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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Samuel Clarke geb. 1675 gest. 1735 trägt
zur Ausbreitung der Newtonischen Lehre unter allen am
meisten bey. Zum geistlichen Stande bestimmt, zeigt er
in der Jugend großes Talent zur Mathematik und
Physik, penetrirt früher als andere die Newtonischen
Ansichten und überzeugt sich davon.

Er übersetzt Rohault's Physik, welche nach Carthe-
sianischen Grundsätzen geschrieben, in den Schulen ge-
braucht wurde, ins Lateinische. In den Noten trägt
der Uebersetzer die Newtonische Lehre vor, von welcher
denn, bey Gelegenheit der Farben, gesagt wird: Expe-
rientia compertum est etc.
Die erste Ausgabe ist von
1697. Auf diesem Wege führte man die Newtonische
Lehre, neben der des Carthesius, in den Unterricht ein
und verdrängte jene nach und nach.

Der größte Dienst jedoch, den Clarke Newtonen
erzeigte, war die Uebersetzung der Optik ins Lateinische,
welche 1706 heraus kam. Newton hatte sie selbst re-
vidirt, und Engländer sagen, sie sey verständlicher als
das Original selbst. Wir aber können dieß keineswegs
finden. Das Original ist sehr deutlich, naiv ernst ge-
schrieben; die Uebersetzung muß, um des lateinischen
Sprachgebrauchs willen, oft umschreiben und Phrasen
machen; aber vielleicht sind es eben diese Phrasen, die
den Herren, welche sich nichts weiter dabey denken
wollten, am besten zu Ohre gingen.

Uebrigens standen beyde Männer in einem morali-

Samuel Clarke geb. 1675 geſt. 1735 traͤgt
zur Ausbreitung der Newtoniſchen Lehre unter allen am
meiſten bey. Zum geiſtlichen Stande beſtimmt, zeigt er
in der Jugend großes Talent zur Mathematik und
Phyſik, penetrirt fruͤher als andere die Newtoniſchen
Anſichten und uͤberzeugt ſich davon.

Er uͤberſetzt Rohault’s Phyſik, welche nach Carthe-
ſianiſchen Grundſaͤtzen geſchrieben, in den Schulen ge-
braucht wurde, ins Lateiniſche. In den Noten traͤgt
der Ueberſetzer die Newtoniſche Lehre vor, von welcher
denn, bey Gelegenheit der Farben, geſagt wird: Expe-
rientia compertum est etc.
Die erſte Ausgabe iſt von
1697. Auf dieſem Wege fuͤhrte man die Newtoniſche
Lehre, neben der des Cartheſius, in den Unterricht ein
und verdraͤngte jene nach und nach.

Der groͤßte Dienſt jedoch, den Clarke Newtonen
erzeigte, war die Ueberſetzung der Optik ins Lateiniſche,
welche 1706 heraus kam. Newton hatte ſie ſelbſt re-
vidirt, und Englaͤnder ſagen, ſie ſey verſtaͤndlicher als
das Original ſelbſt. Wir aber koͤnnen dieß keineswegs
finden. Das Original iſt ſehr deutlich, naiv ernſt ge-
ſchrieben; die Ueberſetzung muß, um des lateiniſchen
Sprachgebrauchs willen, oft umſchreiben und Phraſen
machen; aber vielleicht ſind es eben dieſe Phraſen, die
den Herren, welche ſich nichts weiter dabey denken
wollten, am beſten zu Ohre gingen.

Uebrigens ſtanden beyde Maͤnner in einem morali-

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[485/0519] Samuel Clarke geb. 1675 geſt. 1735 traͤgt zur Ausbreitung der Newtoniſchen Lehre unter allen am meiſten bey. Zum geiſtlichen Stande beſtimmt, zeigt er in der Jugend großes Talent zur Mathematik und Phyſik, penetrirt fruͤher als andere die Newtoniſchen Anſichten und uͤberzeugt ſich davon. Er uͤberſetzt Rohault’s Phyſik, welche nach Carthe- ſianiſchen Grundſaͤtzen geſchrieben, in den Schulen ge- braucht wurde, ins Lateiniſche. In den Noten traͤgt der Ueberſetzer die Newtoniſche Lehre vor, von welcher denn, bey Gelegenheit der Farben, geſagt wird: Expe- rientia compertum est etc. Die erſte Ausgabe iſt von 1697. Auf dieſem Wege fuͤhrte man die Newtoniſche Lehre, neben der des Cartheſius, in den Unterricht ein und verdraͤngte jene nach und nach. Der groͤßte Dienſt jedoch, den Clarke Newtonen erzeigte, war die Ueberſetzung der Optik ins Lateiniſche, welche 1706 heraus kam. Newton hatte ſie ſelbſt re- vidirt, und Englaͤnder ſagen, ſie ſey verſtaͤndlicher als das Original ſelbſt. Wir aber koͤnnen dieß keineswegs finden. Das Original iſt ſehr deutlich, naiv ernſt ge- ſchrieben; die Ueberſetzung muß, um des lateiniſchen Sprachgebrauchs willen, oft umſchreiben und Phraſen machen; aber vielleicht ſind es eben dieſe Phraſen, die den Herren, welche ſich nichts weiter dabey denken wollten, am beſten zu Ohre gingen. Uebrigens ſtanden beyde Maͤnner in einem morali-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/519>, abgerufen am 28.04.2024.