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Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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daß nun die Hoffnungen der Feindin nicht in Erfüllung gingen. Das Müllerskind war übrigens ein armes, schwaches Ding, das nur zum Sterben auf die Welt gekommen schien. Man gab es der Mariannette, die seit ein paar Wochen ein prächtiges kleines Mädchen hatte. In ihrer Pflege und in der guten Waldluft schien sich die Claudine Anfangs auch zu erholen, und der kranke Vater hatte, so oft die Mariannette mit der Kleinen in die Mühle kam, seine herzliche Freude daran.

Aber der Winter, der in diesem Jahre besonders streng war, machte den Besuchen, wie dem Wohlbefinden des Kindes ein Ende. Als die Müllerin im Frühjahr zum ersten Male wieder in die Waldhütte kam, fand sie das arme Wesen abgezehrt zum Erbarmen.

Auch der Mariannette ging es schlecht. Sie war seit einem halben Jahre Wittwe; ihr Mann hatte sie sehr lieb gehabt, hatte ihr Alles zu Willen gethan, nun konnte sie sich in die Einsamkeit nicht finden und klammerte sich an die erste beste Hand, die ihr geboten wurde. Die schlechteste Hand, hätte ich sagen sollen: der Prosper Babiche war ein ebenso nichtsnutziger als hübscher Bursche. Aber die Mariannette hatte sich nun einmal in ihn verliebt und dachte nur daran, wie sie's möglich machen könnte, ihn zu heirathen.

Das mag sie -- wenn auch nur mit halben Worten -- der Müllerin verrathen haben, und darauf baute diese ihren Plan. Schon in den nächsten Tagen

daß nun die Hoffnungen der Feindin nicht in Erfüllung gingen. Das Müllerskind war übrigens ein armes, schwaches Ding, das nur zum Sterben auf die Welt gekommen schien. Man gab es der Mariannette, die seit ein paar Wochen ein prächtiges kleines Mädchen hatte. In ihrer Pflege und in der guten Waldluft schien sich die Claudine Anfangs auch zu erholen, und der kranke Vater hatte, so oft die Mariannette mit der Kleinen in die Mühle kam, seine herzliche Freude daran.

Aber der Winter, der in diesem Jahre besonders streng war, machte den Besuchen, wie dem Wohlbefinden des Kindes ein Ende. Als die Müllerin im Frühjahr zum ersten Male wieder in die Waldhütte kam, fand sie das arme Wesen abgezehrt zum Erbarmen.

Auch der Mariannette ging es schlecht. Sie war seit einem halben Jahre Wittwe; ihr Mann hatte sie sehr lieb gehabt, hatte ihr Alles zu Willen gethan, nun konnte sie sich in die Einsamkeit nicht finden und klammerte sich an die erste beste Hand, die ihr geboten wurde. Die schlechteste Hand, hätte ich sagen sollen: der Prosper Babiche war ein ebenso nichtsnutziger als hübscher Bursche. Aber die Mariannette hatte sich nun einmal in ihn verliebt und dachte nur daran, wie sie's möglich machen könnte, ihn zu heirathen.

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[0068] daß nun die Hoffnungen der Feindin nicht in Erfüllung gingen. Das Müllerskind war übrigens ein armes, schwaches Ding, das nur zum Sterben auf die Welt gekommen schien. Man gab es der Mariannette, die seit ein paar Wochen ein prächtiges kleines Mädchen hatte. In ihrer Pflege und in der guten Waldluft schien sich die Claudine Anfangs auch zu erholen, und der kranke Vater hatte, so oft die Mariannette mit der Kleinen in die Mühle kam, seine herzliche Freude daran. Aber der Winter, der in diesem Jahre besonders streng war, machte den Besuchen, wie dem Wohlbefinden des Kindes ein Ende. Als die Müllerin im Frühjahr zum ersten Male wieder in die Waldhütte kam, fand sie das arme Wesen abgezehrt zum Erbarmen. Auch der Mariannette ging es schlecht. Sie war seit einem halben Jahre Wittwe; ihr Mann hatte sie sehr lieb gehabt, hatte ihr Alles zu Willen gethan, nun konnte sie sich in die Einsamkeit nicht finden und klammerte sich an die erste beste Hand, die ihr geboten wurde. Die schlechteste Hand, hätte ich sagen sollen: der Prosper Babiche war ein ebenso nichtsnutziger als hübscher Bursche. Aber die Mariannette hatte sich nun einmal in ihn verliebt und dachte nur daran, wie sie's möglich machen könnte, ihn zu heirathen. Das mag sie — wenn auch nur mit halben Worten — der Müllerin verrathen haben, und darauf baute diese ihren Plan. Schon in den nächsten Tagen

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:29:37Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910/68>, abgerufen am 09.05.2024.