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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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Weißen gethan. Nun sollen centra gravitatis ge-
funden, kleine Cirkelchen in gewissen Proportionen be-
schrieben, Linien gezogen, und so auf diejenige Farbe
gedeutet werden, welche aus der Mischung mehrerer
gegebenen entspringt.

594.

Wir müssen einem jeden Leser überlassen diese neue
Quäkeley bey dem Verfasser selbst zu studiren. Wir
halten uns dabey nicht auf, weil uns nur zu deutlich
ist, daß die Raumeintheilung der Farben um gedach-
ten Kreis nicht naturgemäß sey, indem keine Verglei-
chung des Spectrums mit den Tonintervallen statt
findet; wie denn auch die einander entgegenstehenden,
sich fordernden Farben aus dem Newtonischen Kreise
keineswegs entwickelt werden können. Uebrigens nach-
dem er genug gemessen und gebuchstabt, sagt er ja
selbst: "Diese Regel finde ich genau genug für die
Praktik, obgleich nicht mathematisch vollkommen." Für
die Ausübung hat dieses Schema und die Operation
an demselben nicht den mindesten Nutzen; und wie
wollte es ihn haben, da ihm nichts theoretisch wahres
zum Grunde liegt.


Weißen gethan. Nun ſollen centra gravitatis ge-
funden, kleine Cirkelchen in gewiſſen Proportionen be-
ſchrieben, Linien gezogen, und ſo auf diejenige Farbe
gedeutet werden, welche aus der Miſchung mehrerer
gegebenen entſpringt.

594.

Wir muͤſſen einem jeden Leſer uͤberlaſſen dieſe neue
Quaͤkeley bey dem Verfaſſer ſelbſt zu ſtudiren. Wir
halten uns dabey nicht auf, weil uns nur zu deutlich
iſt, daß die Raumeintheilung der Farben um gedach-
ten Kreis nicht naturgemaͤß ſey, indem keine Verglei-
chung des Spectrums mit den Tonintervallen ſtatt
findet; wie denn auch die einander entgegenſtehenden,
ſich fordernden Farben aus dem Newtoniſchen Kreiſe
keineswegs entwickelt werden koͤnnen. Uebrigens nach-
dem er genug gemeſſen und gebuchſtabt, ſagt er ja
ſelbſt: „Dieſe Regel finde ich genau genug fuͤr die
Praktik, obgleich nicht mathematiſch vollkommen.“ Fuͤr
die Ausuͤbung hat dieſes Schema und die Operation
an demſelben nicht den mindeſten Nutzen; und wie
wollte es ihn haben, da ihm nichts theoretiſch wahres
zum Grunde liegt.


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[614/0668] Weißen gethan. Nun ſollen centra gravitatis ge- funden, kleine Cirkelchen in gewiſſen Proportionen be- ſchrieben, Linien gezogen, und ſo auf diejenige Farbe gedeutet werden, welche aus der Miſchung mehrerer gegebenen entſpringt. 594. Wir muͤſſen einem jeden Leſer uͤberlaſſen dieſe neue Quaͤkeley bey dem Verfaſſer ſelbſt zu ſtudiren. Wir halten uns dabey nicht auf, weil uns nur zu deutlich iſt, daß die Raumeintheilung der Farben um gedach- ten Kreis nicht naturgemaͤß ſey, indem keine Verglei- chung des Spectrums mit den Tonintervallen ſtatt findet; wie denn auch die einander entgegenſtehenden, ſich fordernden Farben aus dem Newtoniſchen Kreiſe keineswegs entwickelt werden koͤnnen. Uebrigens nach- dem er genug gemeſſen und gebuchſtabt, ſagt er ja ſelbſt: „Dieſe Regel finde ich genau genug fuͤr die Praktik, obgleich nicht mathematiſch vollkommen.“ Fuͤr die Ausuͤbung hat dieſes Schema und die Operation an demſelben nicht den mindeſten Nutzen; und wie wollte es ihn haben, da ihm nichts theoretiſch wahres zum Grunde liegt.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/668>, abgerufen am 27.04.2024.