Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

als Harlekin aus dem Ey, und machte als
kleiner Essenkehrer schon früh die artigsten
Streiche.

Leider mußte er den Beyfall, den er an
glänzenden Abenden erhielt, in den Zwischen¬
zeiten sehr theuer bezahlen. Sein Vater,
überzeugt, daß nur durch Schläge die Auf¬
merksamkeit der Kinder erregt und festgehal¬
ten werden könne, prügelte ihn beym Ein¬
studieren einer jeden Rolle zu abgemessenen
Zeiten; nicht, weil das Kind ungeschickt war,
sondern damit es sich desto gewisser und an¬
haltender geschickt zeigen möge. So gab
man ehemals, indem ein Gränzstein gesetzt
wurde, den umstehenden Kindern tüchtige
Ohrfeigen, und die ältesten Leute erinnern
sich noch genau des Ortes und der Stelle.
Er wuchs heran, und zeigte ausserordentliche
Fähigkeiten des Geistes und Fertigkeiten des
Körpers, und dabey eine große Biegsamkeit

als Harlekin aus dem Ey, und machte als
kleiner Eſſenkehrer ſchon früh die artigſten
Streiche.

Leider mußte er den Beyfall, den er an
glänzenden Abenden erhielt, in den Zwiſchen¬
zeiten ſehr theuer bezahlen. Sein Vater,
überzeugt, daß nur durch Schläge die Auf¬
merkſamkeit der Kinder erregt und feſtgehal¬
ten werden könne, prügelte ihn beym Ein¬
ſtudieren einer jeden Rolle zu abgemeſſenen
Zeiten; nicht, weil das Kind ungeſchickt war,
ſondern damit es ſich deſto gewiſſer und an¬
haltender geſchickt zeigen möge. So gab
man ehemals, indem ein Gränzſtein geſetzt
wurde, den umſtehenden Kindern tüchtige
Ohrfeigen, und die älteſten Leute erinnern
ſich noch genau des Ortes und der Stelle.
Er wuchs heran, und zeigte auſſerordentliche
Fähigkeiten des Geiſtes und Fertigkeiten des
Körpers, und dabey eine große Biegſamkeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0350" n="341"/>
als Harlekin aus dem Ey, und machte als<lb/>
kleiner E&#x017F;&#x017F;enkehrer &#x017F;chon früh die artig&#x017F;ten<lb/>
Streiche.</p><lb/>
            <p>Leider mußte er den Beyfall, den er an<lb/>
glänzenden Abenden erhielt, in den Zwi&#x017F;chen¬<lb/>
zeiten &#x017F;ehr theuer bezahlen. Sein Vater,<lb/>
überzeugt, daß nur durch Schläge die Auf¬<lb/>
merk&#x017F;amkeit der Kinder erregt und fe&#x017F;tgehal¬<lb/>
ten werden könne, prügelte ihn beym Ein¬<lb/>
&#x017F;tudieren einer jeden Rolle zu abgeme&#x017F;&#x017F;enen<lb/>
Zeiten; nicht, weil das Kind unge&#x017F;chickt war,<lb/>
&#x017F;ondern damit es &#x017F;ich de&#x017F;to gewi&#x017F;&#x017F;er und an¬<lb/>
haltender ge&#x017F;chickt zeigen möge. So gab<lb/>
man ehemals, indem ein Gränz&#x017F;tein ge&#x017F;etzt<lb/>
wurde, den um&#x017F;tehenden Kindern tüchtige<lb/>
Ohrfeigen, und die älte&#x017F;ten Leute erinnern<lb/>
&#x017F;ich noch genau des Ortes und der Stelle.<lb/>
Er wuchs heran, und zeigte au&#x017F;&#x017F;erordentliche<lb/>
Fähigkeiten des Gei&#x017F;tes und Fertigkeiten des<lb/>
Körpers, und dabey eine große Bieg&#x017F;amkeit<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[341/0350] als Harlekin aus dem Ey, und machte als kleiner Eſſenkehrer ſchon früh die artigſten Streiche. Leider mußte er den Beyfall, den er an glänzenden Abenden erhielt, in den Zwiſchen¬ zeiten ſehr theuer bezahlen. Sein Vater, überzeugt, daß nur durch Schläge die Auf¬ merkſamkeit der Kinder erregt und feſtgehal¬ ten werden könne, prügelte ihn beym Ein¬ ſtudieren einer jeden Rolle zu abgemeſſenen Zeiten; nicht, weil das Kind ungeſchickt war, ſondern damit es ſich deſto gewiſſer und an¬ haltender geſchickt zeigen möge. So gab man ehemals, indem ein Gränzſtein geſetzt wurde, den umſtehenden Kindern tüchtige Ohrfeigen, und die älteſten Leute erinnern ſich noch genau des Ortes und der Stelle. Er wuchs heran, und zeigte auſſerordentliche Fähigkeiten des Geiſtes und Fertigkeiten des Körpers, und dabey eine große Biegſamkeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/350
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/350>, abgerufen am 27.04.2024.