Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

wieder besonnen, und in ruhig bescheidner Haltung;
rasch und wild im Ausbruch, dann wieder barmherzig,
mitleidig und mild und gerecht; zornig, und dann wieder
fromm, zutraulich und ehrlich, so durchaus characte-
risirt sich der Held von dem Augenblicke an, wo sein Vater
ihn entdeckt, und er nun ergrimmt zu ihm spricht:
"wenn ihr mein Vater nicht wäret, ich wollte euch
dermaßen schlagen, daß ihr müßt liegen bleiben!" weil
er so freundlich an seine Brust und Wangen ihn drückt,
daß ihm die Nase blutet, bis zu dem Momente, wo
er ihn selbst gefangen auf sein Pferd aufbindet, und
er ihn dem Carl zuführt, um ihn zu lehren, daß er
seine Kinder fange. Und diesen muthigen, kecken
Heldenjüngling nun, und bei ihm ein gleiches Hel-
denpferd, das Roß Bayard, und dabei die gute Klinge
Florenberg, überdem noch drei tapfere Brüder und
den Vetter Malagis, in allen Künsten der Nigro-
mantia erfahren, diesem Bunde, setzte der Dichter
voraus, müsse die Welt nicht widerstehen können. Und
als Repräsentant dieser Welt mußte ihm keiner taug-
licher seyn, als der Herr des ganzen Occidents, Carolus
magnus,
der, nachdem er die Sachsen bezwungen,
und den großen Raubstaat der Hunnen zerstört -- bald
am Nordmeer der Normänner und Dänen wilde Kraft
bekämpfte, bald jenseits der Alpen die italiänischen

wieder beſonnen, und in ruhig beſcheidner Haltung;
raſch und wild im Ausbruch, dann wieder barmherzig,
mitleidig und mild und gerecht; zornig, und dann wieder
fromm, zutraulich und ehrlich, ſo durchaus characte-
riſirt ſich der Held von dem Augenblicke an, wo ſein Vater
ihn entdeckt, und er nun ergrimmt zu ihm ſpricht:
„wenn ihr mein Vater nicht wäret, ich wollte euch
dermaßen ſchlagen, daß ihr müßt liegen bleiben!“ weil
er ſo freundlich an ſeine Bruſt und Wangen ihn drückt,
daß ihm die Naſe blutet, bis zu dem Momente, wo
er ihn ſelbſt gefangen auf ſein Pferd aufbindet, und
er ihn dem Carl zuführt, um ihn zu lehren, daß er
ſeine Kinder fange. Und dieſen muthigen, kecken
Heldenjüngling nun, und bei ihm ein gleiches Hel-
denpferd, das Roß Bayard, und dabei die gute Klinge
Florenberg, überdem noch drei tapfere Brüder und
den Vetter Malagis, in allen Künſten der Nigro-
mantia erfahren, dieſem Bunde, ſetzte der Dichter
voraus, müſſe die Welt nicht widerſtehen können. Und
als Repräſentant dieſer Welt mußte ihm keiner taug-
licher ſeyn, als der Herr des ganzen Occidents, Carolus
magnus,
der, nachdem er die Sachſen bezwungen,
und den großen Raubſtaat der Hunnen zerſtört — bald
am Nordmeer der Normänner und Dänen wilde Kraft
bekämpfte, bald jenſeits der Alpen die italiäniſchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0119" n="101"/>
wieder be&#x017F;onnen, und in ruhig be&#x017F;cheidner Haltung;<lb/>
ra&#x017F;ch und wild im Ausbruch, dann wieder barmherzig,<lb/>
mitleidig und mild und gerecht; zornig, und dann wieder<lb/>
fromm, zutraulich und ehrlich, &#x017F;o durchaus characte-<lb/>
ri&#x017F;irt &#x017F;ich der Held von dem Augenblicke an, wo &#x017F;ein Vater<lb/>
ihn entdeckt, und er nun ergrimmt zu ihm &#x017F;pricht:<lb/>
&#x201E;wenn ihr mein Vater nicht wäret, ich wollte euch<lb/>
dermaßen &#x017F;chlagen, daß ihr müßt liegen bleiben!&#x201C; weil<lb/>
er &#x017F;o freundlich an &#x017F;eine Bru&#x017F;t und Wangen ihn drückt,<lb/>
daß ihm die Na&#x017F;e blutet, bis zu dem Momente, wo<lb/>
er ihn &#x017F;elb&#x017F;t gefangen auf &#x017F;ein Pferd aufbindet, und<lb/>
er ihn dem Carl zuführt, um ihn zu lehren, daß er<lb/>
&#x017F;eine Kinder fange. Und die&#x017F;en muthigen, kecken<lb/>
Heldenjüngling nun, und bei ihm ein gleiches Hel-<lb/>
denpferd, das Roß Bayard, und dabei die gute Klinge<lb/>
Florenberg, überdem noch drei tapfere Brüder und<lb/>
den Vetter Malagis, in allen Kün&#x017F;ten der Nigro-<lb/>
mantia erfahren, die&#x017F;em Bunde, &#x017F;etzte der Dichter<lb/>
voraus, mü&#x017F;&#x017F;e die Welt nicht wider&#x017F;tehen können. Und<lb/>
als Reprä&#x017F;entant die&#x017F;er Welt mußte ihm keiner taug-<lb/>
licher &#x017F;eyn, als der Herr des ganzen Occidents, <hi rendition="#aq">Carolus<lb/>
magnus,</hi> der, nachdem er die Sach&#x017F;en bezwungen,<lb/>
und den großen Raub&#x017F;taat der Hunnen zer&#x017F;tört &#x2014; bald<lb/>
am Nordmeer der Normänner und Dänen wilde Kraft<lb/>
bekämpfte, bald jen&#x017F;eits der Alpen die italiäni&#x017F;chen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0119] wieder beſonnen, und in ruhig beſcheidner Haltung; raſch und wild im Ausbruch, dann wieder barmherzig, mitleidig und mild und gerecht; zornig, und dann wieder fromm, zutraulich und ehrlich, ſo durchaus characte- riſirt ſich der Held von dem Augenblicke an, wo ſein Vater ihn entdeckt, und er nun ergrimmt zu ihm ſpricht: „wenn ihr mein Vater nicht wäret, ich wollte euch dermaßen ſchlagen, daß ihr müßt liegen bleiben!“ weil er ſo freundlich an ſeine Bruſt und Wangen ihn drückt, daß ihm die Naſe blutet, bis zu dem Momente, wo er ihn ſelbſt gefangen auf ſein Pferd aufbindet, und er ihn dem Carl zuführt, um ihn zu lehren, daß er ſeine Kinder fange. Und dieſen muthigen, kecken Heldenjüngling nun, und bei ihm ein gleiches Hel- denpferd, das Roß Bayard, und dabei die gute Klinge Florenberg, überdem noch drei tapfere Brüder und den Vetter Malagis, in allen Künſten der Nigro- mantia erfahren, dieſem Bunde, ſetzte der Dichter voraus, müſſe die Welt nicht widerſtehen können. Und als Repräſentant dieſer Welt mußte ihm keiner taug- licher ſeyn, als der Herr des ganzen Occidents, Carolus magnus, der, nachdem er die Sachſen bezwungen, und den großen Raubſtaat der Hunnen zerſtört — bald am Nordmeer der Normänner und Dänen wilde Kraft bekämpfte, bald jenſeits der Alpen die italiäniſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/119
Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/119>, abgerufen am 14.05.2024.