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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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zuletzt ein grünes Bild noch übrig blieb? Aber wie kann
dieses entstehen, wenn die Reihen der entgegengesetzten
Enden aufgehoben sind, da es bloß aus diesen zusam-
mengesetzt ist? Schwerlich kann es etwas anders seyn
und heißen, als daß ein an seinen Rändern wirklich
achromatisirtes, durch ein grünes Mittel aber grün ge-
färbtes gebrochnes Bild noch übrig geblieben.

Soviel von unsern Vermuthungen, denen wir
noch manches hinzufügen könnten. Allein es ist eine
traurige Aufgabe mit Worten gegen Worte zu streiten;
und die Versuche anzustellen, um der Sache genau auf
die Spur zu kommen, mangelt uns gegenwärtig Zeit
und Gelegenheit. Sie verdient wegen Erweiterung der
theoretischen Ansicht vielleicht künftig noch eine nähere
Prüfung. Denn was das Praktische betrifft, so sieht
man leicht, daß diesen aus Glas und salinischen Flüs-
sigkeiten zusammengesetzten sogenannten aplanatischen
Gläsern in der Ausführung noch mehr Hindernisse ent-
gegenstanden, als jenen aus zwey Glasarten verbunde-
nen achromatischen. Auch scheint das Unternehmen nicht
weiter geführt worden zu seyn. Ob wir hierüber nä-
here Nachricht erhalten können, muß die Zeit lehren.


Uns sey indessen vergönnt, da wir uns dem Schlusse
unserer Arbeit immer mehr nähern, eine allgemeine,
bieher wohl passende Anmerkung beyzubringen.

In physischen sowohl als andern Erfahrungswis-

zuletzt ein gruͤnes Bild noch uͤbrig blieb? Aber wie kann
dieſes entſtehen, wenn die Reihen der entgegengeſetzten
Enden aufgehoben ſind, da es bloß aus dieſen zuſam-
mengeſetzt iſt? Schwerlich kann es etwas anders ſeyn
und heißen, als daß ein an ſeinen Raͤndern wirklich
achromatiſirtes, durch ein gruͤnes Mittel aber gruͤn ge-
faͤrbtes gebrochnes Bild noch uͤbrig geblieben.

Soviel von unſern Vermuthungen, denen wir
noch manches hinzufuͤgen koͤnnten. Allein es iſt eine
traurige Aufgabe mit Worten gegen Worte zu ſtreiten;
und die Verſuche anzuſtellen, um der Sache genau auf
die Spur zu kommen, mangelt uns gegenwaͤrtig Zeit
und Gelegenheit. Sie verdient wegen Erweiterung der
theoretiſchen Anſicht vielleicht kuͤnftig noch eine naͤhere
Pruͤfung. Denn was das Praktiſche betrifft, ſo ſieht
man leicht, daß dieſen aus Glas und ſaliniſchen Fluͤſ-
ſigkeiten zuſammengeſetzten ſogenannten aplanatiſchen
Glaͤſern in der Ausfuͤhrung noch mehr Hinderniſſe ent-
gegenſtanden, als jenen aus zwey Glasarten verbunde-
nen achromatiſchen. Auch ſcheint das Unternehmen nicht
weiter gefuͤhrt worden zu ſeyn. Ob wir hieruͤber naͤ-
here Nachricht erhalten koͤnnen, muß die Zeit lehren.


Uns ſey indeſſen vergoͤnnt, da wir uns dem Schluſſe
unſerer Arbeit immer mehr naͤhern, eine allgemeine,
bieher wohl paſſende Anmerkung beyzubringen.

In phyſiſchen ſowohl als andern Erfahrungswiſ-

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[663/0697] zuletzt ein gruͤnes Bild noch uͤbrig blieb? Aber wie kann dieſes entſtehen, wenn die Reihen der entgegengeſetzten Enden aufgehoben ſind, da es bloß aus dieſen zuſam- mengeſetzt iſt? Schwerlich kann es etwas anders ſeyn und heißen, als daß ein an ſeinen Raͤndern wirklich achromatiſirtes, durch ein gruͤnes Mittel aber gruͤn ge- faͤrbtes gebrochnes Bild noch uͤbrig geblieben. Soviel von unſern Vermuthungen, denen wir noch manches hinzufuͤgen koͤnnten. Allein es iſt eine traurige Aufgabe mit Worten gegen Worte zu ſtreiten; und die Verſuche anzuſtellen, um der Sache genau auf die Spur zu kommen, mangelt uns gegenwaͤrtig Zeit und Gelegenheit. Sie verdient wegen Erweiterung der theoretiſchen Anſicht vielleicht kuͤnftig noch eine naͤhere Pruͤfung. Denn was das Praktiſche betrifft, ſo ſieht man leicht, daß dieſen aus Glas und ſaliniſchen Fluͤſ- ſigkeiten zuſammengeſetzten ſogenannten aplanatiſchen Glaͤſern in der Ausfuͤhrung noch mehr Hinderniſſe ent- gegenſtanden, als jenen aus zwey Glasarten verbunde- nen achromatiſchen. Auch ſcheint das Unternehmen nicht weiter gefuͤhrt worden zu ſeyn. Ob wir hieruͤber naͤ- here Nachricht erhalten koͤnnen, muß die Zeit lehren. Uns ſey indeſſen vergoͤnnt, da wir uns dem Schluſſe unſerer Arbeit immer mehr naͤhern, eine allgemeine, bieher wohl paſſende Anmerkung beyzubringen. In phyſiſchen ſowohl als andern Erfahrungswiſ-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 663. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/697>, abgerufen am 27.04.2024.