welches ihnen jedoch nicht übel zu deuten war. Denn das bisher sogenannte Theoretische war grundlos, schwankend und auf Empirie hindeutend. Wir wün- schen, daß unsre Bemühungen diese Furcht einigermaßen vermindern und den Künstler anreizen mögen, die auf- gestellten Grundsätze praktisch zu prüfen und zu be- leben.
Letzter Zweck.
901.
Denn ohne Uebersicht des Ganzen wird der letzte Zweck nicht erreicht. Von allem dem, was wir bisher vorgetragen, durchdringe sich der Künstler. Nur durch die Einstimmung des Lichtes und Schattens, der Hal- tung, der wahren und charakteristischen Farbengebung kann das Gemälde von der Seite, von der wir es ge- genwärtig betrachten, als vollendet erscheinen.
Gründe.
902.
Es war die Art der ältern Künstler, auf hellen Grund zu malen. Er bestand aus Kreide und wurde
welches ihnen jedoch nicht uͤbel zu deuten war. Denn das bisher ſogenannte Theoretiſche war grundlos, ſchwankend und auf Empirie hindeutend. Wir wuͤn- ſchen, daß unſre Bemuͤhungen dieſe Furcht einigermaßen vermindern und den Kuͤnſtler anreizen moͤgen, die auf- geſtellten Grundſaͤtze praktiſch zu pruͤfen und zu be- leben.
Letzter Zweck.
901.
Denn ohne Ueberſicht des Ganzen wird der letzte Zweck nicht erreicht. Von allem dem, was wir bisher vorgetragen, durchdringe ſich der Kuͤnſtler. Nur durch die Einſtimmung des Lichtes und Schattens, der Hal- tung, der wahren und charakteriſtiſchen Farbengebung kann das Gemaͤlde von der Seite, von der wir es ge- genwaͤrtig betrachten, als vollendet erſcheinen.
Gruͤnde.
902.
Es war die Art der aͤltern Kuͤnſtler, auf hellen Grund zu malen. Er beſtand aus Kreide und wurde
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welches ihnen jedoch nicht uͤbel zu deuten war. Denn
das bisher ſogenannte Theoretiſche war grundlos,
ſchwankend und auf Empirie hindeutend. Wir wuͤn-
ſchen, daß unſre Bemuͤhungen dieſe Furcht einigermaßen
vermindern und den Kuͤnſtler anreizen moͤgen, die auf-
geſtellten Grundſaͤtze praktiſch zu pruͤfen und zu be-
leben.
Letzter Zweck.
901.
Denn ohne Ueberſicht des Ganzen wird der letzte
Zweck nicht erreicht. Von allem dem, was wir bisher
vorgetragen, durchdringe ſich der Kuͤnſtler. Nur durch
die Einſtimmung des Lichtes und Schattens, der Hal-
tung, der wahren und charakteriſtiſchen Farbengebung
kann das Gemaͤlde von der Seite, von der wir es ge-
genwaͤrtig betrachten, als vollendet erſcheinen.
Gruͤnde.
902.
Es war die Art der aͤltern Kuͤnſtler, auf hellen
Grund zu malen. Er beſtand aus Kreide und wurde
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/385>, abgerufen am 28.04.2024.
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