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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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bieten, die beste Meynung von der Vollkommenheit
des Colorits in den Bildern des Apelles hegen.

Durch ihn soll die Zahl der Pigmente noch um
eines, nämlich um das aus gebranntem Elfenbein ver-
fertigte Schwarz, vermehrt worden seyn. Woraus zu
vermuthen ist, daß er damit eine vorher noch nicht
erreichte Stärke und Wirkung beabsichtigt habe.

Allein eine noch weit wichtigere Erweiterung der
malerisch-technischen Mittel war die von ihm einge-
führte Lafirung, wodurch er den Bildern jenen künstli-
chen bezaubernden Schein, den Farben die gefällige
Milde, und die höchst zarte, auf keinem andern Wege
in solcher Vollkommenheit erreichbare Abstufung ertheilte.
Die hieher gehörige Stelle des Plinius ist ungemein
deutlich, ja sie scheint sogar keine andere Auslegung
zu leiden.

"Wenn seine Gemälde vollendet waren, überzog
er sie mit einer sehr feinen Schwärze, atramentum,
die durch ihren Glanz die Schönheit der Farben noch
erhob, das Gemälde vor Staub und Schmutz schützte,
und erst bemerkt werden konnte, wenn man es näher
betrachtete. Er verfuhr aber darin sehr behutsam.
Die Lebhaftigkeit der Farben sollte das Auge nicht be-
leidigen, und es sollte sie in der Entfernung wie durch
einen Spiegelstein erblicken. Eben diese Schwärze sollte
auch den zu hellen Farben unvermerkt mehr Ernst
geben."

bieten, die beſte Meynung von der Vollkommenheit
des Colorits in den Bildern des Apelles hegen.

Durch ihn ſoll die Zahl der Pigmente noch um
eines, naͤmlich um das aus gebranntem Elfenbein ver-
fertigte Schwarz, vermehrt worden ſeyn. Woraus zu
vermuthen iſt, daß er damit eine vorher noch nicht
erreichte Staͤrke und Wirkung beabſichtigt habe.

Allein eine noch weit wichtigere Erweiterung der
maleriſch-techniſchen Mittel war die von ihm einge-
fuͤhrte Lafirung, wodurch er den Bildern jenen kuͤnſtli-
chen bezaubernden Schein, den Farben die gefaͤllige
Milde, und die hoͤchſt zarte, auf keinem andern Wege
in ſolcher Vollkommenheit erreichbare Abſtufung ertheilte.
Die hieher gehoͤrige Stelle des Plinius iſt ungemein
deutlich, ja ſie ſcheint ſogar keine andere Auslegung
zu leiden.

„Wenn ſeine Gemaͤlde vollendet waren, uͤberzog
er ſie mit einer ſehr feinen Schwaͤrze, atramentum,
die durch ihren Glanz die Schoͤnheit der Farben noch
erhob, das Gemaͤlde vor Staub und Schmutz ſchuͤtzte,
und erſt bemerkt werden konnte, wenn man es naͤher
betrachtete. Er verfuhr aber darin ſehr behutſam.
Die Lebhaftigkeit der Farben ſollte das Auge nicht be-
leidigen, und es ſollte ſie in der Entfernung wie durch
einen Spiegelſtein erblicken. Eben dieſe Schwaͤrze ſollte
auch den zu hellen Farben unvermerkt mehr Ernſt
geben.“

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[87/0121] bieten, die beſte Meynung von der Vollkommenheit des Colorits in den Bildern des Apelles hegen. Durch ihn ſoll die Zahl der Pigmente noch um eines, naͤmlich um das aus gebranntem Elfenbein ver- fertigte Schwarz, vermehrt worden ſeyn. Woraus zu vermuthen iſt, daß er damit eine vorher noch nicht erreichte Staͤrke und Wirkung beabſichtigt habe. Allein eine noch weit wichtigere Erweiterung der maleriſch-techniſchen Mittel war die von ihm einge- fuͤhrte Lafirung, wodurch er den Bildern jenen kuͤnſtli- chen bezaubernden Schein, den Farben die gefaͤllige Milde, und die hoͤchſt zarte, auf keinem andern Wege in ſolcher Vollkommenheit erreichbare Abſtufung ertheilte. Die hieher gehoͤrige Stelle des Plinius iſt ungemein deutlich, ja ſie ſcheint ſogar keine andere Auslegung zu leiden. „Wenn ſeine Gemaͤlde vollendet waren, uͤberzog er ſie mit einer ſehr feinen Schwaͤrze, atramentum, die durch ihren Glanz die Schoͤnheit der Farben noch erhob, das Gemaͤlde vor Staub und Schmutz ſchuͤtzte, und erſt bemerkt werden konnte, wenn man es naͤher betrachtete. Er verfuhr aber darin ſehr behutſam. Die Lebhaftigkeit der Farben ſollte das Auge nicht be- leidigen, und es ſollte ſie in der Entfernung wie durch einen Spiegelſtein erblicken. Eben dieſe Schwaͤrze ſollte auch den zu hellen Farben unvermerkt mehr Ernſt geben.“

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/121>, abgerufen am 14.05.2024.