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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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19.

Jene farbigen Lichter sind die integrirenden
Theile seines weißen Lichtes. Es kommt durch alle
obgemeldeten Operationen nichts zu dem Licht hinzu,
es wird ihm nichts genommen, sondern es werden
nur seine Fähigkeiten, sein Inhalt geoffenbart. Zeigt
es nun bey der Refraction verschiedene Farben, so
ist es divers refrangibel; auch bey der Reflexion
zeigt es Farben, deßwegen ist es divers reflexibel,
u. s. w. Jede neue Erscheinung deutet auf eine
neue Fähigkeit des Lichtes, sich aufzuschließen, seinen
Inhalt herzugeben.

20.

Die Lehre dagegen, von der wir überzeugt sind,
und von der wir dießmal nur insofern sprechen, als
sie der Newtonischen entgegensteht, beschäftigt sich
auch mit dem weißen Lichte. Sie bedient sich auch
äußerer Bedingungen, um farbige Erscheinungen
hervorzubringen. Sie gesteht aber diesen Bedin-
gungen Werth und Würde zu, sie bildet sich nicht
ein, Farben aus dem Licht zu entwickeln, sie sucht
uns vielmehr zu überzeugen, daß die Farbe zugleich
von dem Lichte und von dem, was sich ihm entge-
genstellt, hervorgebracht werde.

19.

Jene farbigen Lichter ſind die integrirenden
Theile ſeines weißen Lichtes. Es kommt durch alle
obgemeldeten Operationen nichts zu dem Licht hinzu,
es wird ihm nichts genommen, ſondern es werden
nur ſeine Faͤhigkeiten, ſein Inhalt geoffenbart. Zeigt
es nun bey der Refraction verſchiedene Farben, ſo
iſt es divers refrangibel; auch bey der Reflexion
zeigt es Farben, deßwegen iſt es divers reflexibel,
u. ſ. w. Jede neue Erſcheinung deutet auf eine
neue Faͤhigkeit des Lichtes, ſich aufzuſchließen, ſeinen
Inhalt herzugeben.

20.

Die Lehre dagegen, von der wir uͤberzeugt ſind,
und von der wir dießmal nur inſofern ſprechen, als
ſie der Newtoniſchen entgegenſteht, beſchaͤftigt ſich
auch mit dem weißen Lichte. Sie bedient ſich auch
aͤußerer Bedingungen, um farbige Erſcheinungen
hervorzubringen. Sie geſteht aber dieſen Bedin-
gungen Werth und Wuͤrde zu, ſie bildet ſich nicht
ein, Farben aus dem Licht zu entwickeln, ſie ſucht
uns vielmehr zu uͤberzeugen, daß die Farbe zugleich
von dem Lichte und von dem, was ſich ihm entge-
genſtellt, hervorgebracht werde.

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[366/0420] 19. Jene farbigen Lichter ſind die integrirenden Theile ſeines weißen Lichtes. Es kommt durch alle obgemeldeten Operationen nichts zu dem Licht hinzu, es wird ihm nichts genommen, ſondern es werden nur ſeine Faͤhigkeiten, ſein Inhalt geoffenbart. Zeigt es nun bey der Refraction verſchiedene Farben, ſo iſt es divers refrangibel; auch bey der Reflexion zeigt es Farben, deßwegen iſt es divers reflexibel, u. ſ. w. Jede neue Erſcheinung deutet auf eine neue Faͤhigkeit des Lichtes, ſich aufzuſchließen, ſeinen Inhalt herzugeben. 20. Die Lehre dagegen, von der wir uͤberzeugt ſind, und von der wir dießmal nur inſofern ſprechen, als ſie der Newtoniſchen entgegenſteht, beſchaͤftigt ſich auch mit dem weißen Lichte. Sie bedient ſich auch aͤußerer Bedingungen, um farbige Erſcheinungen hervorzubringen. Sie geſteht aber dieſen Bedin- gungen Werth und Wuͤrde zu, ſie bildet ſich nicht ein, Farben aus dem Licht zu entwickeln, ſie ſucht uns vielmehr zu uͤberzeugen, daß die Farbe zugleich von dem Lichte und von dem, was ſich ihm entge- genſtellt, hervorgebracht werde.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/420>, abgerufen am 28.04.2024.