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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

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Wie man mit Vorsicht auf der Erde wandelt,
Es sey bergauf, es sey hinab vom Thron,
Und wie man Menschen, wie man Pferde handelt
Das alles lehrt der König seinen Sohn.
Wir wissens nun, durch Dich der uns beschenkte;
Jetzt fügest du der Tulpe Flor daran,
Und wenn mich nicht der goldne Rahm beschränkte
Wo endete was Du für uns gethan.

Und so entspann sich eine briefliche
Unterhaltung, die der würdige Mann, bis
an sein Ende, mit fast unleserlicher Hand,
unter Leiden und Schmerzen getreulich fort-
setzte.

Da ich nun mit Sitten und Geschichte
des Orients bisher nur im Allgemeinen, mit
Sprache so gut wie gar nicht bekannt ge-
wesen, war eine solche Freundlichkeit mir
von der grössten Bedeutung. Denn weil
es mir, bey einem vorgezeichneten, metho-
dischen Verfahren, um augenblickliche Auf-
klärung zu thun war, welche in Büchern
zu finden Kraft und Zeit verzehrenden Auf-
wand erfordert hätte, so wendete ich mich
in bedenklichen Fällen an ihn, und erhielt
auf meine Frage jederzeit genügende und

Wie man mit Vorsicht auf der Erde wandelt,
Es sey bergauf, es sey hinab vom Thron,
Und wie man Menschen, wie man Pferde handelt
Das alles lehrt der König seinen Sohn.
Wir wissens nun, durch Dich der uns beschenkte;
Jetzt fügest du der Tulpe Flor daran,
Und wenn mich nicht der goldne Rahm beschränkte
Wo endete was Du für uns gethan.

Und so entspann sich eine briefliche
Unterhaltung, die der würdige Mann, bis
an sein Ende, mit fast unleserlicher Hand,
unter Leiden und Schmerzen getreulich fort-
setzte.

Da ich nun mit Sitten und Geschichte
des Orients bisher nur im Allgemeinen, mit
Sprache so gut wie gar nicht bekannt ge-
wesen, war eine solche Freundlichkeit mir
von der gröſsten Bedeutung. Denn weil
es mir, bey einem vorgezeichneten, metho-
dischen Verfahren, um augenblickliche Auf-
klärung zu thun war, welche in Büchern
zu finden Kraft und Zeit verzehrenden Auf-
wand erfordert hätte, so wendete ich mich
in bedenklichen Fällen an ihn, und erhielt
auf meine Frage jederzeit genügende und

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[511/0521] Wie man mit Vorsicht auf der Erde wandelt, Es sey bergauf, es sey hinab vom Thron, Und wie man Menschen, wie man Pferde handelt Das alles lehrt der König seinen Sohn. Wir wissens nun, durch Dich der uns beschenkte; Jetzt fügest du der Tulpe Flor daran, Und wenn mich nicht der goldne Rahm beschränkte Wo endete was Du für uns gethan. Und so entspann sich eine briefliche Unterhaltung, die der würdige Mann, bis an sein Ende, mit fast unleserlicher Hand, unter Leiden und Schmerzen getreulich fort- setzte. Da ich nun mit Sitten und Geschichte des Orients bisher nur im Allgemeinen, mit Sprache so gut wie gar nicht bekannt ge- wesen, war eine solche Freundlichkeit mir von der gröſsten Bedeutung. Denn weil es mir, bey einem vorgezeichneten, metho- dischen Verfahren, um augenblickliche Auf- klärung zu thun war, welche in Büchern zu finden Kraft und Zeit verzehrenden Auf- wand erfordert hätte, so wendete ich mich in bedenklichen Fällen an ihn, und erhielt auf meine Frage jederzeit genügende und

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/521>, abgerufen am 28.04.2024.