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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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sche Chemie und was sich darauf bezog, ob
ich mich gleich noch sehr gern heimlich be¬
schäftigte, sie consequenter auszubilden, als
man sie mir überliefert hatte. Von poetischen
Arbeiten glaube ich ihm die Mitschuldi¬
gen
vorgelegt zu haben, doch erinnere ich
mich nicht, daß mir irgend eine Zurechtwei¬
sung oder Aufmunterung von seiner Seite
hierüber zu Theil geworden wäre. Aber bey
diesem allen blieb er der er war; was von
ihm ausging wirkte, wenn auch nicht erfreu¬
lich, doch bedeutend; ja seine Handschrift so¬
gar übte auf mich eine magische Gewalt aus.
Ich erinnere mich nicht, daß ich eins seiner
Blätter, ja nur ein Couvert von seiner Hand,
zerrissen oder verschleudert hätte; dennoch ist
mir, bey den so mannigfaltigen Ort- und
Zeitwechseln, kein Document jener wunderba¬
ren, ahndungsvollen und glücklichen Tage
übrig geblieben.

ſche Chemie und was ſich darauf bezog, ob
ich mich gleich noch ſehr gern heimlich be¬
ſchaͤftigte, ſie conſequenter auszubilden, als
man ſie mir uͤberliefert hatte. Von poetiſchen
Arbeiten glaube ich ihm die Mitſchuldi¬
gen
vorgelegt zu haben, doch erinnere ich
mich nicht, daß mir irgend eine Zurechtwei¬
ſung oder Aufmunterung von ſeiner Seite
hieruͤber zu Theil geworden waͤre. Aber bey
dieſem allen blieb er der er war; was von
ihm ausging wirkte, wenn auch nicht erfreu¬
lich, doch bedeutend; ja ſeine Handſchrift ſo¬
gar uͤbte auf mich eine magiſche Gewalt aus.
Ich erinnere mich nicht, daß ich eins ſeiner
Blaͤtter, ja nur ein Couvert von ſeiner Hand,
zerriſſen oder verſchleudert haͤtte; dennoch iſt
mir, bey den ſo mannigfaltigen Ort- und
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[488/0496] ſche Chemie und was ſich darauf bezog, ob ich mich gleich noch ſehr gern heimlich be¬ ſchaͤftigte, ſie conſequenter auszubilden, als man ſie mir uͤberliefert hatte. Von poetiſchen Arbeiten glaube ich ihm die Mitſchuldi¬ gen vorgelegt zu haben, doch erinnere ich mich nicht, daß mir irgend eine Zurechtwei¬ ſung oder Aufmunterung von ſeiner Seite hieruͤber zu Theil geworden waͤre. Aber bey dieſem allen blieb er der er war; was von ihm ausging wirkte, wenn auch nicht erfreu¬ lich, doch bedeutend; ja ſeine Handſchrift ſo¬ gar uͤbte auf mich eine magiſche Gewalt aus. Ich erinnere mich nicht, daß ich eins ſeiner Blaͤtter, ja nur ein Couvert von ſeiner Hand, zerriſſen oder verſchleudert haͤtte; dennoch iſt mir, bey den ſo mannigfaltigen Ort- und Zeitwechſeln, kein Document jener wunderba¬ ren, ahndungsvollen und gluͤcklichen Tage uͤbrig geblieben.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/496>, abgerufen am 30.04.2024.