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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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beym Nachtische hinunter, als müsse es nur
so seyn. Und sollten deswegen alle diese
Menschen nicht arbeiten, nicht schaffen und
bereiten, sollte der Hausherr das alles nicht
sorgfältig zusammenbringen und zusammen
halten, weil am Ende der Genuß nur vor¬
übergehend ist? Aber kein Genuß ist vor¬
übergehend; denn der Eindruck den er zurück¬
läßt ist bleibend, und was man mit Fleiß
und Anstrengung thut, theilt dem Zuschauer
selbst eine verborgene Kraft mit, von der
man nicht wissen kann wie weit sie wirkt.

Mir ist alles einerley, versetzte Philine,
nur muß ich auch dießmal erfahren, daß
Männer immer im Widerspruch mit sich
selbst sind. Bey all eurer Gewissenhaftig¬
keit, den großen Autor nicht verstümmeln
zu wollen, laßt ihr doch den schönsten Ge¬
danken aus dem Stücke.

Den schönsten? rief Wilhelm.

beym Nachtiſche hinunter, als müſſe es nur
ſo ſeyn. Und ſollten deswegen alle dieſe
Menſchen nicht arbeiten, nicht ſchaffen und
bereiten, ſollte der Hausherr das alles nicht
ſorgfältig zuſammenbringen und zuſammen
halten, weil am Ende der Genuß nur vor¬
übergehend iſt? Aber kein Genuß iſt vor¬
übergehend; denn der Eindruck den er zurück¬
läßt iſt bleibend, und was man mit Fleiß
und Anſtrengung thut, theilt dem Zuſchauer
ſelbſt eine verborgene Kraft mit, von der
man nicht wiſſen kann wie weit ſie wirkt.

Mir iſt alles einerley, verſetzte Philine,
nur muß ich auch dießmal erfahren, daß
Männer immer im Widerſpruch mit ſich
ſelbſt ſind. Bey all eurer Gewiſſenhaftig¬
keit, den großen Autor nicht verſtümmeln
zu wollen, laßt ihr doch den ſchönſten Ge¬
danken aus dem Stücke.

Den ſchönſten? rief Wilhelm.

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[98/0104] beym Nachtiſche hinunter, als müſſe es nur ſo ſeyn. Und ſollten deswegen alle dieſe Menſchen nicht arbeiten, nicht ſchaffen und bereiten, ſollte der Hausherr das alles nicht ſorgfältig zuſammenbringen und zuſammen halten, weil am Ende der Genuß nur vor¬ übergehend iſt? Aber kein Genuß iſt vor¬ übergehend; denn der Eindruck den er zurück¬ läßt iſt bleibend, und was man mit Fleiß und Anſtrengung thut, theilt dem Zuſchauer ſelbſt eine verborgene Kraft mit, von der man nicht wiſſen kann wie weit ſie wirkt. Mir iſt alles einerley, verſetzte Philine, nur muß ich auch dießmal erfahren, daß Männer immer im Widerſpruch mit ſich ſelbſt ſind. Bey all eurer Gewiſſenhaftig¬ keit, den großen Autor nicht verſtümmeln zu wollen, laßt ihr doch den ſchönſten Ge¬ danken aus dem Stücke. Den ſchönſten? rief Wilhelm.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/104>, abgerufen am 01.05.2024.