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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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die Critiker sich mit der größten Sorgfalt nach andern
Codicibus umsehen, um solche Stellen, die gar kei-
nen Sinn haben, mit Bedacht und Vorsicht zu emen-
diren.

Die Lehre mag sich indessen stellen wie sie will,
das Leben geht seinen Gang fort. Achromatische Fern-
röhre werden verfertigt, einzelne Männer und ganze
Nationen auf die Eigenschaften der verschiedenen
Glasarten aufmerksam. Clairault in Frankreich be-
dient sich der sogenannten Pierres de Stras statt des
Flintglases, und die Entdeckung lag ganz nahe, daß
der Bleykalk dem Glase jene Eigenschaft, die Farben-
säume disproportionirlich gegen die Brechung zu ver-
breitern, mittheilen könne. Zeiher in Petersburg
machte sich um die Sache verdient. Was Boskowitsch
und Steiner gethan, um diese Angelegenheit theoretisch
und praktisch zu fördern, bleibt unvergessen.

Le Baude erhielt in Frankreich 1773 den Preis
für eine Glasart, die dem Flint nahe kam. Düfou-
gerais hat zu unserer Zeit, in seiner Manufactur zu
Mont-Cenis, ein Glas verfertigt, wovon ein Prisma
zu zwey Graden mit einem Prisma von Crownglas zu
achtzehn Graden zusammengestellt, die Farbenerschei-
nung aufhebt.

Von dieser Glasart liegt noch eine große Masse
vorräthig, und es ist zu wünschen, daß ein Theil
derselben von den französischen Optikern zu Prismen

die Critiker ſich mit der groͤßten Sorgfalt nach andern
Codicibus umſehen, um ſolche Stellen, die gar kei-
nen Sinn haben, mit Bedacht und Vorſicht zu emen-
diren.

Die Lehre mag ſich indeſſen ſtellen wie ſie will,
das Leben geht ſeinen Gang fort. Achromatiſche Fern-
roͤhre werden verfertigt, einzelne Maͤnner und ganze
Nationen auf die Eigenſchaften der verſchiedenen
Glasarten aufmerkſam. Clairault in Frankreich be-
dient ſich der ſogenannten Pierres de Stras ſtatt des
Flintglaſes, und die Entdeckung lag ganz nahe, daß
der Bleykalk dem Glaſe jene Eigenſchaft, die Farben-
ſaͤume disproportionirlich gegen die Brechung zu ver-
breitern, mittheilen koͤnne. Zeiher in Petersburg
machte ſich um die Sache verdient. Was Boskowitſch
und Steiner gethan, um dieſe Angelegenheit theoretiſch
und praktiſch zu foͤrdern, bleibt unvergeſſen.

Le Baude erhielt in Frankreich 1773 den Preis
fuͤr eine Glasart, die dem Flint nahe kam. Duͤfou-
gerais hat zu unſerer Zeit, in ſeiner Manufactur zu
Mont-Cenis, ein Glas verfertigt, wovon ein Prisma
zu zwey Graden mit einem Prisma von Crownglas zu
achtzehn Graden zuſammengeſtellt, die Farbenerſchei-
nung aufhebt.

Von dieſer Glasart liegt noch eine große Maſſe
vorraͤthig, und es iſt zu wuͤnſchen, daß ein Theil
derſelben von den franzoͤſiſchen Optikern zu Prismen

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[587/0621] die Critiker ſich mit der groͤßten Sorgfalt nach andern Codicibus umſehen, um ſolche Stellen, die gar kei- nen Sinn haben, mit Bedacht und Vorſicht zu emen- diren. Die Lehre mag ſich indeſſen ſtellen wie ſie will, das Leben geht ſeinen Gang fort. Achromatiſche Fern- roͤhre werden verfertigt, einzelne Maͤnner und ganze Nationen auf die Eigenſchaften der verſchiedenen Glasarten aufmerkſam. Clairault in Frankreich be- dient ſich der ſogenannten Pierres de Stras ſtatt des Flintglaſes, und die Entdeckung lag ganz nahe, daß der Bleykalk dem Glaſe jene Eigenſchaft, die Farben- ſaͤume disproportionirlich gegen die Brechung zu ver- breitern, mittheilen koͤnne. Zeiher in Petersburg machte ſich um die Sache verdient. Was Boskowitſch und Steiner gethan, um dieſe Angelegenheit theoretiſch und praktiſch zu foͤrdern, bleibt unvergeſſen. Le Baude erhielt in Frankreich 1773 den Preis fuͤr eine Glasart, die dem Flint nahe kam. Duͤfou- gerais hat zu unſerer Zeit, in ſeiner Manufactur zu Mont-Cenis, ein Glas verfertigt, wovon ein Prisma zu zwey Graden mit einem Prisma von Crownglas zu achtzehn Graden zuſammengeſtellt, die Farbenerſchei- nung aufhebt. Von dieſer Glasart liegt noch eine große Maſſe vorraͤthig, und es iſt zu wuͤnſchen, daß ein Theil derſelben von den franzoͤſiſchen Optikern zu Prismen

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/621>, abgerufen am 29.04.2024.