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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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Unendliche durch Bilder von verschiedenen Farben, auf
und zwischen verschiedenfarbigen Flächen, vervielfälti-
gen. Unter allen Umständen aber wird jedem Aufmerk-
samen deutlich werden, daß farbige Vierecke neben ein-
ander nur deßwegen durch das Prisma verschoben er-
scheinen, weil ein Ansatz von homogenen und hetero-
genen Rändern eine Täuschung hervorbringt. Diese ist
man nur alsdann zu verbannen fähig, wenn man eine
Reihe von Versuchen neben einander zu stellen und ih-
re Uebereinstimmung darzuthun genugsame Geduld hat.

Warum wir aber vorstehende Versuche mit farbi-
gen Bildern, welche auf mehr als eine Weise vorge-
tragen werden konnten, gerade so und so umständlich
dargestellt, wird in der Folge deutlicher werden. Ge-
dachte Phänomene waren früher zwar nicht unbekannt;
aber sehr verkannt, deßwegen wir sie, zu Erleichterung
eines künftigen historischen Vortrags, genau entwickeln
mußten.

284.

Wir wollen nunmehr zum Schlusse den Freunden
der Natur eine Vorrichtung anzeigen, durch welche diese
Erscheinungen auf einmal deutlich, ja in ihrem größten
Glanze, gesehen werden können.

Man schneide aus einer Pappe fünf, ungefähr ei-
nen Zoll große, völlig gleiche Vierecke neben einander
aus, genau in horizontaler Linie. Man bringe dahin-
ter fünf farbige Gläser, in der bekannten Ordnung,
Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett. Man befestige
diese Tafel in einer Oeffnung der Camera obscura, so

Unendliche durch Bilder von verſchiedenen Farben, auf
und zwiſchen verſchiedenfarbigen Flaͤchen, vervielfaͤlti-
gen. Unter allen Umſtaͤnden aber wird jedem Aufmerk-
ſamen deutlich werden, daß farbige Vierecke neben ein-
ander nur deßwegen durch das Prisma verſchoben er-
ſcheinen, weil ein Anſatz von homogenen und hetero-
genen Raͤndern eine Taͤuſchung hervorbringt. Dieſe iſt
man nur alsdann zu verbannen faͤhig, wenn man eine
Reihe von Verſuchen neben einander zu ſtellen und ih-
re Uebereinſtimmung darzuthun genugſame Geduld hat.

Warum wir aber vorſtehende Verſuche mit farbi-
gen Bildern, welche auf mehr als eine Weiſe vorge-
tragen werden konnten, gerade ſo und ſo umſtaͤndlich
dargeſtellt, wird in der Folge deutlicher werden. Ge-
dachte Phaͤnomene waren fruͤher zwar nicht unbekannt;
aber ſehr verkannt, deßwegen wir ſie, zu Erleichterung
eines kuͤnftigen hiſtoriſchen Vortrags, genau entwickeln
mußten.

284.

Wir wollen nunmehr zum Schluſſe den Freunden
der Natur eine Vorrichtung anzeigen, durch welche dieſe
Erſcheinungen auf einmal deutlich, ja in ihrem groͤßten
Glanze, geſehen werden koͤnnen.

Man ſchneide aus einer Pappe fuͤnf, ungefaͤhr ei-
nen Zoll große, voͤllig gleiche Vierecke neben einander
aus, genau in horizontaler Linie. Man bringe dahin-
ter fuͤnf farbige Glaͤſer, in der bekannten Ordnung,
Orange, Gelb, Gruͤn, Blau, Violett. Man befeſtige
dieſe Tafel in einer Oeffnung der Camera obſcura, ſo

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[107/0161] Unendliche durch Bilder von verſchiedenen Farben, auf und zwiſchen verſchiedenfarbigen Flaͤchen, vervielfaͤlti- gen. Unter allen Umſtaͤnden aber wird jedem Aufmerk- ſamen deutlich werden, daß farbige Vierecke neben ein- ander nur deßwegen durch das Prisma verſchoben er- ſcheinen, weil ein Anſatz von homogenen und hetero- genen Raͤndern eine Taͤuſchung hervorbringt. Dieſe iſt man nur alsdann zu verbannen faͤhig, wenn man eine Reihe von Verſuchen neben einander zu ſtellen und ih- re Uebereinſtimmung darzuthun genugſame Geduld hat. Warum wir aber vorſtehende Verſuche mit farbi- gen Bildern, welche auf mehr als eine Weiſe vorge- tragen werden konnten, gerade ſo und ſo umſtaͤndlich dargeſtellt, wird in der Folge deutlicher werden. Ge- dachte Phaͤnomene waren fruͤher zwar nicht unbekannt; aber ſehr verkannt, deßwegen wir ſie, zu Erleichterung eines kuͤnftigen hiſtoriſchen Vortrags, genau entwickeln mußten. 284. Wir wollen nunmehr zum Schluſſe den Freunden der Natur eine Vorrichtung anzeigen, durch welche dieſe Erſcheinungen auf einmal deutlich, ja in ihrem groͤßten Glanze, geſehen werden koͤnnen. Man ſchneide aus einer Pappe fuͤnf, ungefaͤhr ei- nen Zoll große, voͤllig gleiche Vierecke neben einander aus, genau in horizontaler Linie. Man bringe dahin- ter fuͤnf farbige Glaͤſer, in der bekannten Ordnung, Orange, Gelb, Gruͤn, Blau, Violett. Man befeſtige dieſe Tafel in einer Oeffnung der Camera obſcura, ſo

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/161>, abgerufen am 29.04.2024.