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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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da glaubt der Alte gewiß sich selbst gesehen
zu haben, er fürchtet, daß ihm diese Erschei¬
nung Unglück, ja vielleicht gar den Tod be¬
deute, und nun ist er zahm geworden wie
alle die Halbmenschen, wenn sie an die Auf¬
lösung denken, welcher niemand entgangen
ist, noch entgehen wird. Nur stille, da ich
hoffe, daß er noch lange leben soll, so wollen
wir ihn bey dieser Gelegenheit wenigstens so
formiren, daß er seiner Frau und seinen
Hausgenossen nicht mehr zur Last seyn
soll.

Sie fingen nun, so bald es nur schicklich
war, in Gegenwart des Grafen an, von
Ahndungen, Erscheinungen und dergleichen
zu sprechen. Jarno spielte den Zweifler, sei¬
ne Freundin gleichfalls, und sie trieben es so
weit, daß der Graf endlich Jarno bey Seite
nahm, ihm seine Freygeisterey verwies, und
ihn, durch sein eignes Beyspiel, von der

da glaubt der Alte gewiß ſich ſelbſt geſehen
zu haben, er fürchtet, daß ihm dieſe Erſchei¬
nung Unglück, ja vielleicht gar den Tod be¬
deute, und nun iſt er zahm geworden wie
alle die Halbmenſchen, wenn ſie an die Auf¬
löſung denken, welcher niemand entgangen
iſt, noch entgehen wird. Nur ſtille, da ich
hoffe, daß er noch lange leben ſoll, ſo wollen
wir ihn bey dieſer Gelegenheit wenigſtens ſo
formiren, daß er ſeiner Frau und ſeinen
Hausgenoſſen nicht mehr zur Laſt ſeyn
ſoll.

Sie fingen nun, ſo bald es nur ſchicklich
war, in Gegenwart des Grafen an, von
Ahndungen, Erſcheinungen und dergleichen
zu ſprechen. Jarno ſpielte den Zweifler, ſei¬
ne Freundin gleichfalls, und ſie trieben es ſo
weit, daß der Graf endlich Jarno bey Seite
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[146/0154] da glaubt der Alte gewiß ſich ſelbſt geſehen zu haben, er fürchtet, daß ihm dieſe Erſchei¬ nung Unglück, ja vielleicht gar den Tod be¬ deute, und nun iſt er zahm geworden wie alle die Halbmenſchen, wenn ſie an die Auf¬ löſung denken, welcher niemand entgangen iſt, noch entgehen wird. Nur ſtille, da ich hoffe, daß er noch lange leben ſoll, ſo wollen wir ihn bey dieſer Gelegenheit wenigſtens ſo formiren, daß er ſeiner Frau und ſeinen Hausgenoſſen nicht mehr zur Laſt ſeyn ſoll. Sie fingen nun, ſo bald es nur ſchicklich war, in Gegenwart des Grafen an, von Ahndungen, Erſcheinungen und dergleichen zu ſprechen. Jarno ſpielte den Zweifler, ſei¬ ne Freundin gleichfalls, und ſie trieben es ſo weit, daß der Graf endlich Jarno bey Seite nahm, ihm ſeine Freygeiſterey verwies, und ihn, durch ſein eignes Beyſpiel, von der

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/154>, abgerufen am 01.05.2024.