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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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Intriguen-Romane nennen mögte, in den eigentlichen
Liebesroman über, wie die zunächst folgende Magelone
ihn ausgebildet zeigt. Es ist die bekannte Geschichte Wal-
thers, der eine Bäuerinn zur Ehe nahm, und um
ihre Ergebenheit zu prüfen, ihr in der Folge ihre Kinder
entführen ließ, und sich sogar zum Scheine von ihr
schied, bis endlich Alles, da sie treu, und demüthig
und bescheiden blieb, sich zum Guten wendet. Gleich
bescheiden, einfältig, arm und herzlich erzählt ist auch
das Buch. Nur einmal, wo die Mißhandlung schein-
bar auf das Höchste gestiegen ist, und der Marggraf ihr
ihre eigene, aber unbekannte Tochter als seine Braut
vorstellt, und sie um ihre Meinung fragt, antwortet sie:
"Gnädiger Herr! ich glaube nicht, daß ein schöneres
Weibsbild zu finden sey, als diese E. Gnaden Braut,
und zukünftige Gemahlinn ist; ich hoffe auch, daß ihr
innerlich Herz und Gemüthe werde an Tugenden,
Liebe und Treue der äußerlichen Schönheit gleichen,
und demnach E. Gnaden mit ihr verhoffentlich eine
liebliche, friedsame und gesegnete Ehe führen, welches
ich euch von Grund meines Herzens und meiner Seelen
wünsche. Doch will ich E. Gnaden zum fleißigsten ge-
beten und zum treul chsten ermahnet haben, er wolle
diese schöne und tugendhafte Gemahlinn verschonen,
und sie nicht mit so harten Proben ihrer Liebe, Treue

Intriguen-Romane nennen mögte, in den eigentlichen
Liebesroman über, wie die zunächſt folgende Magelone
ihn ausgebildet zeigt. Es iſt die bekannte Geſchichte Wal-
thers, der eine Bäuerinn zur Ehe nahm, und um
ihre Ergebenheit zu prüfen, ihr in der Folge ihre Kinder
entführen ließ, und ſich ſogar zum Scheine von ihr
ſchied, bis endlich Alles, da ſie treu, und demüthig
und beſcheiden blieb, ſich zum Guten wendet. Gleich
beſcheiden, einfältig, arm und herzlich erzählt iſt auch
das Buch. Nur einmal, wo die Mißhandlung ſchein-
bar auf das Höchſte geſtiegen iſt, und der Marggraf ihr
ihre eigene, aber unbekannte Tochter als ſeine Braut
vorſtellt, und ſie um ihre Meinung fragt, antwortet ſie:
„Gnädiger Herr! ich glaube nicht, daß ein ſchöneres
Weibsbild zu finden ſey, als dieſe E. Gnaden Braut,
und zukünftige Gemahlinn iſt; ich hoffe auch, daß ihr
innerlich Herz und Gemüthe werde an Tugenden,
Liebe und Treue der äußerlichen Schönheit gleichen,
und demnach E. Gnaden mit ihr verhoffentlich eine
liebliche, friedſame und geſegnete Ehe führen, welches
ich euch von Grund meines Herzens und meiner Seelen
wünſche. Doch will ich E. Gnaden zum fleißigſten ge-
beten und zum treul chſten ermahnet haben, er wolle
dieſe ſchöne und tugendhafte Gemahlinn verſchonen,
und ſie nicht mit ſo harten Proben ihrer Liebe, Treue

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[149/0167] Intriguen-Romane nennen mögte, in den eigentlichen Liebesroman über, wie die zunächſt folgende Magelone ihn ausgebildet zeigt. Es iſt die bekannte Geſchichte Wal- thers, der eine Bäuerinn zur Ehe nahm, und um ihre Ergebenheit zu prüfen, ihr in der Folge ihre Kinder entführen ließ, und ſich ſogar zum Scheine von ihr ſchied, bis endlich Alles, da ſie treu, und demüthig und beſcheiden blieb, ſich zum Guten wendet. Gleich beſcheiden, einfältig, arm und herzlich erzählt iſt auch das Buch. Nur einmal, wo die Mißhandlung ſchein- bar auf das Höchſte geſtiegen iſt, und der Marggraf ihr ihre eigene, aber unbekannte Tochter als ſeine Braut vorſtellt, und ſie um ihre Meinung fragt, antwortet ſie: „Gnädiger Herr! ich glaube nicht, daß ein ſchöneres Weibsbild zu finden ſey, als dieſe E. Gnaden Braut, und zukünftige Gemahlinn iſt; ich hoffe auch, daß ihr innerlich Herz und Gemüthe werde an Tugenden, Liebe und Treue der äußerlichen Schönheit gleichen, und demnach E. Gnaden mit ihr verhoffentlich eine liebliche, friedſame und geſegnete Ehe führen, welches ich euch von Grund meines Herzens und meiner Seelen wünſche. Doch will ich E. Gnaden zum fleißigſten ge- beten und zum treul chſten ermahnet haben, er wolle dieſe ſchöne und tugendhafte Gemahlinn verſchonen, und ſie nicht mit ſo harten Proben ihrer Liebe, Treue

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/167>, abgerufen am 03.05.2024.