursius gefunden zu haben 47).
Dieser theilt die ganze Zeit von zurückgelegter Kindheit
an, bis zur Pubertät in zwey gleiche Theile. Haben Pu-
pillen die eine Hälfte dieses Zeitraums zurückgelegt, so
nennt er sie pubertati proximos, in dem entgegen gesetzten
Fall aber infantiae proximos. Jedoch macht er einen Un-
terschied in Ansehung des Geschlechts, nämlich wenn ei-
ne unmündige Weibsperson noch nicht 91/2, eine unmündi-
ge Mannsperson aber noch nicht 101/2 Jahr alt ist, so seyn
sie infantiae proximi; haben sie aber diese Jahre schon er-
reicht, pubertati proximi. Allein meines Erachtens läßt
sich dieser Maasstab mit dem Geist der Gesetze nicht ver-
einbaren. Sehr weißlich nehmen die Gesetze hier keine
gewisse Zahl von Jahren an, sondern wollen vielmehr al-
les auf das Maaß der Leibes- und Seelenkräfte ankom-
men lassen, die sich denn aber freylich bey dem einen jun-
gen Menschen früher bey dem andern später entwickeln.
So lange sich nun also Unmündige noch in dem Zustand

der
45) Man bedenke z. B. was L. 111. cit. sagt: pupillum, qui
proximus pubertati sit, capacem esse et furandi, et iniuriae
faciendae.
46) Die verschiedenen Meinungen prüft moller in der ange-
führten Dissertat. Cap. II. §. 1.
47) Ihm stimmen bey, ausser unsern Verfasser, donellus ad
L. 127. D. de Verb. Obl. vinnius ad §. 10. Inst. de inutil.
stipulat. huber Praelect. ad tit. Dig. de statu hom. §. 6.
cocceji iur. civ. controv. Tit. de pactis Qu.
29. Höpfner
im Commentar über die Institutionen S. 73. Eichmann
in den Erklärungen des bürgerlichen Rechts 3. Th. S. 70.

De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
hung ſeiner Wirkungen iſt 45), ſo wenig treffen wir je-
doch davon irgendwo in den Geſetzen eine deutliche und
gewiſſe Beſtimmung an. Kein Wunder, wenn daher
die Rechtsgelehrten uͤber dieſen Punct nicht mit einander
einverſtanden ſind 46). Den mehrſten Beyfall ſcheint je-
doch die Meinung des Accurſius gefunden zu haben 47).
Dieſer theilt die ganze Zeit von zuruͤckgelegter Kindheit
an, bis zur Pubertaͤt in zwey gleiche Theile. Haben Pu-
pillen die eine Haͤlfte dieſes Zeitraums zuruͤckgelegt, ſo
nennt er ſie pubertati proximos, in dem entgegen geſetzten
Fall aber infantiae proximos. Jedoch macht er einen Un-
terſchied in Anſehung des Geſchlechts, naͤmlich wenn ei-
ne unmuͤndige Weibsperſon noch nicht 9½, eine unmuͤndi-
ge Mannsperſon aber noch nicht 10½ Jahr alt iſt, ſo ſeyn
ſie infantiae proximi; haben ſie aber dieſe Jahre ſchon er-
reicht, pubertati proximi. Allein meines Erachtens laͤßt
ſich dieſer Maasſtab mit dem Geiſt der Geſetze nicht ver-
einbaren. Sehr weißlich nehmen die Geſetze hier keine
gewiſſe Zahl von Jahren an, ſondern wollen vielmehr al-
les auf das Maaß der Leibes- und Seelenkraͤfte ankom-
men laſſen, die ſich denn aber freylich bey dem einen jun-
gen Menſchen fruͤher bey dem andern ſpaͤter entwickeln.
So lange ſich nun alſo Unmuͤndige noch in dem Zuſtand

der
45) Man bedenke z. B. was L. 111. cit. ſagt: pupillum, qui
proximus pubertati ſit, capacem eſſe et furandi, et iniuriae
faciendae.
46) Die verſchiedenen Meinungen pruͤft moller in der ange-
fuͤhrten Diſſertat. Cap. II. §. 1.
47) Ihm ſtimmen bey, auſſer unſern Verfaſſer, donellus ad
L. 127. D. de Verb. Obl. vinnius ad §. 10. Inſt. de inutil.
ſtipulat. huber Praelect. ad tit. Dig. de ſtatu hom. §. 6.
cocceji iur. civ. controv. Tit. de pactis Qu.
29. Hoͤpfner
im Commentar uͤber die Inſtitutionen S. 73. Eichmann
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[187/0201] De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. hung ſeiner Wirkungen iſt 45), ſo wenig treffen wir je- doch davon irgendwo in den Geſetzen eine deutliche und gewiſſe Beſtimmung an. Kein Wunder, wenn daher die Rechtsgelehrten uͤber dieſen Punct nicht mit einander einverſtanden ſind 46). Den mehrſten Beyfall ſcheint je- doch die Meinung des Accurſius gefunden zu haben 47). Dieſer theilt die ganze Zeit von zuruͤckgelegter Kindheit an, bis zur Pubertaͤt in zwey gleiche Theile. Haben Pu- pillen die eine Haͤlfte dieſes Zeitraums zuruͤckgelegt, ſo nennt er ſie pubertati proximos, in dem entgegen geſetzten Fall aber infantiae proximos. Jedoch macht er einen Un- terſchied in Anſehung des Geſchlechts, naͤmlich wenn ei- ne unmuͤndige Weibsperſon noch nicht 9½, eine unmuͤndi- ge Mannsperſon aber noch nicht 10½ Jahr alt iſt, ſo ſeyn ſie infantiae proximi; haben ſie aber dieſe Jahre ſchon er- reicht, pubertati proximi. Allein meines Erachtens laͤßt ſich dieſer Maasſtab mit dem Geiſt der Geſetze nicht ver- einbaren. Sehr weißlich nehmen die Geſetze hier keine gewiſſe Zahl von Jahren an, ſondern wollen vielmehr al- les auf das Maaß der Leibes- und Seelenkraͤfte ankom- men laſſen, die ſich denn aber freylich bey dem einen jun- gen Menſchen fruͤher bey dem andern ſpaͤter entwickeln. So lange ſich nun alſo Unmuͤndige noch in dem Zuſtand der 45) Man bedenke z. B. was L. 111. cit. ſagt: pupillum, qui proximus pubertati ſit, capacem eſſe et furandi, et iniuriae faciendae. 46) Die verſchiedenen Meinungen pruͤft moller in der ange- fuͤhrten Diſſertat. Cap. II. §. 1. 47) Ihm ſtimmen bey, auſſer unſern Verfaſſer, donellus ad L. 127. D. de Verb. Obl. vinnius ad §. 10. Inſt. de inutil. ſtipulat. huber Praelect. ad tit. Dig. de ſtatu hom. §. 6. cocceji iur. civ. controv. Tit. de pactis Qu. 29. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen S. 73. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts 3. Th. S. 70.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/201>, abgerufen am 29.04.2024.