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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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tion sprechen, kommt nur das begränzt Gesehene, kommt
nur das Bild in Betrachtung.

220.

Wir können aber die Bilder überhaupt zu unsern
chromatischen Darstellungen in primäre und secun-
däre
Bilder eintheilen. Die Ausdrücke selbst bezeich-
nen, was wir darunter verstehen, und nachfolgendes
wird unsern Sinn noch deutlicher machen.

221.

Man kann die primären Bilder ansehen, erstlich
als ursprüngliche, als Bilder, die von dem anwe-
senden Gegenstande in unserm Auge erregt werden,
und die uns von seinem wirklichen Daseyn versichern.
Diesen kann man die secundären Bilder entgegensetzen,
als abgeleitete Bilder, die, wenn der Gegenstand
weggenommen ist, im Auge zurückbleiben, jene Schein-
und Gegenbilder, welche wir in der Lehre von physio-
logischen Farben umständlich abgehandelt haben.

222.

Man kann die primären Bilder zweytens auch als
directe Bilder ansehen, welche wie jene ursprüngli-
chen unmittelbar von dem Gegenstande zu unserm Auge
gelangen. Diesen kann man die secundären, als in-
directe
Bilder entgegensetzen, welche erst von einer
spiegelnden Fläche aus der zweyten Hand uns überlie-
fert werden. Es sind dieses die katoptrischen Bilder,
welche auch in gewissen Fällen zu Doppelbildern wer-
den können.

tion ſprechen, kommt nur das begraͤnzt Geſehene, kommt
nur das Bild in Betrachtung.

220.

Wir koͤnnen aber die Bilder uͤberhaupt zu unſern
chromatiſchen Darſtellungen in primaͤre und ſecun-
daͤre
Bilder eintheilen. Die Ausdruͤcke ſelbſt bezeich-
nen, was wir darunter verſtehen, und nachfolgendes
wird unſern Sinn noch deutlicher machen.

221.

Man kann die primaͤren Bilder anſehen, erſtlich
als urſpruͤngliche, als Bilder, die von dem anwe-
ſenden Gegenſtande in unſerm Auge erregt werden,
und die uns von ſeinem wirklichen Daſeyn verſichern.
Dieſen kann man die ſecundaͤren Bilder entgegenſetzen,
als abgeleitete Bilder, die, wenn der Gegenſtand
weggenommen iſt, im Auge zuruͤckbleiben, jene Schein-
und Gegenbilder, welche wir in der Lehre von phyſio-
logiſchen Farben umſtaͤndlich abgehandelt haben.

222.

Man kann die primaͤren Bilder zweytens auch als
directe Bilder anſehen, welche wie jene urſpruͤngli-
chen unmittelbar von dem Gegenſtande zu unſerm Auge
gelangen. Dieſen kann man die ſecundaͤren, als in-
directe
Bilder entgegenſetzen, welche erſt von einer
ſpiegelnden Flaͤche aus der zweyten Hand uns uͤberlie-
fert werden. Es ſind dieſes die katoptriſchen Bilder,
welche auch in gewiſſen Faͤllen zu Doppelbildern wer-
den koͤnnen.

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[84/0138] tion ſprechen, kommt nur das begraͤnzt Geſehene, kommt nur das Bild in Betrachtung. 220. Wir koͤnnen aber die Bilder uͤberhaupt zu unſern chromatiſchen Darſtellungen in primaͤre und ſecun- daͤre Bilder eintheilen. Die Ausdruͤcke ſelbſt bezeich- nen, was wir darunter verſtehen, und nachfolgendes wird unſern Sinn noch deutlicher machen. 221. Man kann die primaͤren Bilder anſehen, erſtlich als urſpruͤngliche, als Bilder, die von dem anwe- ſenden Gegenſtande in unſerm Auge erregt werden, und die uns von ſeinem wirklichen Daſeyn verſichern. Dieſen kann man die ſecundaͤren Bilder entgegenſetzen, als abgeleitete Bilder, die, wenn der Gegenſtand weggenommen iſt, im Auge zuruͤckbleiben, jene Schein- und Gegenbilder, welche wir in der Lehre von phyſio- logiſchen Farben umſtaͤndlich abgehandelt haben. 222. Man kann die primaͤren Bilder zweytens auch als directe Bilder anſehen, welche wie jene urſpruͤngli- chen unmittelbar von dem Gegenſtande zu unſerm Auge gelangen. Dieſen kann man die ſecundaͤren, als in- directe Bilder entgegenſetzen, welche erſt von einer ſpiegelnden Flaͤche aus der zweyten Hand uns uͤberlie- fert werden. Es ſind dieſes die katoptriſchen Bilder, welche auch in gewiſſen Faͤllen zu Doppelbildern wer- den koͤnnen.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/138>, abgerufen am 29.04.2024.